Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Beste Freunde werden Merkel und Putin wohl nicht mehr

Nach deutsch-russischen Krisenjahr­en rücken sie aber wieder etwas zusammen – um andere Krisen zu bewältigen

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Auch diesmal lässt er sie warten. Doch Angela Merkel nimmt die gut 30-minütige Verspätung scheinbar gelassen, schließlic­h ist das beim russischen Präsidente­n fast schon pünktlich. Ein Händedruck, ein freundlich­es Lächeln – die Begrüßung vor dem Schloss fällt eher geschäftsm­äßig als herzlich aus. Es ist das erste bilaterale Krisentref­fen von Angela Merkel und Vladimir Putin in Deutschlan­d seit dem Beginn der Ukrainekri­se vor vier Jahren.

Im Kanzleramt hat man die Erwartunge­n bereits im Vorfeld der Begegnung auf Schloss Meseberg, dem barocken Gästehaus der Bundesregi­erung, am Samstagabe­nd herunterge­schraubt. Allein, dass die beiden miteinande­r reden würden, sei schon ein Erfolg, heißt es. Merkel müsse Klartext reden, die Probleme beim Namen nennen, hatte die Opposition im Vorfeld gefordert.

Der Kreml-Chef kommt aus Österreich, ist quasi auf der Durchreise. Wenige Stunden zuvor hatte Putin noch auf der Hochzeit der österreich­ischen Außenminis­terin Karin Kneissl in der Steiermark getanzt („ein privater Besuch“) und damit für jede Menge Gesprächss­toff gesorgt.

Der Krieg in Syrien, die Krise in der Ostukraine, das von den USA aufgekündi­gte Atomabkomm­en mit dem Iran und das Projekt der Ostseepipe­line Northstrea­m 2 – eigentlich genug Gesprächss­toff für mehrere Krisengipf­el. Merkels wichtigste­s aktuelles Ziel: zu verhindern, dass es im Norden Syriens zu einer weiteren humanitäre­n Katastroph­e kommt. Die Kanzlerin und die EU-Partner drängen auf eine Verfassung­sreform und freie Wahlen, wollen dort den Machthaber und syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad nach sieben Jahren Krieg entmachten und eine politische Lösung ohne ihn. Russland dagegen stützt Assad auch weiter. Putins Forderung an die Kanzlerin und die EU-Partner: Europa soll finanziell­e Hilfe beim Wiederaufb­au in Syrien leisten, um die Rückkehr von Flüchtling­en in ihre Heimat zu ermögliche­n.

„Wir haben Verantwort­ung, Deutschlan­d, aber vor allem auch Russland. Deshalb sollten wir daran arbeiten, Lösungen zu finden“, sagt Merkel beim gemeinsame­n Auftritt vor den Kameras vor Beginn des Gesprächs. Angesichts der großen Zahl ernster Konflikte in der Welt sei die Kooperatio­n mit Russland unverzicht­bar, erklärte Merkel. Er messe der Zusammenar­beit mit Deutschlan­d große Bedeutung bei, versichert­e Putin, sieht Berlin als „führenden Partner“und hob vor allem die guten Wirtschaft­sbeziehung­en zwischen beiden Ländern hervor. Erst vor drei Monaten hatte Putin die Kanzlerin in seiner Sommerresi­denz in Sotschi am Schwarzen Meer empfangen. Mit der russischen Annexion der Halbinsel Krim in der Urkaine hatte 2014 der Konflikt mit Moskau begonnen. Jetzt stehen die Zeichen auf vorsichtig­e Entspannun­g.

Lässt der US-Präsident Donald Trump mit seiner unberechen­baren Politik Merkel und Putin wieder enger zusammenrü­cken? Die Kanzlerin hofft auf Bewegung und setzt darauf, dass der Kreml-Chef im Ukrainekon­flikt einlenkt, um die Kämpfe zwischen den prorussisc­hen Separatist­en und den ukrainisch­en Regierungs­truppen endlich zu stoppen. Doch eine Lösung, etwa der Einsatz einer UN-Blauhelmtr­uppe, lässt weiter auf sich warten.

Nach etwas mehr als drei Stunden steigt Putin wieder in seine dunkle Limousine, macht sich auf die Heimreise nach Russland. Keine Pressekonf­erenz, keine Fragen, keine Erklärunge­n.

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FOTO: AFP Angela Merkel und Wladimir Putin im Meseberger Garten.

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