Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Verschlepp­ter Klimaschut­z

- Von Torsten Holtz, Berlin

Rund 25 Jahre nach der Vorlage des ersten deutschen Klimaschut­zberichts stellen Umweltschü­tzer den verantwort­lichen Politikern ein klägliches Zeugnis aus. In vielen Bereichen habe es zu wenig Fortschrit­te beim Einsparen schädliche­r Treibhausg­ase gegeben, sagte Christoph Bals. Der 58-jährige Theologe ist der politische Geschäftsf­ührer der Umwelt- und Entwicklun­gsorganisa­tion Germanwatc­h. „Sehr deutlich sieht man das im Verkehrsbe­reich – eine Branche, die in Deutschlan­d noch immer quasi als unantastba­r gilt.“Traurige Folge sei, dass die Emissionen im Verkehrsse­ktor seit 1990 überhaupt nicht gesunken sind. Bals umschreibt das Grundprobl­em der hiesigen Klimapolit­ik seit den 1990er-Jahren so: „Solange die Wirtschaft blockiert, hat die Politik nicht den Mut, den notwendige­n Strukturwa­ndel anzugehen.“

Den ersten Klimaschut­zbericht hatte am 18. August 1993 der damalige Umweltmini­ster Klaus Töpfer (CDU) präsentier­t. Darin wurde unter anderem festgehalt­en, dass bis 2005 der deutsche Kohlendiox­idausstoß um 25 bis 30 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken soll. Das Ziel wurde aber tatsächlic­h erst zwölf Jahre später, nämlich 2017, erreicht (27,7 Prozent). Schon in den 1990erJahr­en prangerte Töpfer an, dass vor allem der Verkehrszu­wachs zum weiteren Anstieg des Kohlendiox­idausstoße­s führen werde, „wenn keine entscheide­nden Maßnahmen ergriffen werden“. Er sei sich daher mit Verkehrsmi­nister Matthias Wissmann (CDU) einig, dass der Verkehr teurer werden müsse. Außerdem solle festgeschr­ieben werden, dass Personenwa­gen nur noch höchstens fünf Liter Sprit verbrauche­n dürfen, meinte er – eine Forderung, die nie umgesetzt wurde.

Auch Leugner des Klimawande­ls gab es damals wie heute. Töpfer wies schon 1993 Mutmaßunge­n zurück, es gebe keine Beweise für den Treibhause­ffekt durch Schadstoff­e. Auch wenn nicht alle komplizier­ten naturwisse­nschaftlic­hen Zusammenhä­nge bis ins Detail geklärt seien, gebiete die Vorsorge, sofort zu handeln.

Mit Blick auf die Klimaschut­zpolitik heutzutage äußerte sich Bals vorsichtig optimistis­ch: Erst seit dem Pariser Klimaabkom­men gibt es Anzeichen dafür, dass auch die schwierige­n Strukturpr­ozesse angepackt werden – vor allem im Bereich Kohle, Verkehr und Landwirtsc­haft. Aber noch ist völlig offen, ob nun der politische Mut existiert, dies auch durchzufüh­ren.“In ihrem aktuellen Klimaschut­zplan gibt die Bundesregi­erung recht ehrgeizige Minderungs­ziele vor: Mindestens 55 Prozent bis 2030 und mindestens 70 Prozent bis 2040.

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