Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Tränen der Erleichterung bei Tolus Freunden
Die Ulmer Journalistin darf die Türkei verlassen – Auftritt bei Demo am Sonntag möglich
ULM - Die Nachricht ging aus Ulm in die Welt. Der Solidaritätskreis „Freiheit für Mesale Tolu“vermeldete um 1.13 Uhr am frühen Montagmorgen per Mail: „Die Ausreisesperre von Mesale Tolu wurde aufgehoben!“Die diensthabenden Redakteure der Nachrichtenagenturen und Radiosender sind zunächst skeptisch: In den vergangenen Tagen hatte nichts auf Bewegung im Fall der aus Ulm stammenden deutschen Journalistin mit türkischen Wurzeln hingewiesen, die seit 16 Monaten in der Türkei festgehalten und sieben Monate von April bis Dezember 2017 inhaftiert worden war. Noch im April hatte ein Istanbuler Gericht das Ausreiseverbot für die wegen „Terrorismus“Angeklagte bestätigt. Jetzt, so plötzlich eine Kehrtwende? Am Morgen bestätigt Tolu selbst über Twitter: „Die Meldungen über die Aufhebung meiner Ausreisesperre sind richtig. Ich bedanke mich bei meinem Unterstützerkreis und bei allen, die mit mir mitgefühlt und an meiner Seite sich für meine Freiheit eingesetzt haben.“Und es folgt die Einschränkung: „Diese Entwicklung bedeutet aber nicht, dass alles vorbei ist: Der Prozess geht am 16. Oktober weiter.“
Auch darf der Ehemann und Vater des dreijährigen Sohnes, Suat Corlu, nicht ausreisen. Gegen Corlu, der die türkische Staatsbürgerschaft hat, wird der Prozess in der Türkei ebenfalls fortgeführt. Auch ihm wird die Unterstützung von terroristischen Vereinigungen vorgeworfen.
Lange für die Freiheit demonstriert
Trotzdem: In Ulm fließen an diesem Morgen Tränen der Erleichterung. Vor allem die Mitglieder des Freundeskreises in der Donaustadt, die an jedem ersten Freitag im Monat bei Wind und Wetter für die Freiheit der Journalistin demonstriert hatten, sind erleichtert. Ihr Sprecher, Cengiz Dogan, sagt der „Schwäbischen Zeitung“, dass Tolus Anwältinnen in den vergangenen Wochen immer wieder bei Gericht die Aufhebung der Ausreisesperre beantragt hätten. Tolu werde jetzt in Istanbul ihre Rückkehr nach Deutschland vorbereiten und am kommenden Sonntag, 26. August, mit ihrem dreijährigen Sohn nach Stuttgart fliegen, dann in ihre Heimatstadt Ulm weiterreisen.
Im Laufe des Tages laufen die Reaktionen auf die Entscheidung der Istanbuler Richter im Viertelstundentakt ein. Übereinstimmend mischen sich Freude und Skepsis und immer wieder die Forderung nach rechtsstaatlichen Verfahren in der Türkei. Der Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch (CDU) zeigt sich überzeugt, dass Tolu schnell nach Ulm zu Freunden und Familie zurückkehren werde: „Wir werden Kontakt aufnehmen und sie herzlich willkommen heißen.“Er hoffe auf die Einsicht in der Türkei, „dass politische Haft das falsche Signal“ist. Er vermutet, dass die Ausreisesperre aufgehoben wurde, weil die Türkei außenpolitisch stärker unter Druck geraten ist: „Egal warum, wichtig ist, dass sie jetzt nach Hause kommen kann.“Der in Neu-Ulm lebende Bruder der Journalistin sagt, dass er sich sehr darüber freue, seine Schwester nach mehr als einem Jahr wieder persönlich sehen zu dürfen. Andererseits mache ihn der aus seiner Sicht schnelle Wandel der türkischen Justiz auch stutzig, meint Hüseyin Tolu. Der Neu-Ulmer Oberbürgermeister Gerold Noerenberg (CSU) erinnert an die übrigen in der Türkei inhaftierten Journalisten: „Auch für sie muss ein demokratisches, rechtsstaatliches Verfahren sichergestellt werden und auch in der Türkei müssen die Meinungs- und die Pressefreiheit gewahrt werden“, betont er.
In Ulm laufen derweil die Überlegungen für ein Begrüßungsfest und die bereits geplante Demonstration am ersten Freitag im September. An diesem Tag wollte sich der Kreis wie jeden Monat auf dem Münsterplatz treffen, um für eine Rückkehr Tolus nach Deutschland zu demonstrieren. Absagen wollen die Unterstützer das Treffen auf keinen Fall. Baki Selcuk, Sprecher des Ulmer Solidaritätskreises: „Der Prozess ist ja noch nicht vom Tisch, sondern er geht weiter. Ihr drohen weiterhin Haftstrafen.“Dass Mesale Tolu bei der Demo dabei sein wird, sei durchaus denkbar.