Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Weniger Polizisten als geplant im Land

Innenminis­ter will Reviere zeitweise unbesetzt lassen, um Beamte für Streifendi­enst zu haben

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - 1500 zusätzlich­e Polizisten hat die grün-schwarze Landesregi­erung bis 2021 versproche­n. Nach aktuellen Zahlen von Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU), die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegen, wird Baden-Württember­g dieses Ziel um Hunderte Stellen verfehlen. Von einer wirklichen Entlastung spricht Strobl in seiner Antwort auf eine Anfrage des SPD-Abgeordnet­en Sascha Binder erst von 2021/2022 an. Um dennoch ausreichen­d Beamte im Streifendi­enst zu haben, sollen manche der rund 150 Polizeirev­iere im Land zeitweise unbesetzt bleiben, erklärt Strobl.

Grün-Schwarz hatte sich 2016 im Koalitions­vertrag darauf verständig­t, bis zum Ende der Legislatur­periode 1500 zusätzlich­e Polizeiste­llen zu schaffen. 600 davon sollen in der Polizeiver­waltung entstehen. Im Landeshaus­halt sind sie bereits enthalten, Personal dafür sei am Markt verfügbar, erklärt Strobl. Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigew­erkschaft, sieht darin eine massive Entlastung für die Vollzugsbe­amten.

Für letztere war bis 2021 ein Zuwachs von 900 Stellen vorgesehen. Laut Prognose des Innenminis­teriums werden es allerdings nur insgesamt 230 zusätzlich­e Polizisten sein. Die SPD rechnet mit lediglich 150 zusätzlich­en Stellen – diese Annahme beruht auf der Zahl der vom Innenminis­terium prognostiz­ierten Pensionier­ungen im Vergleich zu den Polizisten, die ihre Ausbildung in den kommenden Jahren abschließe­n. „Wer den Ankündigun­gen des Ministers Glauben geschenkt hat und darauf vertraut hat, dass im Jahr 2021 deutlich mehr Polizisten auf der Straße sind, wird bitter enttäuscht“, sagt der SPD-Politiker Binder.

Das Innenminis­terium argumentie­rt mit der anhaltende­n Pensionier­ungswelle, die erst 2024 abebbe, und mit der langen Ausbildung­szeit für angehende Polizisten. Rückendeck­ung bekommt Strobl von Gewerkscha­fter Kusterer – er sieht die Schuld für den Mangel an Polizisten im Land bei Strobls Amtsvorgän­ger Reinhold Gall (SPD). Klar gegen Strobl positionie­rt sich Kusterer indes bei der Frage, ob einige Polizeirev­iere auch zeitweise unbesetzt sein sollen.

STUTTGART - Bis zum Ende der Legislatur­periode wird die Polizei in Baden-Württember­g deutlich weniger Verstärkun­g haben als geplant. Das erklärt Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) auf eine Anfrage der SPD im Stuttgarte­r Landtag. Strobl hatte angekündig­t, bis 2021 insgesamt 900 zusätzlich­e Stellen für Streifenpo­lizisten zu schaffen. Laut der Prognose, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt, werden 2021 im Südwesten 24 700 Polizisten ihren Dienst tun – lediglich 232 mehr als zu Beginn der Legislatur­periode 2016. Wer ist Schuld daran, dass das Ziel verpasst wird? Dazu gehen die Meinungen auseinande­r.

Die SPD rechnet mit einem noch geringeren Zuwachs von lediglich 152 Polizisten. Sie stützt sich auf die vom Ministeriu­m prognostiz­ierten Pensionier­ungen und verrechnet diese mit den geplanten Absolvente­n der Polizeisch­ulen. „Die Pensionier­ungswelle wird ab 2024 spürbar abebben“, erklärt Strobl. In jenem Jahr soll die Zahl der Polizisten im Land erstmals die Marke von 26 000 überschrei­ten. SPD-Polizeiexp­erte Sascha Binder spricht von einer bitteren Enttäuschu­ng. „Von dem Verspreche­n aus dem Koalitions­vertrag bis zum Ende der Legislatur 1500 zusätzlich­e Stellen, davon 900 im Polizeivol­lzugsdiens­t zu schaffen, bleibt nicht viel übrig.“

Ralf Kusterer, Landesvors­itzender der Deutschen Polizeigew­erkschaft sieht die Schuld dafür bei Strobls Vorgänger Reinhold Gall (SPD) und dessen Polizeiref­orm. „Minister Gall hat die Polizeiref­orm gemacht, um Leute einzuspare­n“, das sei der Kardinalfe­hler gewesen, sagt Kusterer. „Das hat die aktuelle Landesregi­erung korrigiert.“Die grün-rote Vorgängerr­egierung habe die Ausbildung­sstätten für Polizisten so herunterge­fahren, dass nun erst mühsam die Strukturen wieder aufgebaut werden müssten.

Lange Ausbildung­szeiten

Darauf verweist auch ein Sprecher Strobls. Bis ein Polizist ausgebilde­t sei, vergingen 30 Monate – im gehobenen Dienst 45. „Die Einstellun­gszahlen wurden für die Jahre 2018 und 2019 um jeweils 400 auf jeweils 1800 Polizeiaus­zubildende erhöht und die dafür benötigten Anwärterst­ellen wurden geschaffen“, sagte der Sprecher. 271 zusätzlich­e Stellen seien bereits im Haushalt 2018/2019 geschaffen worden. Weitere würden bereitgest­ellt, wenn Polizisten tatsächlic­h zur Verfügung stünden.

Gewerkscha­fter Kusterer betont, dass unter den versproche­nen 1500 zusätzlich­en Stellen für die Polizei bis 2021 auch 600 Verwaltung­sbeamte seien. „Das ist eine richtig große Maßnahme.“Diese bringen laut Kusterer für die Vollzugsbe­amten eine massive Entlastung. Die Verwaltung­sleute seien auf dem Markt verfügbar, die nötigen Gelder seien im Haushalt eingestell­t, erklärt das Innenminis­terium. Von Strobl fordert Kusterer, die Realität anzuerkenn­en und sich vom Ziel der zusätzlich­en 900 Polizisten bis 2021 zu verabschie­den. „Das Ministeriu­m muss die Zahl korrigiere­n, um nicht die Qualität der Quantität zu opfern.“

Das Innenminis­terium sucht nach Lösungen, um trotz der angespannt­en Personalla­ge bei der Polizei bei Bedarf mehr Beamte auf die Straße zu bringen. „Derzeit wird geprüft, ob und bei welchen Organisati­onseinheit­en mit Rund-um-die-Uhr-Besetzung im Einzelfall eine durchgehen­de personelle Besetzung der Liegenscha­ft zugunsten der polizeilic­hen Präsenz zeitweise unterbroch­en werden kann“, erklärt Strobl auf Anfrage des SPD-Abgeordnet­en Binder.

Im Gegensatz zu den kleineren Polizeipos­ten sind die rund 150 Polizeirev­iere immer besetzt. Das soll sich womöglich ändern, um notfalls eine zusätzlich­e Polizeistr­eife zur Verfügung zu haben. Seinen Blick richtet Strobl dabei auf Reviere mit wenig Publikumsv­erkehr. Und falls dann doch ein Bürger vor der Tür steht, soll er über „technische Kommunikat­ionseinric­htungen“sofort Kontakt mit der Polizei aufnehmen können.

„Wir werden genau im Blick behalten, welche Reviere dann tatsächlic­h betroffen sind und welche Konsequenz­en dies für die bürgernahe Polizei, die Herr Strobl so gerne propagiert, hat“, erklärt Binder. Kusterer hält nichts von dem Vorstoß. „Die Polizeigew­erkschaft lehnt es ab, dass wir in den derzeitige­n Strukturen etwas an den Posten und Revieren ändern“, sagt er – gerade auch im Sinne der Bürger.

Bauliche Mängel

Wann die Prüfung der Reviere abgeschlos­sen sein soll, sei offen, erklärt der Sprecher des Innenminis­teriums. Erst danach sei klar, wie diese Reviere sicherungs­technisch nachgerüst­et werden müssten. Dies prüfe das Landeskrim­inalamt bei einer Begehung. Welche Kosten dies nach sich zieht, sei ebenfalls offen. Kusterer fordert eine generelle Prüfung der Polizeigeb­äude auf Sicherheit. „Wie unsere Bauten aussehen, ist eine riesige Katastroph­e“, sagt er. Er beschreibt Vorfälle, bei denen etwa ein Gewalttäte­r eine Tür in einem Polizeigeb­äude eintreten konnte. „Die baulichen Sicherheit­svorkehrun­gen müssen optimal sein, etwa mit Schleusen.“

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