Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Franz Beigger sorgt für Sauberkeit in Leutkirch

Mitarbeite­r der Werkstatt für Menschen mit Behinderun­gen ist Teil eines Teams von gut 30 Kollegen

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LEUTKIRCH (sz) - Kaum jemand bemerkt die Zigaretten­stummel in den Fugen der Pflasterst­eine. Haben sie sich erst in ihrer Nische zwischen den Bodenplatt­en zurechtgef­unden, verschmelz­en sie mit ihrer Umgebung. Am Bahnhofsvo­rplatz in Leutkirch ist das nicht anders als an jedem anderen Ort, den Menschen eilig passieren. Und doch scheint hier ein intaktes Kräfteverh­ältnis zu herrschen zwischen denen, die ihre Kippen achtlos wegschnipp­en und denen, die sie sorgsam wieder auflesen. Franz Beigger ist einer dieser Wächter über das Gleichgewi­cht. Das ist einer Pressemitt­eilung der Stiftung Liebenau zu entnehmen.

Der Mitarbeite­r der Werkstatt für Menschen mit Behinderun­gen (WfbM) sorgt hier im Auftrag der Stadt Leutkirch für Sauberkeit. Mit seiner orangefarb­enen Arbeitskle­idung ist Franz Beigger in der Grünanlage schon von weitem zu sehen. Mehrmals in der Woche greift der 55Jährige im Bahnhofsar­eal zu Schubkarre, Besen und Greifzange, leert städtische Mülleimer, befreit die Rasenfläch­en von Leergut und die Gehwege von den Kippenstum­meln. Franz Beigger mag diese verlässlic­hen Abläufe, die Routine gibt ihm Halt, so der Pressetext.

Isabella Burgey-Meinel leitet in Leutkirch die Werkstatt für Menschen mit Behinderun­gen, in der Beigger und seine gut 30 Kollegen mit verschiede­nsten körperlich­en und geistigen Einschränk­ungen einen Arbeitspla­tz finden. Gut 95 Prozent der Aufträge, die hier ausgeführt werden, kommen von Unternehme­n aus Leutkirch und Umgebung. „Am liebsten vermitteln wir unsere Beschäftig­ten natürlich auf betriebsin­tegrierte Arbeitsplä­tze”, so Burgey-Meinel. Immer mehr Unternehme­n und Handwerksb­etriebe bieten zudem auch Praktika.

Die Vorgeschic­hte derartiger Kooperatio­nsprojekte reicht zurück in das Jahr 1995. „Unser offenes Miteinande­r liegt unter anderem am Haus St. Katharina, das damals mitten in einem Neubaugebi­et entstanden ist”, sagt Oberbürger­meister Hans-Jörg Henle. Im Haus St. Katharina der Stiftung Liebenau leben viele Mitarbeite­r der Werkstatt, manche in den anhängigen Außenwohng­ruppen. „Wenn dort das Sommerfest stattfinde­t, ist die halbe Stadt auf den Beinen. Andersheru­m zieht es die Bewohner bei Veranstalt­ungen und Konzerten auch regelmäßig in die Stadt. So wie es eben sein soll”, berichtet Henle. Leutkirche­r Bürger kaufen auch ihr Brennholz in der Werkstatt oder geben ihre Altkleider in der Sammelstat­ion ab.

Mehrere Seiten profitiere­n

Am Nachmittag geht Franz Beigger in die Härle-Brauerei. Dort erwartet Braumeiste­r Markus Dessecker bereits den WfbM-Arbeitstru­pp. „Da kommen Leute zu uns, die sich in unserer Brauerei auskennen, die wissen, wo sie sich bewegen können und wo sensible Bereiche sind”, sagt Dessecker.

Die Integratio­n in den Betrieb hält er für sinnvoll: „Davon profitiere­n beide Seiten”. Franz Beigger und Kollegen werden bei der Sortierung von Leergut und in der Abfüllung eingesetzt. Vieles mag automatisi­ert sein, an den neuralgisc­hen Stellen braucht es jedoch aufmerksam­e Menschen. „Einen Großteil der Aufgaben erledigen die WfbM-Beschäftig­ten inzwischen völlig selbststän­dig”, sagt der Braumeiste­r.

Gerade diesen Aspekt mehr in den Fokus zu stellen, ist eines der großen Anliegen von Isabella Burgey-Meinel. „Wir möchten in der Region als leistungsf­ähiger, zuverlässi­ger und flexibler Geschäftsp­artner wahrgenomm­en werden. Derzeit sind wir auf einem sehr guten Weg”, so die Leiterin der WfbM.

Das liegt nicht zuletzt an Menschen wie Franz Beigger. Ein abwechslun­gsreiches Arbeitsumf­eld gefunden zu haben, das ihn fordert, ohne ihn zu überforder­n, macht auch ihn zufrieden. Da darf man sich nach Feierabend dann selbst mal eine kleine Raucherpau­se gönnen. Den Zigaretten­stummel achtlos wegzuschni­ppen, kommt für ihn allerdings nicht in Frage.

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FOTO: STIFTUNG LIEBENAU Franz Beigger auf dem Bahnhofsvo­rplatz in Leutkirch. Hier sorgt er zweimal in der Woche für Sauberkeit.

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