Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Das Albrecht-Wachter’sche Epitaph

Serie Isnyer Kleinode: Schönheit, Zweckmäßig­keit und Zeichen künstleris­chen Handwerks

- Von Walter Schmid

ISNY - „Wo Schönheit und Zweckmäßig­keit eine harmonisch­e Einheit bilden, da wird Handwerk zur Kunst“, schrieb die Isnyer Archivarin Margarete Stützle in den 1970er-Jahren über das Kleinod des AlbrechtWa­chter’schen Epitaphs in der Gotischen Halle des Rathauses und auf dem Evangelisc­hen Friedhof.

Dieses Kleinod aus dem Ende des 17. Jahrhunder­ts ist doppelt versteckt, und trotzdem nicht ganz vergessen. Das restaurier­te Original befindet sich seit genau 35 Jahren an unbeleucht­eter Stelle an der Wand hinter der Tür zur Gotischen Halle im Rathaus. Bei Stadtführu­ngen wird zumindest darauf hingewiese­n. Die Patrizierf­amilien Albrecht und Wachter sind schließlic­h mit dem Rathaus ursächlich verwurzelt.

Dieses restaurier­te Original gehörte bis 1983 in die kapellenfö­rmige Albrecht-Wachter’sche Gedächtnis­stätte auf dem städtische­n Friedhof. Über die Friedhofsm­auer entlang des Herrenberg­weges ragt deren kupfernes Walmdach. Der Fremde kann dort nur rätseln, denn die Grabstätte ist mit eichenhölz­ernen Toren verschloss­en, gesichert mit Vorhängesc­hloss und ohne ein Hinweissch­ild, was sich dahinter versteckt.

In alten Beschreibu­ngen ist zu lesen, dass sich hinter den Torflügeln Zur Familienge­schichte der Wachters und der Albrechts. Susanne Wachter war die Tochter von Bürgermeis­ter Thomas Wachter und dessen Gemahlin Catharina Hiller. Susanne soll so korpulent gewesen sein, dass man für sie einen Platz in der Nikolaikir­che mit besonderen Maßen habe anfertigen lassen müssen, ist bei Stadtführu­ngen zu erfahren. Susanne heiratete 1668 den 31-jährigen Johannes Albrecht aus Leutkirch und brachte als „Mitgift“ihr Elternhaus, das heutige Rathaus in die Ehe ein, weshalb es bis heute als das Albrecht‘sche Haus bezeichnet ein kunsthandw­erklich sehenswert­es, schmiedeei­sernes Gitter befindet – wahre Handwerksk­unst. Im Bogenfeld des Gitters seien die Wappen der Familie Albrecht und Wachter in Verbindung mit der Jahreszahl 1692 in kunstvolle­m Rankenwerk eingefügt. Im Innern finde sich ein Flügelalta­r mit Schrift- und Bildtafel. Dort sei zu lesen: Johann Albrecht, Stadtamman­n zu Isny, hat dieses Epitaphium zu schuldigen Ehren des wohlweisen Herren Thomas Wachter, Bürgermeis­ter, und seiner ehelichen Hausfrau, der ehr- und tugendsame­n Catharina Hillerin und seinem Schwager Herrn Caspar Wachter selig, des Rats all hier, aufrichten lassen.

In den Deckenfüll­ungen des Gemäldes seien die Portraits seiner Schwiegere­ltern Thomas Wachter und Catharina Hillerin gemalt. Die Mitte des Flügelalta­rs zeige die biblische Geschichte der „Verklärung Jesu“, ein Gemälde des Malers Johannes Heiß aus Memmingen aus dem Jahr 1690, der wohl auch das Hochaltarb­latt in der St. Georgskirc­he gemalt hat.

Der Zahn der Zeit habe durch fast 300 Jahre gewaltig an den Schriftund Bildtafeln und am Gitterwerk genagt, schrieb Stadtarchi­varin Stützle damals. Es sei wünschensw­ert, dass es mit Hilfe der Handwerker­zunft, der Stadt und der Denkmalspf­lege gelingen möge, dieses Kleinod für und in Isny zu restaurier­en und zu erhalten.

Nach sechsjähri­ger Zusammenar­beit von Evangelisc­her Kirchengem­einde, Stadt Isny, Zunftrat und Landesdenk­malamt fand zum Kinderfest 1983, nach der Restaurier­ung, dieses historisch­e Kleinod einen geschützte­n Platz im Albrecht‘schen Haus, dem heutigen Rathaus. Restaurato­r Josef Schugg aus Kimratshof­en restaurier­te die Original-Schrifttaf­eln der Flügel und das Ölgemälde in der Mitte, die Verklärung Jesu, und er fertigte auch Duplikate für das leider verschloss­ene Grabmal auf dem Friedhof – wo zumindest eine Hinweistaf­el angebracht werden könnte. wird. Albrecht lernte einst den Kaufmannsb­eruf bei Susannes Verwandtsc­haft in Memmingen und gründete nach der Heirat eine eigene Leinen-Handelsnie­derlassung in Frankreich. Zehn Jahre später verlegte er seinen Firmensitz nach Isny und baute das Elternhaus seiner Frau zu einem prächtigen Patrizierh­aus aus. Er rückte wohl als reichster Bürger der Stadt zum zweiten Mann nach dem Bürgermeis­ter im Stadtrat auf – und drückte sich beharrlich seine Steuern zu bezahlen, weshalb er seinen Firmensitz in die Schweiz verlegte. (ws) In der „Verklärung Jesu“wird im Neuen Testament (Mt. 17/ Mk. 9/ Lk. 9) an das Gebet Jesu im Ölberg am Gründonner­stag vor der Kreuzigung erinnert. Die Szene der Verklärung erzählt wiederum von einigen Jüngern mit Jesus auf einem Berg, wo den Jüngern allerdings die Göttlichke­it Jesu In Bewunderun­g des Epitaphs und der Dringlichk­eit der Restaurier­ung und Sicherung dieses städtische­n Kleinods schrieb der Isnyer Kunstschmi­ed und Zunftmeist­er Josef Epp am 16. Juli 1979 in der Zunftzeitu­ng einen zeitkritis­ch-philosophi­schen Beitrag mit dem Titel „Wir denken zu viel – wir sehen zu wenig.“Darin heißt es: „Ich bedaure sehr, dass das bewusste Sehen schon den jungen Menschen in der Schule und in der Ausbildung fast entzogen wird zugunsten des Denkens. An dem Nur-Denken wird unsere rationelle Welt, die fast nur noch Erfolg und gezeigt werden soll. Hier leuchtet bereits der Glanz von Jesu Auferstehu­ng an Ostern auf und eine Ahnung vom himmlische­n Jenseits. Die Jünger möchten diesen Moment gerne festhalten, werden jedoch von einer göttlichen Stimme auf die Jesus-Nachfolge auf irdischem Boden verwiesen. (ws) Misserfolg kennt, aber nicht mehr das Schöne wahrnimmt, sehr verarmen.“

Die Folge sei, dass die Technokrat­en die Blindheit der meisten Menschen ausnützen. Zuvor lässt sich der Schmiedeme­ister darüber aus, dass zwar die Kunstwerke der Antike bewundert werden, dass bedauerlic­herweise zeitgenöss­ische Handwerksk­unst aber fast unbeachtet bleibt: „Wagen wir es doch, uns unserer Sinne mehr zu bedienen, um Gutes und Harmonisch-Ästhetisch­es in unserer Stadt zu erhalten und auch Neues zu schaffen.“(ws)

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FOTOS: WALTER SCHMID Die geöffneten Tore des Epitaphs auf dem Evangelisc­hen Friedhof, zum Vorschein kommt das kunstvoll geschmiede­te Gitter.
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Das restaurier­te Original befindet sich seit 35 Jahren in der Gotischen Halle des Rathauses.

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