Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Pyramide auf Karlsruhes Marktplatz steht bald wieder frei
Das Wahrzeichen der Stadt gilt als Unikat – und ist von vielen Legenden umwoben
KARLSRUHE - Die wohl bekannteste Pyramide Deutschlands steht auf dem Karlsruher Marktplatz – bereits seit 1825. Fast fünf Jahre ist der 200 Jahre alte Sandsteinbau jetzt schon verhüllt: wegen des Tunnelbaus unter dem Stadtzentrum. Bald soll das Unikat, das als Wahrzeichen der 1715 gegründeten nordbadischen Stadt gilt, wieder frei zu sehen sein.
Seit 2010 wird in Karlsruhe an der sogenannten „Kombilösung“gearbeitet. Rund 2,2 Kilometer lang ist der Tunnel unter der zentralen Kaiserstraße, in dem künftig die Stadtund S-Bahnen unterirdisch verkehren sollen – dazu wird ein Südabzweig am Marktplatz gebaut, der die City als Flaniermeile neu eröffnen soll. Das Gesamtprojekt wird wohl mehr als 1,1 Milliarden Euro kosten. Das Bild der Stadt wandelt sich – viele der über Jahre sichtbaren Baustellen sind bereits wieder abgebaut. Seit Oktober 2013 war auch die Pyramide zum Schutz vor Beschädigung unter einer Holzverschalung verhüllt. Die ist nun beseitigt – letzte Arbeiten sollen den Sandstein selbst aufpolieren.
Die Beziehung der Karlsruher zu „ihrer Pyramide“ist dabei eine ganz besondere. „Die Pyramide ist das Wahrzeichen der Stadt als Alleinstellungsmerkmal. Sie ist für mich auch ein Stück Heimat, ein Zeichen von Heimkommen, und gehört einfach dazu. Als Wahrzeichen – so wie der Dom zu Kölle“, sagt Martin Wacker, Kabarettist, KSC-Stadionsprecher und Chef des Stadtmarketings. Als Kreuzungspunkt der Straßenbahnen war und ist sie ein beliebter Treffpunkt. Früher gruppierte sich der Christkindlesmarkt um das Bauwerk herum, bevor auch dieser wegen der Baustellen verlegt wurde. Die Pyramide ist auf Strafzetteln städtischer Politessen aufgedruckt und auf amtlichen Briefbögen und damit offizielles Logo der Stadt Karlsruhe.
Karlsruhes Pyramide ist von vielen Legenden umwoben. Lange wurde behauptet, die ägyptischen Grabstätten nachgeahmte Form rühre daher, dass die Markgrafen von Baden dem Gedankengut der Freimaurerei nahestünden. Dabei ist bekannt, dass Badens erster Großherzog Karl Friedrich (im Amt bis 1811) Mitglied einer englischen Freimaurerloge war. Die Entstehungsgeschichte der Pyramide, unter der Stadtgründer Carl Wilhelm begraben liegt, ist eher trivial: Weil der großherzogliche Baumeister Friedrich Weinbrenner die einst am Marktplatz stehende Konkordienkirche – unter der Markgraf Carl Wilhelm 1738 bestattet wurde – 1807 abreißen ließ, begann dort ein lange währendes Provisorium. Die Gruft, gut 100 Meter südlich des Schlosses gelegen, war nur notdürftig abgedeckt worden.
„Die wahre Geschichte“sei ernüchternd profan, sagt der Architekturhistoriker Gerhard Kabierske vom Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau. Nach Abriss der Kirche war das Grabmal des Stadtgründers längere Zeit von einem zeltartigen Provisorium aus Holz überdeckt. Die Gruft war eingefasst von Ziegelstein und Beton, die geplante Überbauung verursachte lange Streit. Baumeister Weinbrenner, der seit 1801 das staatliche Bauwesen des Großherzogtums leitete, und reichlich spät, 1823, mit dem Bau einer Pyramide begann, hatte in seinem Schaffen mehrfach Altägyptisches rezipiert – was laut Kabierske zu seiner Zeit „alle Bereiche der Kultur vom Theater über Malerei bis zur Architektur durchdrang“.
Derzeit wird dem 6,81 Meter hohen und am Sockel 6,05 Meter breiten Sandstein der letzte Schliff verpasst. Seit Juni schon ist die während fünf Jahren das Vieleck abdeckende Holzverschalung entfernt – Fachleute hinter milchigen Netzen werkeln auf Gerüsten an dem Dreiecksbau. Da gehe es vor allem um die Sanierung und Reinigung des Sandsteingemäuers sowie die Herrichtung des Sockels. „Dies sollte Ende September erledigt sein“, sagt Karlsruhes Baudezernent Michael Obert, für den die Pyramide „Heimat pur“ist. Beim Stadtfest im Oktober soll das Wahrzeichen mit einer Inszenierung „neu ins Blickfeld“gerückt werden.