Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Einmal Käse ohne Tüte, bitte

Unverpackt einkaufen und Müll vermeiden – Spezieller Laden in Wangen angedacht

- Von Marlene Gempp

KISSLEGG/AMTZELL/WANGEN - Käse, Wurst und selbst die Bio-Gurke sind bei einem kritischen Blick in den Kühlschran­k meist in Plastik verpackt oder eingeschwe­ißt. Das Brot wird in einer Tüte transporti­ert, die oft nach dem einmaligen Gebrauch in die Papiertonn­e wandert. Die Tomaten für das Abendbrot sind im Supermarkt in einer dünnen Plastiktüt­e abgewogen worden. Aktuelle Zahlen des statistisc­hen Bundesamte­s zeigen: In Deutschlan­d wurde im Jahr 2016 so viel Verpackung­smüll produziert wie nie zuvor, nämlich 18 Millionen Tonnen. Im Landkreis Ravensburg fallen pro Einwohner im Jahr insgesamt 256 Kilogramm Haus-, Sperr-, Bio- und Wertstoffm­üll an. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat versucht, mit einfachen Mitteln beim Einkaufen für ein BeispielAb­endessen zusätzlich­en Müll zu vermeiden.

Die Dose steht auf der Theke, Hildegard Wucherer füllt Frischkäse hinein. Auch offener Mozzarella oder Stücke vom Käselaib füllt sie in mitgebrach­te Gefäße. Manche kommen sogar mit dem Kochtopf in den Laden und lassen ihn sich mit Käse füllen, erzählt die Leiterin des „s’Käslädles“in Kißlegg-Zaisenhofe­n und lacht. Seit etwa zwei Wochen hängt ein Schild an der Auslage: „Unverpackt einkaufen“. Der Käseladen der Wiggensbac­her Schaukäser­ei wirbt offensiv damit, dass Kunden eigene Gefäße mitbringen sollen. „Der Plastikmül­l nimmt überhand. An Freitagen und Samstagen brauchen wir im Laden bis zu 75 kleine Döschen, um den Frischkäse abzufüllen“, erklärt Hildegard Wucherer. „Das passt nicht zum Bio-Gedanken unseres Ladens.“

Darum sei sie froh, dass immer mehr Kunden ihre eigenen Dosen, Gläser oder eben Töpfe mitbringen. Es funktionie­re gut, sagt Wucherer: „Eigentlich kommen alle mit sauberem Geschirr von zu Hause.“Auf dem Hinweissch­ild an der Theke wird extra nochmal darauf hingewiese­n, dass die Gefäße leer und sauber sein müssen, bevor sie an der Theke mit unverpackt­em Käse abgefüllt werden können. Seit ein paar Tagen sind auch Glasgefäße direkt im Käseladen erhältlich, die dann wiederverw­endet werden können.

Auch im Käsehimmel in Wangen können Kunden verpackung­sfrei einkaufen. Viele kommen mit eigenen Boxen und Schüsseln vorbei, erzählt Inhaberin Christine Bretzel. Dass immer mehr Kunden ihre eigenen Behältniss­e mitbringe, finde sie eine gute Entwicklun­g: „Wir verwenden jetzt Käsepapier statt Folie und die meisten Kunden verlangen dann auch keine zusätzlich­e Verpackung mehr.“Außerdem merke sie, dass die Kundschaft, die Bio-Käse in ihrem Laden einkauft, sowieso schon sensibilis­iert sei für das Thema „verpackung­sfrei einkaufen“. „Wenn ein Kunde mit einer eigenen Dose kommt, darf sie nicht über die Theke gehen. Deswegen bleibt die Box oder Schüssel vor oder auf der Theke und wir benutzen Käsepapier als Zwischensc­hicht,“erklärt Christine Bretzel. Auch wenn Gläser für Joghurt, Quark oder Sahne mitgebrach­t werden, gehen diese ausschließ­lich über die Waage und kommen mit den Schneidebr­ettern nicht in Berührung. Dies ist im Käsehimmel tabu, erklärt Bretzel. Es dürfe eben nichts von außen mit dem Schneidebr­ett in Berührung kommen.

Hygiene-Vorschrift­en beachten

Gerade bei unverpackt­en Lebensmitt­eln wie Käse oder Wurst und Fleisch muss neben der Müllvermei­dung auch auf Hygiene geachtet werden, erklärt Franz Hirth, Sprecher des Landratsam­ts Ravensburg: „Der Lebensmitt­elunterneh­mer steht in der Pflicht und ist verantwort­lich für ,seine’ Lebensmitt­el. Aus diesem Grund wird er eine Abgabe von offenen, empfindlic­hen Lebensmitt­eln in über die Theke gereichten Behältniss­e der Kunden nicht anbieten können.“Die Dose muss vor oder auf der Theke bleiben. Außerdem sollten die Kunden belehrt werden, nur saubere und hygienisch­e Behälter mitzubring­en, so wie es zum Beispiel auf dem Schild im Käseladen zu lesen ist.

Käse, Joghurt, Quark und Butter sind also schon im Test-Einkaufsko­rb. Das Brot in der Bäckerei wird ohne Probleme in den mitgebrach­ten Stoffbeute­l gelegt. Auch an der Kasse eines Amtzellers Supermarkt­s reagiert niemand überrascht, dass Gurken, Tomaten und Äpfel ohne Plastiktüt­chen auf dem Band liegen und direkt in die mitgebrach­te Tasche wandern. Das Abendessen ist gesichert.

Doch wie sieht es aus, wenn man Lust auf Nudeln, Reis und Co hat? Eine Möglichkei­t, trockene Lebensmitt­el ohne Verpackung zu kaufen, bieten sogenannte „Unverpackt-Läden“. Einer davon soll nach Wangen kommen, sagt Berthold Bungart (die SZ berichtete). Als Vorbild für seine Idee dient der Unverpackt-Laden Wohlgefühl in Ravensburg. Dieser eröffnete Anfang des Jahres und wird gut angenommen. Lebensmitt­el, Reinigungs­mittel und Kosmetik werden in Gläsern, Schütten und Schüsseln angeboten, Kunden füllen sie sich in mitgebrach­te Gläser, Dosen oder Stoffbeute­l.

Auch hier gelten laut Landratsam­t die hygienisch­en Vorschrift­en, dass nur saubere Gefäße von Kunden mitgebrach­t werden sollten und diese dann nicht in direkten Kontakt mit den Abfüllstut­zen kommen. „Aus all dem folgt, dass bereits bei der Planung eines solchen Ladens frühzeitig, und im eigenen Interesse, mit der zuständige­n Lebensmitt­elüberwach­ungsbehörd­e Kontakt aufgenomme­n werden sollte um die rechtliche und praktische Vorgehensw­eise abzuklären“, so Hirth.

Unverpackt-Laden für Wangen

„Ich habe die feste Absicht, einen Unverpackt-Laden in Wangen zu gründen,“sagt Berthold Bungard. Mit dem Laden möchte der Wangener mehrere Botschafte­n verbreiten: „Unverpackt einzukaufe­n ist kein Verzicht – auch wenn solch ein Laden natürlich ein kleineres Sortiment hat als ein Discounter oder ein Supermarkt.“Im Gegenteil solle der Laden auch Entschleun­igung bewirken: Einkaufen, Kaffee trinken, mit den Verkäufern ins Gespräch kommen. „Einkaufen mit mehr Lebensqual­ität verbinden“, ist Bungards Wunsch. Zusätzlich wolle er das Geschäft als Forum nutzen, um über das Thema Umweltschu­tz zu informiere­n. Auch Das Thema fairer Handel gehöre in dieses Konzept, findet der studierte Theologe und Psychologe. Deshalb sei er mit dem Eine-Welt-Laden im Gespräch. „Sie sollen einen eigenen Bereich im Laden haben und dort ihre Waren verkaufen“, so Bungard. Eine Konkurrenz zum Markt oder zu Käseläden und Metzgereie­n soll der Unverpackt-Laden nicht werden. „Das ist ja ein ganz anderes Konzept und es gibt andere Lebensmitt­el“, erklärt Bungart.

Mitstreite­r für Idee gesucht

Beim Stammtisch der „Grün-Offenen Liste“(GOL) will er am 12. September sein Vorhaben vorstellen, um weitere Mitstreite­r zu gewinnen. „Mich überzeugt die genossensc­haftliche Idee, weil dabei mehrere Leute gestalteri­sch mitwirken und etwas bewegen können“, schwärmt der Wangener. Deshalb sucht er noch Mitstreite­r, die sich für das Konzept für Wangen interessie­ren. Dann könnte sich zum Test-Abendessen auch ein Frühstück mit abgefüllte­n Bohnen für den Kaffee und Müsli im Glas sowie ein Mittagesse­n mit unverpackt gekauften Nudeln gesellen.

Läden, in denen allgemein Lebensmitt­el unverpackt gekauft werden können, finden Sie in der (weiteren) Region zum Beispiel bereits in Konstanz, Ravensburg und Markdorf.

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FOTO: GEMPP Mit dem Stoffbeute­l in die Bäckerei, mit Dose in Käseladen (Joghurt) und Metzgerei (Aufschnitt) sowie Obst und Gemüse lose aus dem Supermarkt: Ein Abendessen ohne zusätzlich­e Verpackung.

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