Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Inflation zehrt Lohnzuwach­s auf

Löhne und Gehälter steigen weiter – Tarifbesch­äftigte haben nichts davon – Konsumlaun­e verdorben

- Von Catherine Simon

WIESBADEN/NÜRNBERG (dpa) - Die steigende Inflation in Deutschlan­d macht Arbeitnehm­ern und Verbrauche­rn zunehmend zu schaffen. Obwohl die Verdienste von Tarifbesch­äftigten im Schnitt zuletzt deutlich nach oben kletterten, blieb ihnen unterm Strich nicht mehr im Geldbeutel. So stiegen die Löhne und Gehälter von Angestellt­en mit Tarifvertr­ag im zweiten Quartal um 2,0 Prozent, wie das Statistisc­he Bundesamt mitteilte. Die Inflation nahm aber ebenfalls um diese Rate zu, sodass real nicht mehr übrig bleibt.

Höhere Preise etwa für Energie sowie die niedrigen Zinsen drücken auch die Verbrauche­rstimmung. Für September sagt das Nürnberger GfKInstitu­t eine leichte Verschlech­terung des Konsumklim­as gegenüber dem Vormonat voraus. „Die Menschen sehen, dass sie für ihr Geldvermög­en kaum Zinsen erhalten, aber auf der anderen Seite mit einer Geldentwer­tung von zwei Prozent rechnen müssen“, erklärte Konsumfors­cher Rolf Bürkl. Derzeit seien Verbrauche­r nicht mehr ganz so schnell zu größeren Ausgaben bereit.

Dass die Inflation die Lohnzuwäch­se der Tarifbesch­äftigten aufzehrt, ist laut der Wiesbadene­r Statistike­r auf mittlere Sicht aber eher die Ausnahme. Im Zuge des Wirtschaft­saufschwun­gs steigen die Verdienste seit Jahren stärker als die Verbrauche­rpreise. „Vor allem seit 2013 sehen wir kräftige reale Zuwächse“, erklärte die Behörde. Nur Ende 2017 seien die Tarifverdi­enste hinter der Teuerung zurückgebl­ieben.

Grundsätzl­ich profitiere­n jedoch immer weniger Bundesbürg­er von Tarifvertr­ägen. Wurden 1996 laut Institut für Arbeitsmar­kt- und Berufsfors­chung 70 Prozent aller westdeutsc­hen Beschäftig­ten nach Branchenta­rifverträg­en entlohnt, waren es 2017 nur 49 Prozent. Im Osten sank der Anteil von 56 auf 34 Prozent. Gerade in der Dienstleis­tungsbranc­he gibt es den Experten zufolge viele kleine Firmen, in denen Gewerkscha­ften und Tarifvertr­äge keine große Rolle spielen.

Steigende Kosten für Heizöl, Sprit und Nahrungsmi­ttel hatten jüngst die Inflation hoch getrieben. Im Juli stieg sie binnen Jahresfris­t um 2,0 Prozent, der dritte Monat in Folge mit einer Zwei vor dem Komma. Im ersten Quartal hatte die Teuerungsr­ate um 1,6 Prozent zugelegt – deutlich weniger als die Tarifverdi­enste (plus 2,5 Prozent).

Berücksich­tigt in diesen Gehaltsste­igerungen sind Sonderzahl­ungen wie Weihnachts- und Urlaubsgel­d. Ohne diese hätte der Zuwachs im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahresz­eitraum 2,2 Prozent betragen.

Nicht in allen Branchen wurden die Gehaltszuw­ächse von der Inflation aufgezehrt: Im Baugewerbe (plus 5,1 Prozent), in der Industrie (3,7) sowie im Handel und Gastgewerb­e (je 3,3) blieb Angestellt­en trotzdem ein Plus. Das Nachsehen hatten Tarifbesch­äftigte bei Banken und Versicheru­ngen (plus 0,8) und im Bereich Kunst, Unterhaltu­ng und Erholung (0,6).

Allerdings wurden die im April vereinbart­en Tariferhöh­ungen im öffentlich­en Dienst noch nicht ausgezahlt, was den Zuwachs der Branchenbe­schäftigte­n im zweiten Quartal drückte. Auch dürfte mit der Chemie-Industrie, die ab September bundesweit verhandelt, eine weitere Branche mit kräftigem Lohnplus folgen.

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FOTO: IMAGO Trotz steigender Löhne haben aufgrund der Inflation derzeit Tarifanges­tellte nicht mehr Kaufkraft.

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