Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mit dem E-Rolli auf dem Jakobsweg
Der Friedrichshafener Oliver Straub erzählt von bewegenden Reiseerlebnissen
FRIEDRICHSHAFEN - Auf dem Jakobusweg zu wandern, liegt im Trend. Was für Fußgänger schon einen außergewöhnlichen Erlebniswert hat, ist für Rollstuhlfahrer aber noch einmal ein ganz anderes Abenteuer. Oliver Straub aus Friedrichshafen hat sich vor wenigen Wochen diesem Abenteuer gestellt. Zusammen mit zwei sich abwechselnden Assistenzkräften machte er sich per E-Rolli auf den 240 Kilometer langen Pilgerweg von Porto nach Santiago de Compostela.“
„Es hat Spaß gemacht“, fasst er 15 spannende Tage zufrieden zusammen und hat viel zu erzählen – von technischen Tücken und stromfressenden Steigungen, von barrierefreien Verkehrsmitteln, von unverhofften Hilfsangeboten, von Bretterpfaden und von herrlichen Blicken aufs offenen Meer.
Seit einem Badeunfall im Sommer 2003 und einem Bruch des Halswirbels ist der mittlerweile 36-jährige Häfler komplett querschnittsgelähmt – was ihn nicht daran hindert, sich die Welt anzuschauen und sich für die Belange von Menschen mit Behinderung einzusetzen. Schon im Sommer 2015 fuhr er – unterstützt von zwei persönlichen Assistenten und einem Begleitfahrzeug – mit dem Rollstuhl vom Bodensee bis nach Berlin, um auf die Notwendigkeit eines Bundesteilhabegesetzes aufmerksam zu machen.
„Für den Jakobsweg habe ich mich entschieden, weil er eine gute Infrastruktur bietet und ich im vergangenen Jahr auf den Reisebericht eines anderen Rollstuhlfahrers gestoßen bin, der diesen Wegabschnitt mit Erfolg gemeistert hat“, erzählt Oliver Straub. „Meinen Duschrolli und mein Gepäck konnte ich von einem Lieferdienst von Hotel zu Hotel liefern lassen, und genügend barrierefreie Hotels und Herbergen findet man dort auch. Auch das Fahrrad für meinen Assistenten konnte ich in Porto entgegennehmen und am Ziel wieder abgeben.“
Der eigentliche Pilgergedanke habe bei seiner Entscheidung aber keine Rolle gespielt.
Die Schwierigkeit habe vor allem in der Planung bestanden. Das größte Problem sei aber die Reichweite seiner Akkus gewesen. „Die Steigungen und Pflastersteinstraßen zehrten sehr an den Akkus, so schaffte ich maximal 28 Kilometer mit zweistündigen Ladepausen“, sagt Oliver Straub. Glücklicherweise habe er aber immer rechtzeitig eine Ladestation ausfindig gemacht. „Und war eine Etappe mal zu lang, dann habe ich einfach den Zug und einmal sogar ein Rollstuhltaxi benutzt“, sagt er. „In Spanien habe ich frühzeitig das Meer verlassen müssen, um eine Route zu wählen, auf der im Notfall auch ein barrierefrei nutzbarer Zug ist. Dafür hat Google Maps eine praktische Funktion, mit der man nach barrierefreien Bus- und Bahnverbindungen suchen kann.“
Gerade Portugal hat Straub als sehr rollstuhlfreundlich empfunden. „Anders als hier in Deutschland sind in Portugal die privaten Unternehmen laut Gesetz beim Neubau oder nach einer Renovierung zur Barrierefreiheit verpflichtet“, berichtet er weiter. „Ich habe so viele kleine Geschäfte und Läden gesehen, die eine Rampe hatten, da kann sich Deutschland eine Scheibe von abschneiden.“Auch seien die Menschen in Portugal und Spanien sehr hilfsbereit gewesen, betont Straub. So sei er oft Treppen runter- und aus Zügen rausgetragen worden. Gerne hätte er mehr Kontakt mit anderen Wanderern gehabt. Dies sei aber auch daran gescheitert, dass er in keiner Pilgerherberge habe übernachten können und mit doppelter Reisegeschwindigkeit unterwegs war. „So hat sich der Kontakt auf Pausen in Cafés, am Wegesrand oder am Ziel in Santiago de Compostela beschränkt“, sagt er. „Da lernte ich dann doch die ein oder andere nette Person kennen, mit der man sich über das Erlebte austauschen konnte.“
Weitere Reisepläne hat der Häfler schon im Auge. „Kalifornien wäre da so ein Ziel“, blickt er voraus. „Dann allerdings mit stärkeren Batterien.“