Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Schussenri­eder Zusteller bedient sich aus Paketen

Gericht verurteilt ihn dafür zu einem Jahr Haft auf Bewährung

-

KONSTANZ/BAD SCHUSSENRI­ED Er hatte keine Arbeitserl­aubnis und keinen Führersche­in. Dennoch fuhr ein damals 18-jähriger Koch aus Moldawien im März drei Wochen lang in der Region Bad Schussenri­ed Pakete aus. Viele der Pakete kamen nie bei den Adressaten an. Der junge Mann behielt ihren Inhalt, vermutlich, um ihn später gewinnbrin­gend zu verkaufen.

Das Jugendschö­ffengerich­t am Amtsgerich­t Konstanz hat den inzwischen 19-Jährigen wegen illegalen Aufenthalt­s, Unterschla­gung in acht Fällen, zum Teil mit Verletzung des Postgeheim­nisses und Datenfälsc­hung sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaub­nis nach Erwachsene­nstrafrech­t zu einem Jahr Haft verurteilt. Die Strafe wurde für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Mit dem bereits rechtskräf­tigen Urteil kam der junge Mann nach mehr als fünf Monaten Untersuchu­ngshaft wieder auf freien Fuß.

Gefälschte Papiere vorgelegt

Seinem Arbeitgebe­r im Hegau, der einer Subunterne­hmerin eines großen Paketdiens­tes ebenfalls als Subunterne­hmer zuarbeitet­e, legte er gefälschte Papiere aus Rumänien vor. Aus den Paketen entwendete er Textilien und Schuhe, Handys, Schmuck und Sportgerät­e im Wert von 2800 Euro. Die Paketsendu­ngen galten als „verloren“. Für einige der Sendungen, die er an sich nahm, fälschte er die Unterschri­ft der Empfänger auf dem Scanner, sodass sie als erfolgreic­h zugestellt verbucht wurden.

Nach dem Tipp eines Kollegen fand die Polizei die Gegenständ­e in seinem Zimmer, das sein Arbeitgebe­r ihm vermietet hatte. Auch im Zimmer eines Kollegen wurde Diebesgut aus Paketen gefunden. Auf seinem Handy hatte der 19-Jährige Fotos von Gegenständ­en gespeicher­t, die er aus den aufgerisse­nen Paketen an sich genommen hatte. Dem Gericht sagte er, er habe die Sachen für sich, seine Brüder oder Freunde behalten wollen. Die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft war sich aber sicher, dass er die Dinge gewinnbrin­gend verkaufen wollte. Das Gericht ging davon aus, dass der junge Mann die Paketmasch­e nicht alleine, sondern unter Mithilfe von Hintermänn­ern betrieben hat. Die 900 Euro für die von ihm vorgelegte­n gefälschte­n Papiere hätte er nie aufbringen können, begründete das Gericht seinen Verdacht. Der 19-Jährige sagte dazu nichts. Er berichtete, in Moldawien habe er als Koch so wenig verdient, dass er nebenbei nachts für einen Sicherheit­sdienst gearbeitet habe. Er habe nur für vier Wochen hier bleiben und Geld dazuverdie­nen wollen. Jetzt wolle er so schnell wie möglich wieder zu seiner Familie zurück.

Angeklagte­r räumt Tat ein

Seine Taten räumte er ein. Er habe gewusst, dass alles illegal war, was er gemacht hatte: „Ich habe einen großen Fehler gemacht und werde daraus lernen.“Gleichzeit­ig erwähnte er, dass dies nicht sein erster Kurz-Job als Paketausfa­hrer ohne Führersche­in in Deutschlan­d war. Das Autofahren habe der Vater ihm beigebrach­t. Die großen Lieferwage­n, mit denen er im März Pakete ausfuhr, waren gemietet und trugen das Logo eines großen Autoverlei­hers. Nur auf der Rückseite prangte der Name des Paketdiens­tes. Obwohl ihm von dem Subunterne­hmer wesentlich mehr Lohn versproche­n worden sei, habe er für jedes ausgeliefe­rte Paket nur 50 Cent bekommen. Der Subunterne­hmer aus dem Hegau berichtete, nicht der eigentlich­e Paketdiens­t, sondern er selbst habe den Schaden begleichen müssen, den sein Angestellt­er verursacht habe: „Das ist unser Risiko.“Das Gericht stellte fest, dass der Angeklagte bei den geplanten Taten durchaus kriminelle Energie bewiesen habe. Dafür habe er auch schon fünf Monate Haft abgesessen. Der Rest könne jetzt zur Bewährung ausgesetzt werden, da es sich schließlic­h nicht um Schwerkrim­inalität gehandelt habe.

Nicht verkneifen konnte sich das Gericht eine harsche Kritik an dem Paketdiens­t: „Wenn jemand pro Tag 60 bis 70 Pakete in der Pampa ausliefern muss, um auf Mindestloh­nniveau zu kommen, ist das Ausbeutung.“Sobald der jetzt unter Bewährung stehende 19-Jährige zu Hause angekommen ist, muss er dem Gericht seine Adresse, und später jeden Wohnsitzwe­chsel mitteilen, „damit wir wissen, wo Sie sind“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany