Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mit mehr Grün, Blau und Weiß gegen den Hitzestau
Wie Palma de Mallorca zum Vorbild für Ravensburg werden kann
RAVENSBURG - Die Temperaturen in der Region steigen wegen des Klimawandels an. Für Stadtplaner ist das eine Herausforderung. Für sie stellt sich die Frage: Wie bleibt das Leben in der Stadt weiterhin erträglich? Mit drei Ideen wollen sie den Ravensburgern für künftige Sommer Abkühlung bringen.
Hitze ohne Ende und ohne nächtliche Erfrischung haben die Bewohner der Ravensburger Unterstadt in den Sommerwochen 2018 erlebt. In der Unterstadt sei es manchmal um bis zu fünf Grad wärmer als auf der Veitsburg, sagt Baubürgermeister Dirk Bastin. Grund dafür sei unter anderem die enge historische Bebauung. Die Wärme wird lange gespeichert und setzt manchen Bewohnern besonders zu. Aber auch an anderen Stellen in Ravensburg, etwa dem Marienplatz, steht die Hitze auf schwarzem Asphalt.
Helle Flächen statt Asphalt
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland in Ravensburg hat den zentralen Ravensburger Platz vor einiger Zeit als Steinwüste bezeichnet und mehr Pflanzen gefordert – zur Not auch nur in großen Kübeln, die etwa zu Festen oder Märkten verschoben werden können. Eine Idee, die Ravensburgs Stadtplaner für ihre dreiteilige Lösung zur Verbesserung des Stadtklimas aufgegriffen haben: Mehr Grün, mehr Blau, mehr Weiß heißt das Motto. Ein erstes Projekt, das den Ravensburgern in allen drei Bereichen „mehr“bringt, ist die Umgestaltung des Gespinstmarktes.
Mehr Grün: „Grünbereiche sind ● für das Klima in einem Quartier wichtig“, sagt Stadtplaner Christian Herrling. Am Gespinstmarkt – heute ein asphaltierter Platz zwischen den Häuserzeilen mit etlichen Autoparkplätzen – sollen bei der geplanten Umgestaltung Bäume gepflanzt werden, um die Aufenthaltsqualität zu verbessern, wie Herrling sagt.
An vielen anderen Orten der Stadt wurde schon oder wird derzeit für mehr Grün gesorgt: Am Gänsbühlcenter gibt es eine begrünte Lärmschutzwand. Auch in Industriegebieten müsse nicht alles zubetoniert sein, sagt Bastin. Die Firma Vetter lege im Kammerbrühl im Norden der Stadt einen Parkplatz an, der von Baumfeldern durchsetzt sein wird. Bei Unternehmen sei Verständnis für entsprechende Anregungen der Stadtplaner da. „Die Unternehmen sehen auch: Was nützt uns eine Welt, in der wir nicht leben können?“
Durch Vorgaben bei der Stadtsanierung wurden in den vergangenen Jahren viele bisher versiegelte Innenhöfe zu Gärten umgestaltet. In Zeiten, in denen der Wohnraum knapp ist, müssten Bauherren zwar davon überzeugt werden, Grünflächen zu schaffen. „Eine gut durchdachte Freiflächenplanung steigert aber auch Wohnqualität und ist damit auch eine Renditesteigerung“, sagt Herrling. Mit diesem Argument gelinge es, die Interessen von Stadt und Bauherren zusammenzubringen.
Mehr Blau: Wasser kühlt die Luft in ● der Stadt ab – deshalb soll der Flappach am Gespinstmarkt geöffnet werden – so ähnlich wie bereits in der Bachstraße. Mehr Weiß: Helle Bodenbeläge in ● der Stadt strahlen Sonnenlicht und -wärme besser ab als dunkle. „Sie heizen sich nicht so stark auf und sind in südlichen Ländern Standard“, sagt Bastin. Auch das ist am Beispiel Gespinstmarkt geplant: Der schwarze Asphalt soll raus und durch hellere Flächen ersetzt werden.
„Wenn wir es schaffen, dass sich das Stadtklima nicht verschlechtert, sondern stabil bleibt, haben wir schon viel erreicht“, sagt Bastin. Die Stadt habe ihrerseits gute Ideen, wie durch Stadtentwicklung ein Beitrag geleistet werden kann. Das reiche aber nicht: „Es muss ein Umdenken in der Bevölkerung stattfinden“, sagt Bastin. Jeder müsse sich fragen: „Ist mein ökologischer Fußabdruck schon so, wie er sein soll, oder lässt er sich verbessern?“
Eine „riesige Chance“für die Stadtplaner ist aus Bastins Sicht die anstehende Umgestaltung des Marienplatzes. Dafür werde die Stadt 2019 bei einem Wettbewerb Ideen sammeln. Der Bauamtsleiter hat eine Vision: „Wenn man Taxen und den Verkehr rausnimmt, sieht der Platz anders aus.“Den Marienplatz sperren? „Das geht, wenn der politische Wille da ist“, sagt Bastin. Er sei überzeugt, dass sich dieser politische Wille abzeichnet. „Da hilft auch ein Sommer wie dieser.“Bastin hat für den Marienplatz ein Vorbild: Die Geschäftsstraße in Palma de Mallorca, die ähnlich breit sei wie der Marienplatz. Dort spaziere man unter einem grünen Blätterdach durch die historische Altstadt. „Das ist das Paradebeispiel, wie der nördliche Marienplatz in Zukunft aussehen könnte.“
Der Schussentäler: So wie die Heinzelmännchen der Legende nach nachts die Häuser putzen, säubert der sogenannte Schussentäler die Stadt Ravensburg von Hitze und Feinstaub. Der nächtliche Wind entsteht ab etwa
22 Uhr durch Abwinde von den Hanglagen entlang des Schussentals und ist laut Baubürgermeister Dirk Bastin mit einer messbaren Windgeschwindigkeit von Nord nach Süd unterwegs. Damit die natürliche Belüftung der Stadt funktioniert, muss es Luftschneisen geben. Die Stadtplaner achten nach eigenen Angaben darauf, dass die Hangkanten von hoher und dichter Bebauung freigehalten werden, damit die Abwinde möglichst frei fließen können. (len)