Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Boehringer startet eigenen Bahn-Ersatzverkehr
Südbahn für drei Monate zwischen Ulm und Biberach gesperrt – Biberachs größter Arbeitgeber geht ungewöhnlichen Schritt
BIBERACH - Vielen Bahn-Pendlern dürfte es vor dem 10. September grausen. Denn an diesem Tag startet zwischen Ulm und Laupheim der lang angekündigte Schienenersatzverkehr. Grund dafür sind Arbeiten für die Elektrifizierung der Südbahn. Bis 21. Dezember heißt es dann: Bus statt Zug; die Fahrzeit zwischen Ulm und Biberach verdreifacht sich. Biberachs größter Arbeitgeber, Boehringer Ingelheim, möchte seinen Beschäftigten diese Tortur ersparen – und macht jetzt seinen eigenen Ersatzverkehr.
Einige Mitarbeiter von Boehringer Ingelheim pendeln täglich mit dem Zug zwischen Arbeitsstelle und Wohnort. Wer beispielsweise in Ulm wohnt, braucht mit der Deutschen Bahn je nach Verbindung zwischen 19 und 24 Minuten nach Biberach. Ein Umstieg ist nicht erforderlich. Ab Montag, 10. September, ändert sich dies für drei Monate gravierend. Mit Schienenersatzverkehr sind Reisende zwischen Ulm und Biberach dann rund 70 Minuten unterwegs – ein Zeitverlust von bis zu 50 Minuten. Zudem ist zweimal ein Umstieg nötig. Morgens hin, abends zurück – fast zwei Stunden länger sind Pendler somit unterwegs, was den Alltag gehörig durcheinander wirbeln dürfte.
„Wir wollen unseren Mitarbeitern diesen Ersatzverkehr nicht zuvon muten , erläutert eine Sprecherin Boehringer Ingelheim im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Deshalb geht das forschende Pharmaunternehmen jetzt einen Schritt, der in dieser Form einmalig in der Historie der Firma ist: Selbst organisierte Shuttlebusse als Alternative zum Schienenersatzverkehr der Bahn.
Dieses Angebot habe es bislang nie an einem anderen Standort gegeben, so die Sprecherin weiter. „Die Geschäftsleitung war sehr interessiert an einer guten Lösung für unsere Mitarbeiter. Und besonders der Betriebsrat mit seinem Vorsitzenden Uwe Scheufele, hat sich dafür engagiert.“Das Angebot startet bereits am Montag, 3. September, und soll bis Weihnachten bestehen bleiben.
Das Konzept sieht vor, dass mehrmals am Tag Busse von Bottenschein-Reisen unterwegs sind. Für Mitarbeiter, die tagsüber arbeiten, sieht der Fahrplan wie folgt aus: Zwischen 6 und 9.30 Uhr verkehren Fahrzeuge im Halb-Stunden-Takt zwischen Ulm und Biberach. Ab 16.30 bis 18 Uhr bringen Busse die Mitarbeiter wieder zurück nach Hause, ebenfalls halbstündlich. Für Beschäftigte in der Nachtschicht steht folgendes Angebot zur Verfügung: Zwischen 5 und 9.30 Uhr fahren die Busse von Biberach nach Ulm, von 15.30 bis 18.30 Uhr in die umgekehrte Richtung. Ergänzt werden die Angebote durch Fahrten am Freitagnachmittag. Es gibt also bis zu 33 unterschiedliche Verbindungen.
Auf ihrem Weg machen die Busse Station in Donaustetten beim ReweSupermarkt und in Laupheim beim Friedhof. In Biberach kommen und fahren die Busse direkt am Firmengelände ab, in Ulm am Ehinger Tor. Das Ehinger Tor biete ideale Voraussetzungen für das Konzept, sei der Platz doch einer der zentralen Umstiegsorte in Ulm und liege außerhalb des Baustellenbereichs. Die kalkulierte Fahrtzeit beträgt 50 Minuten zwischen Biberach und Ulm. Damit sind die Boehringer-Shuttlebusse rund 20 Minuten schneller als der Schienenersatzverkehr der Bahn. Zudem ist kein Umstieg nötig.
Bei den Preisen orientiert sich das Unternehmen an den Tarifen des Ding-Nahverkehrverbunds. Eine Monatskarte von Ulm nach Biberach kostet 134,30 Euro, von Donaustetten nach Biberach 120,20 Euro, von Laupheim nach Biberach 78,30 Uhr. Ding-Jahreskarten mit monatlicher Zahlweise kosten gleich viel. „Die Monatsfahrkarten können die Beschäftigen über unser Intranet erwerben“, so die Sprecherin.
Wie viele Beschäftigte vom Schienenersatzverkehr betroffen sind, kann die Sprecherin nicht sagen. Aber der Betriebsrat startete eine Umfrage, wer sich alles vorstellen könnte, mit einem Boehringer-Shuttlebus zu pendeln. 400 Mitarbeiter beteiligten sich daran und bekundeten Interesse. Rund 6000 Menschen beschäftigt das Unternehmen insgesamt am Standort in Biberach.