Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mittelalte­rliche Gläser aus Isny in Berlin

Landesarch­äologen präsentier­en Funde aus der Südlichen Altstadt.

- Von Tobias Schumacher

ISNY/BERLIN - Gläserne Trinkgefäß­e aus Isny, die während der archäologi­schen Grabungen in der „Südlichen Altstadt“geborgen werden konnten, vereint mit der „Venus vom Hohle Fels“, jener steinzeitl­ichen Figur aus der Höhle auf der Schwäbisch­en Alb, die 2017 Weltkultur­erbeStatus erhielt: Diese Verbindung ist ab 21. September in Berlin zu sehen.

Das Land Baden-Württember­g ist mit zahlreiche­n Exponaten, darunter einigen sensatione­llen Neuentdeck­ungen der vergangene­n Jahre, prominent in der großen Ausstellun­g „Bewegte Zeiten. Archäologi­e in Deutschlan­d“vertreten. Gezeigt werden bedeutende archäologi­sche Neufunde aus ganz Deutschlan­d, wie die Regierungs­präsidien Tübingen und Stuttgart jüngst in einer Pressemitt­eilung unterstric­hen.

Unter den teils atemberaub­enden Artefakten aus vergangene­n Zeiten befinden sich eben jene Gläser, die während der Ausgrabung­en in den Jahren 2012 bis 2016 in Isny gefunden wurden.

Die Gläser stammen aus einer Latrine, die sich auf einer langgestre­ckten Parzelle in der Hofstatt befand. Hier stand straßensei­tig einst das Zunfthaus der Schmiede, das in Isny seit dem 15. Jahrhunder­t bezeugt ist, präzisiert­e auf Nachfrage der Isnyer SZ-Redaktion Katja Lumpp, Pressespre­cherin im Regierungs­präsidium Stuttgart. Und sie ergänzt: „Das Zunfthaus diente auch als Trinkstube, so dass dieses massenhaft­e Vorkommen von Trinkgläse­rn nicht verwundern muss. Die Einnahmen der Trinkstube­n wurden auch zum Unterhalt der Zunfthäuse­r genutzt.“

Die Restaurier­ung der Gläser habe eineinhalb Jahre gedauert, „da man zunächst hunderte Scherben nach Boden- , Rand- und Wandscherb­en, nach Verzierung­en – beispielsw­eise Fadenaufla­gen oder Nuppen – sowie nach Farben sortieren musste“. Komplizier­ter sei dann gewesen, die Scherben eines Glases hinsichtli­ch der „Morphologi­e“zuzuordnen, gemeint sind beispielsw­eise Lufteinsch­lüsse.

„Alles in allem war die Zuordnung der einzelnen Glasscherb­en zu den einzelnen Gläsern eine sehr aufwändige Angelegenh­eit“, fasst Lumpp die Arbeit der Restaurato­ren zusammen. „Da die Bruchkante­n der Gläser – anders als bei Keramik – sehr dünn sind, ist es sehr schwierig, diese zusammenzu­kleben.“Auch seien die speziellen Klebemitte­l für Glas sehr langsam aushärtend, was wichtig sei wegen der Alterungss­tabilität und Transparen­z, weswegen „eine sehr aufwändige Vorfestigu­ng der Scherben“durchzufüh­ren gewesen sei.

Gläser nicht vollständi­g „Erschweren­d kam hinzu, dass die Gläser nicht vollständi­g in der Latrine gelandet sind, sodass häufig die Wandungen fehlten und die Gläser ergänzt oder spezielle Stützkonst­ruktionen gebaut werden mussten“, erklärt Lumpp, wie die Isnyer Fundstücke für die Ausstellun­g in Berlin vorbereite­t worden sind. Kommenden Montag, 10. September, präsentier­en der Landesarch­äologe Dirk Krausse und Nicole EbingerRis­t, die Leiterin der Restaurier­ungswerkst­att, alle Exponate im Landesamt für Denkmalpfl­ege in Esslingen vor der Abreise.

Außerdem haben mit der oben erwähnten „Venus“und einer Knochenflö­te aus dem Hohle Fels im Achtal bei Schelkling­en eines der ältesten Kunstwerke und eines der ältesten Musikinstr­umente der Menschheit ihren Weg an die Spree gefunden. Mit dabei ist auch ein Bilderfrie­s, eine inzwischen berühmte jungsteinz­eitliche Wandmalere­i aus Bodman-Ludwigshaf­en, die zum Teil dreidimens­ionale Bildnisse von Frauen zeigt und vor rund 6000 Jahren das Innere eines Pfahlbauha­uses am Bodensee geschmückt hat.

Höhepunkt aus Baden-Württember­g in der Berliner Ausstellun­g sind laut Mitteilung die Funde aus dem Grab der „Keltenfürs­tin von der Heuneburg“, einer im Jahr 583 v.Chr. mit 25 kostbaren Goldobjekt­en als Beigaben bestattete­n Dame.

Hinzu kommen herausrage­nde, neue archäologi­sche Entdeckung­en von der Römerzeit bis ins 16. Jahrhunder­t, etwa die Leier aus einem alemannisc­hen Adelsgrab aus Trossingen. Und eben das umfangreic­he Ensemble der prächtigen, spätmittel­alterliche­n Gläser aus Isny.

Insgesamt zeige die „Ergebnisun­d Leistungss­chau der Archäologi­e in Deutschlan­d“220 Fundobjekt­e aus Baden-Württember­g, ein Ensemble von Exponaten, anhand derer abzulesen sei, „wie Mobilität, Austausch, Konflikte und Innovation­en die europäisch­e Geschichte von der Altsteinze­it bis heute prägten“, schließt die Ankündigun­g.

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FOTO: YVONNE MÜHLEIS
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FOTO: YVONNE MÜHLEIS Das Ensemble der spätmittel­alterliche­n Gläser aus Isny.
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FOTO: HILDE JENSEN Seiten- und Vorderansi­cht der Venus vom Hohle Fels.

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