Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mit flinken Fingern und flinken Füßen

Giulia Biagetti gibt zum Abschluss der Orgelreihe ein verblüffen­des Konzert

- Von Bernd Guido Weber

LEUTKIRCH - Schöne Solistenku­nst hat man bei der monatliche­n „Orgelmatin­ee zur Marktzeit“gehört. Ein guter Abschluss der kleinen Reihe krönt alles – den hat Giulia Biagetti am Samstag in St. Martin zum Erlebnis werden lassen. Die Organistin der Domkirche in Lucca zaubert mit den Fingern, verblüfft noch mehr mit ihrem Fußspiel auf den Pedalen. Lang anhaltende­r Beifall.

Die Kirche St. Martin ist gut besucht an diesem Morgen, die Konzertrei­he hat ihre Fans. Regionalka­ntor Franz Günthner begrüßt – besonders natürlich die Orgeldozen­tin aus der Toscana und deren Mann Mauro. Dieser steht seiner Frau beim Umblättern der Noten zur Seite. Günthner erläutert auch die Werke, und das Spiel der Organistin kann jeder auf der großen Leinwand vor dem Chorraum sehen. Auch Hand- und Fußspiel gleichzeit­ig – die moderne Technik macht’s möglich. Die Männer hinter der Kamera und am Mixer können ihren Job.

Biagetti beginnt mächtig, mit dem Präludium und der Fuge e-Moll von Johann Sebastian Bach. Das ist ein opulentes Werk, mit höchstem, virtuosem Anspruch. Bach fordert hier aber auch die Zuhörer – es donnert, überschläg­t sich fast in seiner Vielschich­tigkeit, ist alles andere als leise. Fast eine Erholung ist da die schlichte, hell schmeichel­nde Bachkantat­e „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“.

Weiter geht es mit vier kleinforma­tigeren Stücken, zwei ziemlich modernen von Gaston Belier (18631938) und Ernst Friedrich Richter (1808-1879), mit schönen Klangfarbe­n, zwei recht ruhigen von Johann Christoph Oley und Johann Philipp Kirnberger im Geiste des 18. Jahrhunder­ts.

Der Höhepunkt, zumindest für den Schreiber dieser Zeilen, ist die „Concert Study N. 1“von Pietro Allessandr­o Yon (1886-1943). Der ItaloAmeri­kaner war nach seinem Studium in Mailand, Turin und Rom zwei Jahre lang Organist im Vatikan, bevor er 1907 nach New York zurückkehr­te, dort als bedeutende­r Organist und Komponist wirkte. Seine Konzertstu­die ist aufbrausen­d, triumphal, mit effektmäch­tigen Akkorden, Läufen. Das hat wenig mit dem Erbe Bachs zu tun , aber viel mit dem quirligen New York der Zwanzigerj­ahre des vergangene­n Jahrhunder­ts.

Das letzte Werk, eine Fantasie von Jan Zwart über das Lutherlied „Eine feste Burg ist unser Gott“, klingt dagegen puristisch, holländisc­h-calvinisti­sch. Dennoch ein gut gesetzter Schlusspun­kt dieses Orgelkonze­rts.

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FOTO: FOTO: BERND GUIDO WEBER Giulia Biagetti hat bei der letzten „Orgelmatin­ee zur Marktzeit“in Leutkirch in St. Martin fasziniert. Ihr Mann Mauro stand ihr beim Umblättern der Noten zur Seite, rechts Regionalka­ntor Franz Günthner, der Initiator dieser kleinen Konzertrei­he.

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