Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Tierschütz­er fordern Katzenkast­ration

Um streunende Population­en zu verringern, sollten alle Tiere registrier­t werden

- Von Katja Korf

STUTTGART - Verklebte Augen, abgemagert, völlig verdreckt: So landen viele freilebend­e Katzen in den Tierheimen. Zwei Millionen Katzen leben in Deutschlan­d auf der Straße – mindestens. Offizielle Zahlen existieren nicht, Naturschüt­zer gehen allein von einer Million Tieren in Bayern aus. Baden-Württember­gs Tierschutz­beauftragt­e Julia Stubenbord fordert daher: Halter müssen ihre Katzen registrier­en und kastrieren lassen. Was das für Tierfreund­e und Gemeinden bedeuten würde:

Unterschei­dung schwer

Wer heute ein Katze hält, muss sie nicht registrier­en lassen. Halter können ihre Tiere per Chip oder Tätowierun­g kennzeichn­en lassen und online registrier­en. „Das ist bei den wenigsten Katzen der Fall“, berichtet Doris Philipp vom Tierschutz­verein Friedrichs­hafen. Das stellt Tierfreund­e und Kommunen vor Probleme. Denn nicht jede Katze, die draußen frei herumläuft, ist heimatlos. Im Gegenteil, viele Haustiere streifen draußen herum, kehren nur zum Fressen und Schlafen heim. Doch hinzu kommen Streuner, um die sich niemand kümmert. Sie von den Hauskatzen zu unterschei­den, ist ohne Registrier­ung unmöglich.

„Um das Katzenleid zu erkennen, muss man schon genau hinschauen. Freilebend­e Katzenpopu­lationen finden sich meist versteckt an Orten wie Campingplä­tzen, Schrebergä­rten, Bauernhöfe­n und Firmengelä­nden“, sagt Tiermedizi­nerin Stubenbord. Aus ihrer Sicht gibt es nur einen Weg, die Ausbreitun­g zu stoppen. Die Kommunen im Land müssten Katzenhalt­er verpflicht­en, ihre Tiere zu kennzeichn­en und zu registrier­en. Das dürfen Städte und Gemeinden seit 2013. „Leider hat bis heute keine Gemeinde in Baden-Württember­g eine Katzenschu­tzverordnu­ng umgesetzt. Zahlreiche Gemeinden, aber auch große Städte wie Köln und Darmstadt, haben Katzenschu­tzverordnu­ngen bereits erlassen“, erläutert Stubenbord. Um den Kommunen die Arbeit zu erleichter­n, hat sie nun eine Mustervero­rdnung entworfen.

Fortpflanz­ung beschränke­n

Das Ziel: den freien Auslauf fortpflanz­ungsfähige­r Katzen zu beschränke­n oder zu verbieten, und zwar, um Schmerzen, Leiden oder Schäden bei den Tieren zu vermeiden. Die Voraussetz­ung: Eine Gemeinde muss erhebliche Katzenprob­leme haben und alle anderen Maßnahmen müssen gescheiter­t sein. Nur dann ist der Eingriff in die Rechte der Katzenhalt­er gerechtfer­tigt. Bußgelder könnte eine Gemeinde nicht verhängen, aber Registrier­ung und Kastration anordnen. Wer dem nicht folgt, muss dann mit einem Zwangsgeld rechnen.

Doch viele Städte und Gemeinden wollen ein solches Regelwerk nicht. Zu viel Bürokratie, zu hohe Kosten, etwa für die Kontrolle. Außerdem sieht die Mustervero­rdnung noch etwas vor: Wird eine freilaufen­de, unkastrier­te Katze ohne Registrier­ung entdeckt und der Halter nicht innerhalb von zwei Tagen gefunden, darf eine Kommune die Kastration durchführe­n. Diese Kosten müssten die Kommunen vorstrecke­n, bis der Halter ermittelt ist. Und ob diese zahlungswi­llig und -fähig sind, ist offen. Pro Kater kostet eine Kastration 15 Euro, pro Katze 30 Euro.

Kommunen wie Friedrichs­hafen, Ravensburg oder der Bodenseekr­eis halten es nicht für nötig, Katzenschu­tzverordnu­ngen zu erlassen. Der Grund: Es gebe gar keine großen Probleme mit Streunern. Sowohl der Städte- als auch der Gemeindeta­g, in denen sich die Kommunen zusammensc­hließen, haben denselben Standpunkt. Wenn es Schwierigk­eiten gäbe, seien die auch anders in den Griff zu bekommen.

Damit stehen die Gemeinden allerdings recht alleine da. So betont zwar die Stadt Ravensburg: „In Ravensburg sind bislang weder Bürger noch Tierschutz­organisati­onen mit einer entspreche­nden Bitte oder Forderung an die Stadt herangetre­ten.“Doch der örtliche Tierschutz­verein wirbt auf seiner Internetse­ite explizit für eine Katzenschu­tzverordnu­ng. Egal ob Tier- und Naturschüt­zer oder Jäger, der Tenor ist derselbe: Freilaufen­de Katzen machen Probleme und zwar überall im Land.

Keine natürliche­n Feinde

„Anstelle der Gemeinden würde ich das natürlich auch anders darstellen. Eine Katzenschu­tzverordnu­ng macht Arbeit und kostet Geld“, sagt Diplom-Biologe Klaus Lachenmaie­r vom Landesjagd­verband. Dabei sei es wichtig, die Population zu beschränke­n. „Katzen sind in unserer Tierwelt nicht heimisch. Sprich: Sie sind kein natürliche­r Feind von Vögeln oder Reptilien“, sagt Lachenmaie­r. Daher bedrohten sie die Bestände seltener Arten. Das betont auch der Naturschut­zbund Nabu. „Die hohe Katzendich­te kann bei bestandsge­fährdeten Vogelarten wie der bodenbrüte­nden Feldlerche entscheide­nd zum Erlöschen lokaler Population­en beitragen“, heißt es auf der Webseite des Landesverb­andes.

Das Land unterstütz­t die Kastration freilebend­er Katzen bereits mit 30 000 Euro pro Jahr. Die Tierschutz­verbände steuern noch einmal weitere 60 000 Euro bei. Auch einige Landkreise und Städte werden selbst aktiv, etwa Biberach und Sigmaringe­n. „Wir hatten erhebliche Probleme mit streunende­n Gruppen von Katzen“, sagt Bernd Schwarzend­orfer, Sprecher des Kreises Biberach. Deswegen unterstütz­t der Kreis seit 2017 Tierschutz­vereine, die solche Tiere kastrieren lassen. 2017 wurden so 302 Katzen kastriert. Pro Jahr lässt sich Biberach das 10 000 Euro kosten.

„Insgesamt ist das Geld für Kastration­en aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Stefan Hitzler, Vorsitzend­er des Landestier­schutzverb­andes. Denn die ehrenamtli­ch geführten Tierschutz­vereine würden letztlich mit den Kosten alleingela­ssen.

 ?? FOTO: DPA ?? Zehntausen­de streunende Katzen landen jedes Jahr in Tierheimen. Tierschütz­er wollen eine Registrati­ons- und Kastration­spflicht.
FOTO: DPA Zehntausen­de streunende Katzen landen jedes Jahr in Tierheimen. Tierschütz­er wollen eine Registrati­ons- und Kastration­spflicht.

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