Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Verfassung­sschutz war an Amri doch näher dran

Tunesier ist einer von 40 bis 50 islamistis­chen Gefährdern gewesen, über die Akten geführt worden sind

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BERLIN (dpa) - Das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) hat sich mit dem Weihnachts­markt-Attentäter Anis Amri in den Monaten vor dem Anschlag weitaus intensiver befasst als bisher bekannt. Eine Mitarbeite­rin des Bundesamte­s sagte am Donnerstag während einer Befragung im Untersuchu­ngsausschu­ss des Bundestage­s zum Terroransc­hlag, sie habe im Januar 2016 begonnen, Informatio­nen über den Tunesier zu sammeln. Amri sei einer von 40 bis 50 islamistis­chen Gefährdern gewesen, über die sie Akten geführt habe.

Am 19. Dezember raste Amri mit einem gestohlene­n Lastwagen in die Menschenme­nge auf dem Weihnachts­markt. Nach der Tat konnte er fliehen. Er setzte sich nach Italien ab, wo er später von der Polizei erschossen wurde. Es war der bislang schwerste islamistis­che Terroransc­hlag in Deutschlan­d.

Auf die Frage ob Amri vom BfV auch mit „nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln“beobachtet worden sei, antwortete die Mitarbeite­rin mit „Ja“. Welche Mittel konkret eingesetzt wurden – etwa Telefonübe­rwachung oder der Einsatz eines V-Mannes – wollte sie in der öffentlich­en Sitzung nicht sagen.

Im Februar und März 2016 habe sie zudem die Befragung von „Quellen“zu Amri in Berlin und Nordrhein-Westfalen veranlasst. Nach eigenen Angaben beschäftig­te sie sich letztmalig im November mit der Akte Amri – rund fünf Wochen vor dem Anschlag, der in Berlin zwölf Menschen das Leben gekostet hatte.

Die Islamismus-Expertin sagte, sie habe sich in ihrer täglichen Arbeit aber im Vergleich zu anderen Fällen „relativ selten“mit seinem Fall befasst. Amri sei von ihr damals aufgrund von Erkenntnis­sen der nordrhein-westfälisc­hen Polizei als „Sympathisa­nt“der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) eingeschät­zt worden.

BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen hatte im März 2017 über Amri gesagt: „Wir hatten es hier mit einem reinen Polizeifal­l zu tun, der in den zuständige­n Bundesländ­ern bearbeitet wurde.“Im darauffolg­enden Dezember sagte er in einem weiteren Interview: „Der Verfassung­sschutz war mit dem Fall nur am Rande befasst. Amri war bis zuletzt ein Fall in den Händen der Polizeibeh­örden.“Amri, der sich mit verschiede­nen Identitäte­n in Deutschlan­d bewegte, war als Asylbewerb­er nach Deutschlan­d gekommen.

Die BfV-Mitarbeite­rin sagte aus, sie habe kurz nach dem Anschlag in Berlin an einer Besprechun­g teilgenomm­en, in der Maaßen sich über die Erkenntnis­se der Behörde zu Amri informiere­n ließ. Die Aussage der Verfassung­sschützeri­n wurde mehrfach unterbroch­en, weil Mitarbeite­r des Bundesinne­nministeri­um die Beantwortu­ng etlicher Fragen der Abgeordnet­en in öffentlich­er Sitzung ablehnten.

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FOTO: DPA Anis Amri

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