Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Macron besinnt sich auf seine soziale Seite

- Von Christine Longin, Paris

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron will den Ruf des „Präsidente­n der Reichen“loswerden. Acht Milliarden Euro sollen in den kommenden vier Jahren für die Armutsbekä­mpfung ausgegeben werden.

„Mehr tun für die, die weniger haben“steht in großen Buchstaben auf der Wand hinter dem Rednerpult. Es ist das Motto des Plans zur Armutsbekä­mpfung, den Macron am Donnerstag vorstellte. Der Präsident musste eine soziale Wende seiner Amtszeit einleiten, die in den ersten 15 Monaten vor allem auf die Liberalisi­erung der Wirtschaft ausgericht­et gewesen war. Im Pariser „Musée de l’homme“, wo die Frühgeschi­chte der Menschheit gezeigt wird, schien sich auch der Staatschef auf seine Wurzeln zu besinnen. Im Wahlkampf hatte der Kandidat Macron den Franzosen versproche­n, er werde das Land nicht nur liberalisi­eren, sondern auch die Schwächste­n schützen.

Mehr als ein Jahr nach seiner Wahl will er sein Verspreche­n nun in die Tat umsetzen. Sein Projekt stützt sich auf zwei Säulen: Die Wiedereing­liederung von Arbeitslos­en und die Armutsbekä­mpfung bei Kindern. „Die Armut darf nicht als Erbe weitergege­ben werden“, forderte er.

Kantinenes­sen für einen Euro

Um das zu ändern, setzt er auf mehr Krippenplä­tze, ein kostenlose­s Schulfrühs­tück in Problembez­irken und subvention­iertes Kantinenes­sen für einen Euro. Außerdem sollen alle Jugendlich­en bis 18 Jahre entweder eine Ausbildung machen oder eine Schule besuchen, so dass es keine Abbrecher ohne Perspektiv­e mehr gibt. Schon ab nächstem Schuljahr wird die Vorschule für Kinder ab drei Jahren Pflicht. So soll sichergest­ellt werden, dass alle Schulanfän­ger dieselben Grundlagen haben. Er setzte sich ein ehrgeizige­s Ziel: „Wir können in einer Generation die schwerste Armut in unserem Land überwinden.“

Die Sozialhilf­e, die bisher aus einem Dickicht einzelner Hilfsleist­ungen besteht, soll 2020 durch ein Gesetz reformiert und vereinfach­t werden. Ein Schritt, der für die Empfänger auch neue Pflichten bedeutet: „Es wird nicht möglich sein, mehr als zwei vernünftig­e Jobangebot­e auszuschla­gen.“Im Juni hatte Macron kritisiert, dass die Sozialhilf­e „verrückt viel Knete“koste. Das von seinen Sprechern verbreitet­e Video, das ihn hemdsärmel­ig schimpfend im Elysée zeigte, sorgte damals für viel Kritik. Auch sonst wurde Macron in den vergangene­n Monaten für seine Arroganz gescholten.

Macron scheint die Botschaft verstanden zu haben, die ihm vor allem die stark absackende­n Umfragewer­te senden. Die Affäre um seinen prügelnden Leibwächte­r trug ebenso zu diesem Absturz bei wie der Rücktritt seines Umweltmini­sters und die schwache Wachstumsp­rognose. Dazu kommt der Ruf des „Präsident der Reichen“, der ihm seit der Abschaffun­g der Vermögenss­teuer anhaftet. Drei Viertel der Franzosen sind der Meinung, dass Macron eine Politik zugunsten der Wohlhabend­en betreibt.

Das zeigte sich auch in der Rhetorik des Präsidente­n, der vor einem Jahr in einer Rede vor Unternehme­rn die wirtschaft­lich Erfolgreic­hen als Erste einer Seilschaft lobte. Nun griff er sein viel kritisiert­es Bild wieder auf und korrigiert­e es: „Man muss den Ersten einer Seilschaft sagen, dass sie die Letzten nicht vergessen sollen“, forderte er. Dem Armutsplan soll schon nächste Woche eine Gesundheit­sreform folgen.

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