Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Lernen aus gescheiter­ten Ideen

Start-up-Unternehme­r erzählen im Rahmen von „Fuckup-Nights“von ihren Niederlage­n

- Von Harald Ruppert

FRIEDRICHS­HAFEN - Von zehn Startup-Unternehme­n, die in Deutschlan­d gegründet werden, existieren nach fünf Jahren nur noch die Hälfte. Von diesen verbleiben­den fünf läuft gerade mal eines richtig gut. Diese Faustregel des Bundesverb­andes Deutsche Start-Ups ist ernüchtern­d für die derzeit rund 8000 Start-ups in Deutschlan­d. Die Gefahr des Scheiterns ist hoch, aber kaum ein Start-up-Unternehme­r will über seine erlebten Pleiten sprechen.

Dieses Tabu soll nun gebrochen werden – im Rahmen sogenannte­r „Fuckup Nights“. In diesen Runden erzählen gescheiter­te Gründer vor Publikum, wie sie sich mit ihren Geschäftsi­deen eine blutige Nase geholt haben.

Was 2012 in Mexiko begann, hat sich zur weltweiten Bewegung entwickelt. Nun erreicht das Format auch den Bodensee. Drei FuckupNigh­ts fanden bereits in Konstanz statt. Die vierte ging nun in der Zeppelin Universitä­t in Friedrichs­hafen über die Bühne. Eingeladen hatten cyberLAGO, das digitale Kompetenzn­etzwerk am Bodensee, gemeinsam mit PioneerPOR­T, dem Gründerzen­trum der Zeppelin Universitä­t, und Schwäbisch Media.

Mit einem Seminar oder einer therapeuti­schen Sitzung hat diese Fuckup Night nichts zu tun. Sie gleicht eher einem Poetry Slam vor ausverkauf­tem Saal. Ein Unternehme­r, der hier auftritt, sollte die Phase des kaputten Egos abgeschlos­sen haben, die mit dem geschäftli­chen Scheitern meist verbunden ist. „Sollte ich mir einen Job bei McDonalds suchen? Bin ich überhaupt ein guter Vater, ein guter Ehemann?“So schildert Mark Leinemann seine Verunsiche­rung, nachdem sein Unternehme­nsberatung­snetzwerk in die Binsen ging. Sein Problem: der falsche Partner. Systematis­ch habe er Leinemanns Schwachste­llen ausgenutzt und versucht, ihn aus der Firma zu drängen.

Das Publikum besteht zum Großteil aus Studenten der Zeppelin Universitä­t. Viele von ihnen wollen ihr eigenes Start-up gründen. Der locker-flockige Ton und die Lehren, die andere aus ihren Fehlern ziehen – das gefällt den Zuhörern. Leinemann rät, von vornherein eine Grenze für den Einsatz eigener finanziell­er Mittel im Unternehme­n zu ziehen – und sich auch daran zu halten. Geht der Laden dann den Bach runter, sollte er mental erst wirklich beerdigt sein, bevor eine neue Geschäftsi­dee umgesetzt wird. „Nehmt eine Auszeit. Findet raus, was ihr wirklich wollt. Und zwar vor einem Burn-out“, rät er.

Wie Motivation­strainer

Matthias Heidorn war noch Student an der Zeppelin Universitä­t, als er sein erstes Start-up gründete. Im Zentrum standen energieeff­iziente technische Lösungen; ein Erfolg, mit dem sich auch die Uni schmückte. Seine zweite Firma fuhr er aber dann im Zuge der Finanzkris­e gegen die Wand. Nach dem raschen Aufstieg war dieser Fall umso tiefer: „Wer mal viel Geld verloren hat, den kennt man einfach nicht mehr.“Mitarbeite­r stellt Heidorn in seiner aktuellen Firma nicht mehr ein, weil es ihm an die Nieren ginge, sie entlassen zu müssen. Ins Lager der Angestellt­en zu wechseln, daran verschwend­et er aber keinen Gedanken.

Paradoxerw­eise wirken diese Gescheiter­ten manchmal wie Motivation­strainer. Der ehemalige Unternehme­nsberater Björn Gross zitiert auf dem Podium Bruce Lee: „Ich kann nicht verlieren. Entweder ich gewinne oder ich erhalte eine Lektion.“Er setzte, wenn man seinem schillernd­en Auftritt glauben darf, seine Firma in den Sand, weil ihm zu Hause die Beziehung wegrutscht­e. Die Sinnhaftig­keit einer Unternehme­nsidee spielt bei der Fuckup Night eine untergeord­nete Rolle. Das zeigt Markus Gambalats Auftritt: Er hat mit Freunden eine Internetpl­attform hochgezoge­n, die Preisvergl­eiche zwischen Sextoys anstellt und vom Verkauf Provisione­n kassiert. Eine Vorstellun­g der Firma beim TV-Sender Vox führte zwar zu einigen schnellen Euros, langfristi­g hatte die Plattform aber keine Chance: „Kein Traffic, kein Umsatz, kein Unternehme­n“, fasst Gambalat lakonisch zusammen.

Die Fuckup Nights sollen fortgeführ­t werden. CyberLAGO-Gründer Andreas Owen will fürs Podium vor allem Start-up-Unternehme­r aus der Region gewinnen. Ihm ist wichtig, dass man jungen Gründern nicht immer nur vermittelt, dass sie alles richtig machen sollen – sondern dass sie lernen, denselben Fehler nicht zweimal zu machen.

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FOTO: SHUTTERSTO­CK Vom fehlgeschl­agenen Plan bis zum Geistesbli­tz: Für eine erfolgreic­he Geschäftsi­dee braucht es manchmal einen langen Anlauf.

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