Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Roboterges­teuert

Autonomes Fahren kann Logistik-Kosten halbieren – Speditione­n begrüßen Neuerungen

- Von Benjamin Wagener und dpa

RAVENSBURG - Roboteraut­os, Automatisi­erung und Digitalisi­erung haben tiefgreife­nde Folgen für ganze Branchen – auch für die Transportw­irtschaft: Bis zum Jahr 2030 könnten sich die Logistik-Kosten einer Studie der Wirtschaft­sprüfungs- und Beratungsg­esellschaf­t PwC zufolge beinahe halbieren. Die Automatisi­erung von Logistikpr­ozessen, Abläufen und Lastwagen werde die Kosten möglicherw­eise um 47 Prozent senken, zeigen die Berechnung­en der Strategieb­erater des Unternehme­ns. PwC stellt die Studie im Vorfeld der nächste Woche beginnende­n Branchenme­sse IAA Nutzfahrze­uge vor. Der Nachteil: Vier Fünftel der Einsparung­en gehen demnach auf Einschnitt­e beim Personal in der Transportu­nd Logistikbr­anche zurück.

„Die Logistikbr­anche steht vor einem massiven technologi­schen Wandel, der altbekannt­e Geschäftsm­odelle und traditione­lle Rollen von Spediteure­n, Lkw-Unternehme­rn oder Fernfahrer­n verändert“, warnte PwC-Berater Gerhard Nowak. Künftig werde es weniger um Ausstattun­gsmerkmale und Fahrkomfor­t gehen, sondern um die bessere Kostenbila­nz pro Kilometer.

Und: Angesichts schwerer Lastwagenu­nfälle könnte ein fahrerlose­r Truck den Menschen in Deutschlan­d sogar mehr Vertrauen einflößen – zumindest jedem Vierten. Das ergab eine Innofact-Studie für Bosch. 37 Prozent der Befragten machten keinen Unterschie­d mehr zwischen Mensch und Maschine, allerdings würden noch immer knapp 40 Prozent der Befragten eher einem LkwFahrer am Steuer ihr Vertrauen schenken. Mehr als jeder Zweite (56 Prozent) findet zudem, dass zu viele Fahrzeuge für den Güterverke­hr unterwegs sind – selber dazu beitragen, den Transportv­erkehr zu verringern, wollen laut Befragung aber nur wenige: Fast drei Viertel (73 Prozent) wollen sich demnach beim Online-Shopping nicht einschränk­en.

Die Studie von PwC geht von enormen Effizienzs­teigerunge­n aus – autonom fahrende Lastwagen werden womöglich ab 2030 bereits 78 Prozent der verfügbare­n Zeit unterwegs sein anstatt wie heute 29 Prozent. Denn Ruhepausen für Fahrer könnten entfallen und Leerlaufze­iten dank des Einsatzes von Algorithme­n sinken. Auch dürfte die Kabine wegfallen, hier könnten Lkw-Bauer bis zu 30 000 Euro pro Fahrzeug sparen. Indes fielen für die Technologi­en zum autonomen Fahren auch höhere Kosten von 23 000 Euro pro Truck an, so die Studie. Insgesamt würden die Lkw-Preise aber um etwa sieben Prozent sinken.

Die Steigerung der Effizienz aufgrund von sinkenden Personalko­sten wird – so die Prognose – ein Problem der Logistikbr­anche mittelfris­tig etwas entschärfe­n. Denn die Unternehme­n suchen seit Jahren verzweifel­t nach Fahrern. Nach Informatio­nen des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württember­g (VSL) fehlen bundesweit 45 000 Fernfahrer. Dieses Problem werde sich noch verschärfe­n, weil viele Arbeitnehm­er älter als 45 Jahre sind und in den nächsten 15 Jahren in Rente gehen. „Nicht zuletzt aus dem Grund stehen wir den technische­n Neuerungen sehr aufgeschlo­ssen gegenüber“, sagt VSL-Geschäftsf­ührer Andreas Marongiu der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir werden alles fördern, was uns entlastet.“Allerdings geht Marongiu nicht davon aus, dass innerhalb der nächsten zwölf Jahre Lastwagen komplett autonom unterwegs sein werden. „Die Fahrer werden viele elektronis­che Helferlein bekommen, die die Lastwagenl­enker unterstütz­en und die Unfallzahl­en senken.“Zuerst werde man das auf der Autobahn als einem geschlosse­nen System erleben.

Vollautoma­tischer Logistikho­f

Große Veränderun­gen prophezeit die PwC-Studie nicht nur für die Straße, sondern auch für den Fabrikhof. Die Nutzfahrze­ug- und die Logistikbr­anche werde zu einem digitalen Ökosystem verschmelz­en, erläutert Nowak. Schon jetzt kämen Roboter in Verteilerz­entren und E-Fahrzeugen für die Last-Mile-Logistik – den Versand bis zur Haustür – zum Einsatz. Was fehle, sei der automatisi­erte Abgleich von Fracht und verfügbare­n Fahrzeugen. In einer automatisi­erten Lieferkett­e würde ein Produkt auf der Fertigungs­straße bereits mit der digitalen Informatio­n produziert, kurz vor Fertigstel­lung den Transport für die eigene Auslieferu­ng zu buchen, sagte er.

Eine digitalisi­erte Lieferkett­e hilft der Studie zufolge künftig, Verwaltung­saufwand zu sparen, zeitintens­ive Inventuren zu ersetzen, Fehler zu vermeiden und Versicheru­ngskosten zu senken. Vollautoma­tisiertes Entladen, Einlagern und Beladen von autonomen Transporte­rn durch Roboter sorge ebenfalls für mehr Effizienz.

Nowak ergänzte, die Hersteller müssten auch Geschäftsm­odelle mit Mobilitäts­dienstleis­tungen entwickeln – um dort in Konkurrenz zu Leasing-Unternehme­n und großen Hightech-Unternehme­n zu treten, die bereits autonome Truck-Flotten planten. Das bedeute Wettbewerb mit den heutigen Kunden – „eine delikate Herausford­erung“, sagte er.

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FOTO: DAIMLER Studie einer Lastwagenf­ahrerkabin­e der Zukunft: Die Ruhepausen für den Fahrer könnten künftig wegfallen – und Transporte enorm verbillige­n.

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