Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ravensburgerin kämpft gegen Rodung
Angelika Kotzur hat Regenwald-Abholzung in Peru erlebt – Schock macht sie zur Aktivistin
RAVENSBURG - Regenwald gilt als grüne Lunge der Erde – doch mancherorts hört sie auf zu atmen. Die Ravensburger Heilpraktikerin Angelika Kotzur hat in Peru die illegale Rodung des Dschungels mitansehen müssen. Seither kämpft sie für die Erhaltung uralter gewachsener Wälder im Amazonasgebiet.
2009 ist die Ravensburger Heilpraktikerin zum ersten Mal nach Peru gereist, um dort traditionelle Heilmittel und -methoden kennenzulernen. Sie ist begeistert von dem Schamanismus im Urwald, bleibt und gründet mit einem Einheimischen ein Camp. Gemeinsam beherbergen und behandeln sie Gäste aus Europa. Angelika Kotzur hörte schon in ihrer Anfangszeit dort Gerüchte, wonach eine asiatische Firma ein riesiges Stück Land in der Nähe des Camps gekauft hat. Aus einer schlimmen Ahnung wird wenig später Gewissheit: 2012 beginnt laut Kotzur die illegale Rodung des Waldes.
„Es war unglaublich, wie schnell und brutal das voranging“, sagt Angelika Kotzur. Für sie war schnell klar, dass sie etwas unternehmen muss. Sie sammelt mit anderen Organisationen Unterschriften, knapp 140 000 Stück, und ist bei der Überreichung in Berlin an den peruanischen Umweltminister dabei. Bewegt habe sich dadurch nichts, sagt Kotzur. „Die Regierung tut so, als ob sie von alledem nichts wüsste.“Dabei gehe es um den Ausverkauf ihres Landes.
Durch Rodungen verlören die Menschen nicht nur ihre Speisekammer – Tiere werden vertrieben, die Artenvielfalt geht zurück –, sondern auch ihren Medizinschrank. Zudem ist die Klimawirkung des Regenwaldes nach der Abholzung erst einmal verloren – es fehlen Tausende Bäume und Pflanzen, die klimaschädliches CO2 aufnehmen und Sauerstoff produzieren.
Bis heute wurden ihren Angaben zufolge in der Nähe ihres Camps ein riesiges Feld mit 6000 Hektar peruanischem Regenwald abgeholzt. Kotzur hat die gerodete Fläche mit peruanischen Behördenvertretern erkundet: „Es war totenstill, alles stirbt unter der Äquatorsonne und ihren austrocknenden Winden“, sagt sie. Den ausländischen Investoren gehe es manchmal ums Tropenholz, manchmal um die Fläche, die sie für Plantagen nutzen wollen, möglicherweise sogar um Bodenschätze, mutmaßt Kotzur. Verkäufer der Flächen seien oft Bauern, die verschuldet sind, und sich von einer Anstellung bei einem ausländischen Plantagenbesitzer einen besseren Verdienst erhoffen, sagt Kotzur. Doch alles, was sie bekommen, sei Abhängigkeit. Der Investor zahlte „skandalöse fünf Euro pro Hektar“, so Kotzur. Manchmal werde den Menschen ihr Land einfach weggenommen, der Zugang mit Waffengewalt verweigert.
Kotzur hat zusammen mit anderen Engagierten 2011 den Verein „Asociación Civil El Puente de la Amistad“(deutsch: Bürgervereinigung Brücke der Freundschaft) gegründet. Der Verein kauft Wald auf, schützt ihn und macht Bildungsarbeit für die Dschungelbewohner.
Die Zukunftsstiftung Entwicklung bei der GLS Treuhand fördert das Klimaschutzprojekt mit 55 000 Euro in diesem Jahr. „Das Projekt ist klimarelevant, weil es Schutz vor Abholzung schafft“, sagt die Geschäftsführerin der Stiftung, Annette Massmann. Die Waldbewohner waren bisher in kleinem Umfang Teil des Problems: Wenn ihre Felder ausgelaugt waren, haben sie neue Flächen gerodet. Das soll künftig verhindert werden, wie Massmann erklärt, indem den Einheimischen Prinzipien des biodynamischen Anbaus gelehrt werden, damit sie ihre Felder dauerhaft fruchtbar halten können.
Im Projekt werden laut Kotzur bereits auf zwei Hektar Feldfrüchte, Bananen, Medizinpflanzen, Palmen und Bäume angebaut, mit denen die Bauern mehr Geld verdienen können als mit ihrem Wanderfeldbau. So haben sie ein Auskommen und Motivation, im zweiten Teil des Projektes, der Wiederaufforstung, mitzuarbeiten. Außerdem muss an den aufgekauften Waldparzellen patrouilliert und die Grenzen markiert werden, um illegale Holzeinschläge zu verhindern.
Die Anfänge des Projekts waren schwierig. „Man hat uns skeptisch angeschaut als Umweltschützer“, sagt Kotzur. Jetzt hätten die Leute aber verstanden, dass es darum geht, Schaden zu vermeiden. „Man muss die Menschen daran erinnern, dass ihre Umwelt sie stark macht.“
Angeklika Kotzur hält am Freitag, 21. September, von 19 bis 21.30 Uhr im Kornhaus einen Vortrag über ihre Arbeit und zeigt Bilder aus dem peruanischen Dschungel und den Menschen, die dort leben.