Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ein Patentreze­pt gibt es nicht

Das Landesamt für Umwelt lässt offen, wie Älpler Herden schnell und effektiv vor Wölfen schützen können

- Von Ulrich Weigel

OBERALLGÄU - Ein Standardko­nzept, um Nutztiere auf Alpen vor Wölfen zu schützen, nennt das Landesamt für Umwelt nicht. „Kein Mensch hat ein Patentreze­pt“, sagt Jochen Grab vom LfU. Was bei einem Gespräch mit Älplern auf 1420 Metern Höhe oberhalb von Bad Hindelang auch noch auf Verständni­s stößt. Doch letztlich bleibt das Treffen ergebnislo­s: Die Teilnehmer tragen ihre Meinungen vor – und gehen mit ihrer Anschauung wieder heim. Konkrete Lösungen? Fehlanzeig­e.

Das Treffen erfolgt an der Alpe Klank, weil dort ein Wolf vier Rinder in einen Abgrund gehetzt haben soll (wir berichtete­n) . Drei Tiere starben. Mit Sicherheit seien die Tiere gehetzt worden, meint Hirte Franz-Josef Höß. Was ihm seit dem Vorfall auffällt: Die Herde steht abends näher beisammen. Die Haflinger-Stute, ihr Fohlen und die zwei Esel seien am Tag danach nur nah an der Alphütte gestanden.

Keine befriedige­nde Situation

Letztlich bleiben die Hirten ohne Rat, wie sie tatsächlic­h ihr Vieh im unwegsamen Gelände vor dem Wolf schützen. Von LfU-Seite wird erklärt, wie es anderswo läuft: mit Zäunen, ausgebilde­ten Hirten, Herdenschu­tzhunden und Nachtpferc­hen, in die man die Tiere abends treibt. Die konkrete Herdenschu­tzberatung sei Sache der Landwirtsc­haftsverwa­ltung, heißt es. Aus dem Hut zaubern könne man nichts, sagt Jochen Grab vom LfU. Lösungen müsse man gemeinsam erarbeiten und das Gelände berücksich­tigen: Weiderecht­e, Wege und Förderbedi­ngungen, wenn das Vieh auf bestimmten Flächen weiden muss.

Aus Sicht der Alpwirtsch­aft keine befriedige­nde Situation, weil man nach jüngsten Viehrissen jetzt Lösungen benötigt. „Es wird alles bloß schön-geschwätzt“, schimpft Franz Hage, Vorsitzend­er des Alpwirtsch­aftlichen Vereins Allgäu. Herdenschu­tzhunde seien keine Lösung. Wo sollten die Hirten mit ihnen im Winter hin und wo sollten sie dann trainieren, wenn die Jungrinder zurück an ihre Bauern gehen.

Hage würde den Wolf am liebsten schießen lassen. Er weiß von mehreren Bauern, die nächstes Jahr kein Vieh mehr auf die Alpen bringen wollen, wenn es keine Lösung gibt. Doch ein Abschuss sei kein Allheilmit­tel und verschiebe das Problem nur, kontert Grab. Ein Abschuss schaffe Platz für den nächsten Wolf und der wisse ja wieder nicht, dass das Allgäu wolfsfrei sein will.

Dr. Michael Honisch verweist auf die Bedeutung der Alpwirtsch­aft für Naturschut­z und Biodiversi­tät. Er arbeitet am Fachzentru­m für Alpwirtsch­aft des Landwirtsc­haftsamts in Immenstadt und ist zugleich Geschäftsf­ührer des Alpwirtsch­aftlichen Vereins. Nach Ansicht der Nutzerverb­ände sei das Berggebiet als Ganzes nicht schützbar. Honisch vermutet, dass Wölfe weiter Schaden anrichten. Schütze man kleinräumi­g einzelne Alpen, wachse der Druck auf nicht geschützte Flächen. Der Abschuss könne eine „unterstütz­ende Option“sein.

So sieht es auch Johann Atzberger (Wald- und Weidegenos­senschaft Hindelang). Er fordert, ein Gleichgewi­cht zu finden: Wölfe im Berggebiet? Das gehe nicht. Ihn sorgt vor allem die wachsende Population. Wenn man nicht jetzt handle, gebe es in zwei, drei Jahren deutlich mehr Wölfe. So wie es auch beim Biber lief. Das ist auch für Grab keine Frage: Die deutsche Wolfspopul­ation wachse jährlich um ein Drittel.

Was bleibt, ist Kritik an der Politik: „Die schläft“, schimpft Franz Hage. Älpler Markus Haug spricht von „Wasserträg­ern“. Und Johann Atzberger sagt: „Vor der Wahl tut keiner was, er könnte ja eine Stimme verlieren. Und nach der Wahl ist vor der nächsten Wahl.“

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