Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Froschs Erben wollen als Einheit im Silberjahr bestehen

Die Deutsche Eishockey Liga geht in ihre 25. Saison – und die Schwenning­er Wild Wings bereichern sie als aufmüpfige­r Kleiner

- Von Joachim Lindinger

Fünfzehn Sekunden noch bis zur Schlusssir­ene. Carsten Solbach hat sein Tor längst verlassen. sechs Feldspiele­r also. Da fasst sich Frantisek Frosch ein Herz, sucht den Abschluss, findet die Lücke. 4:4 beim EC Hannover, Spieltag eins der neuen Deutschen Eishockey Liga (DEL) ist für die SERC Wild Wings gerettet. 24 Jahre ist das her, und Puck-Romantiker­n sei gesagt, dass Andrej Kowalew (zwei) und Thomas „Jackson“Deiter die ersten Gästetreff­er erzielt hatten, dass die Verlängeru­ng torlos blieb an jenem 16. September 1994 (Penaltysch­ießen gab noch keines) und dass der Richtlinie­ngeber an der Schwenning­er Bande damals Miro Berek hieß.

Jetzt heißt er Pat Cortina, die DEL geht in die 25., ihre Jubiläumss­pielzeit, für die Wild Wings ist es die 15. Nach einer 14., die Thomas Burger und Michael Werner, die geschäftsf­ührenden Gesellscha­fter der Wild Wings Spielbetri­ebs GmbH, unisono als „schöne und runde Geschichte“geadelt haben. Schön und rund waren der zehnte Tabellenpl­atz nach 52 Hauptrunde­npartien und je 26 Siegen und Niederlage­n, waren die 74 Punkte, war der erste (Pre)Play-off-Einzug seit 1996. 3:4 nach Verlängeru­ng und 2:3 hieß es dann zwar gegen die Grizzlys Wolfsburg, die Euphorie rund um die Helios-Arena allerdings erinnerte an die Zeiten eines Mark MacKay (400 Scorerpunk­te im Schwenning­er Trikot), eines Wayne Hynes (251), eines Rich Chernomaz (238), eines Jackson Penney (182) in den späten Neunzigern.

Die frühen Wild Wings waren, mit unbändigem Willen und hohem Arbeitseth­os aufwartend, speziell auf heimischem Eis schwer zu bändigen von der tierischen Konkurrenz. Dass die DEL ihre Clubs zwecks Namensfind­ung zu kollektive­n Zoobesuche­n vergattert hatte, soll übrigens böses Gerücht sein. Viel schlimmer als Füchse, Star Bulls, Revier Löwen oder Scorpions auf Kufen: Das Bestiarium war klamm. Schon der altehrwürd­igen Bundesliga hatten Ende 1993 massiv Mittel gefehlt; Verbindlic­hkeiten und ausstehend­e Gehälter schätzten Fachleute auf 25 Millionen D-Mark. Ulf E. Jäkel, kühn denkender Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes, sah die Rettung in einer geschlosse­nen Profiliga nach amerikanis­chem Modell: Statt Vereinen Kapitalges­ellschafte­n; unter dem Dach des DEB würde die DEL-Betriebs-GmbH Franchiseg­eber für genau diese sein. Dazu mehr Marketing-Erlöse, dazu ein Ligasponso­r: so weit die Idee.

Noch acht von 18 dabei

Die Wirklichke­it der Premierens­aison: Titelverte­idiger EC Hedos (jetzt: Maddogs) München spielte genau 27-mal, dann war der Meister pleite. Die Lizenzverg­abe im Sommer eine Farce? An Schuldzuwe­isungen fehlte es nicht. Auch sollte es nicht der letzte Sudden Death gewesen sein von Kaufbeuren bis Hamburg. Von den 18 Gründungsm­itgliedern gehen im Silberjahr noch acht auf DEL-Eis, sechs gehörten der Liga durchgehen­d an.

Die Schwenning­er Wild Wings hatten ihre Auszeit zwischen 2003 und 2013: Insolvenzv­erfahren, Lizenzentz­ug, 2. Bundesliga, Übernahme schließlic­h der Hannoveran­er Lizenz für geschätzte 1,2 Millionen Euro – so liest sich das Jahrzehnt DEL-Abstinenz im Zeitraffer. Rückkehr am 13. September 2013 mit einem knappen 1:2 beim Erzrivalen Adler Mannheim, die „Schwäne“hatten wieder Biss. Wirtschaft­e(te)n grundsolid­e seither, haben es sich zum Programm gemacht, vornehmlic­h jüngere deutsche Spieler zu verpflicht­en und sie zu entwickeln. Pat Cortina, vormals Bundestrai­ner und die dritte Saison in der Verantwort­ung, hat dafür offenbar ein Händchen; als „sehr strukturie­rt“ beschreibt Kapitän Simon Danner den 54-Jährigen, „immer eine klare Ansprache“habe er. Und: in Jürgen Rumrich einen bestens vernetzten Manager an seiner Seite, der diesen Weg mitträgt, mitgeht. So, dass mit vergleichs­weise bescheiden­em Etat, das Fachblatt „Eishockey News“schätzt ihn auf unveränder­t 5,7 Millionen Euro, vergleichs­weise Großes erreicht werden kann. Jürgen Rumrich: „Platz zehn ist mit diesem Team möglich. Das ist aber kein Selbstläuf­er, dazu müssen wir immer am Limit spielen.“Will sagen: als Einheit auffangen, was durch den Verlust vor allem von Will Acton (149 Scorerpunk­te in 151 Spielen für die Wild Wings; trotz laufenden Vertrags nach Nürnberg) und Damien Fleury (aus familiären Gründen nach Grenoble) an individuel­ler Qualität verloren ging. Wegorienti­ert haben sich über Sommer auch Tim Bender (Nürnberg), Uli Maurer (Riessersee) und Lennart Palausch (Hamburg); neu im WildWings-Dress sind Philip McRae, Ville Korhonen (beide Ässät Pori), Rihards Burkats (Eisbären Berlin), Julian Kornelli (Tölzer Löwen) und Boaz Bassen (Nachwuchs). Weniger Fluktuatio­n hatte keine Mannschaft der Liga, Kontinuitä­t ist Teil des Konzepts.

Kontinuitä­t hat sich auch die DEL auf ihre Fahnen geschriebe­n für die Jahre 25 ff. Passé sind Kinderkran­kheiten und Grabenkämp­fe zwischen Liga und Verband, sogar Auf- und Abstieg wird es bald – 2020/21 – wieder geben. Wirtschaft­lich ist der Jubilar gesünder denn je, Arenendich­te und TV-/Internetpr­äsenz stimmen, auf dem Eis geht es wohltuend eng zu. Mehr Geld schießt nicht zwingend immer mehr Tore. Das macht gespannt auf die Silbersais­on nach dem Sensations­silber von Pyeongchan­g.

Und auf den Start der Schwenning­er Wild Wings. Sie treffen diesen Freitag auf die Nürnberg Ice Tigers. Samt Ex-Kapitän Will Acton. Nachfolger Simon Danner: „Wir brennen!“

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FOTO: IMAGO Hat das Händchen, das die Schwenning­er Wild Wings auch in der DELJubiläu­mssaison brauchen: Trainer Pat Cortina.

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