Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Hier gibt es wirklich eine Szene“
Der SWR ist vier Tage lang in Leutkirch und dreht einen Film über junge Katholiken
LEUTKIRCH – Nein, sie sind nicht wegen Center Parcs da. Wem derzeit ein SWR-Fernseh-Team in der Stadt auffällt, mag vielleicht zunächst diesen Gedanken haben. Es ist aber ein ganz anderes Thema, das die drei Männer für vier Tage nach Leutkirch gebracht hat. Im nächsten Jahr soll im Fernsehen eine dreiteilige Dokumentation ausgestrahlt werden, die sich damit beschäftigt, wie Christen leben.
Ein Teil davon ist christliche Jugendarbeit. „Und da die Sendung zwar ganz normal im Fernsehen ausgestrahlt wird, aber in erster Linie als Unterrichtsmaterial für Lehrer gedacht ist, wollten wir natürlich auch junge Leute vor der Kamera haben“, sagt Regisseur Kàroly Koller, der selbst Theologie studiert hat. „In der Reihe geht es darum, Schülern, die keinen christlichen Hintergrund haben, zu erklären, worum es im Kern bei der christlichen Religion geht.“
Die Schulfernsehredaktion des Südwestrundfunks hat dafür bei der Gemeinde St. Martin nachgefragt und ist auf offene Ohren gestoßen. Vier Drehtage ist das Fernseh-Team derzeit da, am Sonntag ist Schluss und am Samstag der Höhepunkt mit einem Jugendgottesdienst am Abend um halb sieben in St. Martin. In diesen vier Tagen soll christliches, katholisches Alltagsleben von Jugendlichen eingefangen werden. Auf 15 Minuten wird das Filmmaterial dann reduziert werden.
„Ich fand es gleich eine tolle Sache, dass sich Jugendliche aus Leutkirch über ihren Glauben Gedanken machen. Das ist aber auch eine Herausforderung“, sagt Pastoralreferent Benjamin Sigg. „Die jungen Leute sollen ihre Gefühle und ihren Glauben ja auch in Worte fassen, das ist nicht so einfach.“Für ihn ist es wichtig, „dass sie über ihre Haltung zu Kirche nachdenken und sich überlegen, was für sie ‚Christ sein’ und ‚in der Kirche sein’ bedeutet“. Schließlich sei ja genau das das Ziel der Jugendarbeit, „nämlich, dass Jugendliche lernen können, sich selbstbewusst und kritisch mit Kirche auseinanderzusetzen.“
Soweit die Theorie. Vier Tage für den Glauben, für Aktionen in der Gemeinde, vier Tage lang gelebtes Christentum im Alltag vor laufender Kamera? In der Schule, in der Familie, in der Kirche? Wie so etwas demonstriert werden kann, forderte nicht nur den Pastoralreferenten heraus. „Wir machen unser normales Wochenprogramm hier“sagt Sigg, „dazu gehören die KJG-Gruppenstunden genauso wie Planungssitzungen für den Jugendgottesdienst oder Ministrantenproben.“Trotzdem war klar, dass so etwas gut geplant sein will und auch etwas hermachen soll.
Begeistert waren die Jugendlichen aus der Gemeinde nämlich zunächst nicht unbedingt. „Am Anfang fand ich das nicht so toll“, erzählt Magdalena Janz. Die Abiturientin ist mit ihrer Familie ausgewählt worden, um zu zeigen wie Jugendliche zuhause mit Glauben und Religion umgehen. Inzwischen hat sie ihre Skepsis abgelegt. „Es ist schon interessant zu sehen, wie so etwas beim Fernsehen abläuft“, sagt sie. Längst haben sie und ihre Eltern eingewilligt, dass das Team am Sonntag nach dem Gottesdienst mit zu ihr nach Hause kommt.
Und längst haben die Jugendlichen ihre Kamerascheu abgelegt. Das Team ist nämlich derzeit ständig dabei. Auch am Donnerstagabend beim wöchentlichen „cook & chill“im Jugendhaus Chillix neben der Kirche. Clara öffnet die Maisdosen, Darius rührt im Topf, Anne schneidet Brot, und aus der Box dröhnt Musik. Wie’s schmeckt? „Wie immer – gut.“Magdalena gibt sich gelassen, sie konzentriert sich aufs Schneiden von scharfen Paprikaschoten, nebenan sitzen 15 andere auf den Sofas und warten auf den Beginn einer Sitzung. „Wir haben gleich Leiterrunde“, sagt sie, „das Chilli gibt’s erst nach der Besprechung vom Jugendgottesdienst am Samstag.“Und der ist natürlich etwas Besonderes. Das Thema lautet „Aufbruch“. Es geht um Zelte aufschlagen und abbrechen und ums Aufbrechen in neue Lebenssituationen. Alle kirchlichen Jugendgruppen sind beteiligt, das Zeltlager-Team wird dabei sein, Musik gibt’s und hinterher ein Fest vor dem Gemeindehaus. 70 Jugendliche sind eingeladen.
Bevor es mit Planen losgeht, wird draußen noch ein Spiel gemacht. Mit einem großen blauen Band, das zeigen soll, was Halten bedeutet. Benjamin Sigg erklärt, wie es geht – „Lasst Euch fallen, Hände weg“. Die Kamera wird ignoriert, und alle machen mit – manche begeistert, andere weniger. Kàroly Koller jedenfalls ist vom gelebten Christentum in der katholischen Gemeinde bereits am ersten Drehtag schon angetan. „Eine tolle Jugendarbeit wird in St. Martin geleistet“, ist sich der Regisseur sicher, „hier gibt es wirklich eine Szene“.
Um die bereits starke Jugendarbeit in St. Martin noch weiter zu unterstützen, wird in Kürze für das kirchliche Mutmacher-Projekt ein Jugendreferent oder eine Jugendreferentin eingestellt der oder die zusammen mit dem Pastoralteam für die Begleitung der Jugendgruppen zuständig ist. „Ich freue mich auf Verstärkung im Team“, so Sigg, „und über dieses wertschätzende Zeichen der Kirche für eine aktive Jugendarbeit.“
Der SWR-Film „Wie Christen leben“wird vermutlich Anfang 2019 im Fernsehen gezeigt. Der Jugendgottesdienst mit dem Thema „Aufbruch“, bei dem auch das SWRTeam anwesend sein wird, ist am Samstagabend um 18.30 Uhr in St. Martin. Anschließend gibt es rund ums katholische Gemeindehaus ein Fest für alle Jugendlichen, Ehemaligen und Eltern.