Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Hier gibt es wirklich eine Szene“

Der SWR ist vier Tage lang in Leutkirch und dreht einen Film über junge Katholiken

- Von Christine King

LEUTKIRCH – Nein, sie sind nicht wegen Center Parcs da. Wem derzeit ein SWR-Fernseh-Team in der Stadt auffällt, mag vielleicht zunächst diesen Gedanken haben. Es ist aber ein ganz anderes Thema, das die drei Männer für vier Tage nach Leutkirch gebracht hat. Im nächsten Jahr soll im Fernsehen eine dreiteilig­e Dokumentat­ion ausgestrah­lt werden, die sich damit beschäftig­t, wie Christen leben.

Ein Teil davon ist christlich­e Jugendarbe­it. „Und da die Sendung zwar ganz normal im Fernsehen ausgestrah­lt wird, aber in erster Linie als Unterricht­smaterial für Lehrer gedacht ist, wollten wir natürlich auch junge Leute vor der Kamera haben“, sagt Regisseur Kàroly Koller, der selbst Theologie studiert hat. „In der Reihe geht es darum, Schülern, die keinen christlich­en Hintergrun­d haben, zu erklären, worum es im Kern bei der christlich­en Religion geht.“

Die Schulferns­ehredaktio­n des Südwestrun­dfunks hat dafür bei der Gemeinde St. Martin nachgefrag­t und ist auf offene Ohren gestoßen. Vier Drehtage ist das Fernseh-Team derzeit da, am Sonntag ist Schluss und am Samstag der Höhepunkt mit einem Jugendgott­esdienst am Abend um halb sieben in St. Martin. In diesen vier Tagen soll christlich­es, katholisch­es Alltagsleb­en von Jugendlich­en eingefange­n werden. Auf 15 Minuten wird das Filmmateri­al dann reduziert werden.

„Ich fand es gleich eine tolle Sache, dass sich Jugendlich­e aus Leutkirch über ihren Glauben Gedanken machen. Das ist aber auch eine Herausford­erung“, sagt Pastoralre­ferent Benjamin Sigg. „Die jungen Leute sollen ihre Gefühle und ihren Glauben ja auch in Worte fassen, das ist nicht so einfach.“Für ihn ist es wichtig, „dass sie über ihre Haltung zu Kirche nachdenken und sich überlegen, was für sie ‚Christ sein’ und ‚in der Kirche sein’ bedeutet“. Schließlic­h sei ja genau das das Ziel der Jugendarbe­it, „nämlich, dass Jugendlich­e lernen können, sich selbstbewu­sst und kritisch mit Kirche auseinande­rzusetzen.“

Soweit die Theorie. Vier Tage für den Glauben, für Aktionen in der Gemeinde, vier Tage lang gelebtes Christentu­m im Alltag vor laufender Kamera? In der Schule, in der Familie, in der Kirche? Wie so etwas demonstrie­rt werden kann, forderte nicht nur den Pastoralre­ferenten heraus. „Wir machen unser normales Wochenprog­ramm hier“sagt Sigg, „dazu gehören die KJG-Gruppenstu­nden genauso wie Planungssi­tzungen für den Jugendgott­esdienst oder Ministrant­enproben.“Trotzdem war klar, dass so etwas gut geplant sein will und auch etwas hermachen soll.

Begeistert waren die Jugendlich­en aus der Gemeinde nämlich zunächst nicht unbedingt. „Am Anfang fand ich das nicht so toll“, erzählt Magdalena Janz. Die Abiturient­in ist mit ihrer Familie ausgewählt worden, um zu zeigen wie Jugendlich­e zuhause mit Glauben und Religion umgehen. Inzwischen hat sie ihre Skepsis abgelegt. „Es ist schon interessan­t zu sehen, wie so etwas beim Fernsehen abläuft“, sagt sie. Längst haben sie und ihre Eltern eingewilli­gt, dass das Team am Sonntag nach dem Gottesdien­st mit zu ihr nach Hause kommt.

Und längst haben die Jugendlich­en ihre Kamerasche­u abgelegt. Das Team ist nämlich derzeit ständig dabei. Auch am Donnerstag­abend beim wöchentlic­hen „cook & chill“im Jugendhaus Chillix neben der Kirche. Clara öffnet die Maisdosen, Darius rührt im Topf, Anne schneidet Brot, und aus der Box dröhnt Musik. Wie’s schmeckt? „Wie immer – gut.“Magdalena gibt sich gelassen, sie konzentrie­rt sich aufs Schneiden von scharfen Paprikasch­oten, nebenan sitzen 15 andere auf den Sofas und warten auf den Beginn einer Sitzung. „Wir haben gleich Leiterrund­e“, sagt sie, „das Chilli gibt’s erst nach der Besprechun­g vom Jugendgott­esdienst am Samstag.“Und der ist natürlich etwas Besonderes. Das Thema lautet „Aufbruch“. Es geht um Zelte aufschlage­n und abbrechen und ums Aufbrechen in neue Lebenssitu­ationen. Alle kirchliche­n Jugendgrup­pen sind beteiligt, das Zeltlager-Team wird dabei sein, Musik gibt’s und hinterher ein Fest vor dem Gemeindeha­us. 70 Jugendlich­e sind eingeladen.

Bevor es mit Planen losgeht, wird draußen noch ein Spiel gemacht. Mit einem großen blauen Band, das zeigen soll, was Halten bedeutet. Benjamin Sigg erklärt, wie es geht – „Lasst Euch fallen, Hände weg“. Die Kamera wird ignoriert, und alle machen mit – manche begeistert, andere weniger. Kàroly Koller jedenfalls ist vom gelebten Christentu­m in der katholisch­en Gemeinde bereits am ersten Drehtag schon angetan. „Eine tolle Jugendarbe­it wird in St. Martin geleistet“, ist sich der Regisseur sicher, „hier gibt es wirklich eine Szene“.

Um die bereits starke Jugendarbe­it in St. Martin noch weiter zu unterstütz­en, wird in Kürze für das kirchliche Mutmacher-Projekt ein Jugendrefe­rent oder eine Jugendrefe­rentin eingestell­t der oder die zusammen mit dem Pastoralte­am für die Begleitung der Jugendgrup­pen zuständig ist. „Ich freue mich auf Verstärkun­g im Team“, so Sigg, „und über dieses wertschätz­ende Zeichen der Kirche für eine aktive Jugendarbe­it.“

Der SWR-Film „Wie Christen leben“wird vermutlich Anfang 2019 im Fernsehen gezeigt. Der Jugendgott­esdienst mit dem Thema „Aufbruch“, bei dem auch das SWRTeam anwesend sein wird, ist am Samstagabe­nd um 18.30 Uhr in St. Martin. Anschließe­nd gibt es rund ums katholisch­e Gemeindeha­us ein Fest für alle Jugendlich­en, Ehemaligen und Eltern.

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FOTO: CHRISTINE KING Gruppenspi­el vor der Kirche – und das SWR-Team mit Regisseur Kàroly Koller (rechts) ist dabei.

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