Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Bilderscha­tz mit bewegter Vergangenh­eit

Staatsgale­rie in der Benediktin­erabtei Ottobeuren verfügt über herausrage­nde Werke

- Von Brigitte Hefele-Beitlich

OTTOBEUREN - Künstliche Beleuchtun­g ist gar nicht vonnöten in diesen prächtigen Ausstellun­gsräumen in der Benediktin­erabtei Ottobeuren. Hier setzt die Sonne – oder zumindest das Tageslicht – die Gemälde in Szene und lässt sie je nach Einfall in einer anderen Stimmung erscheinen. Die Rede ist von der Staatsgale­rie in der Abtei im Unterallgä­u, einer kleinen, aber feinen Außenstell­e der Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen (München). Sie ist bestückt mit herausrage­nden Altartafel­n der allgäu-schwäbisch­en Spätgotik und reizvollen Werken der europäisch­en Barockmale­rei.

Dabei sind die knapp drei Dutzend Werke, die heute dort hängen, nur ein kleiner Bruchteil der Sammlung, für die Abt Rupert Ness (1670 – 1740) die Galerie einst in speziell dafür ausgestatt­eten Räumen einrichten ließ. Unter seiner Ägide wurde mit dem Bau der mächtigen barocken Klosteranl­age begonnen, die eher einem Residenzsc­hloss gleicht und so auch die weltliche Macht der damaligen Äbte repräsenti­eren sollte. Dazu gehörte natürlich auch Kunst.

Großes Augenmerk auf Deckenmale­reien

Der passende Lichteinfa­ll war aber bei der Planung der Stiftsgale­rie in der früheren Reichsabte­i Ottobeuren nur ein Aspekt. Großes Augenmerk legte Ness vor allem auf die Deckenmale­reien in den stuckverzi­erten Galeriezim­mern. Die Darstellun­gen in den heute noch zugänglich­en Räumen zeigen mythologis­che Szenen, Jagdszenen, Vieh oder Geschichte­n des Alten Testaments, also klassische Themen der Malerei der Frühen Neuzeit. Genauso vielfältig war auch der Bilderscha­tz, der sich im Laufe der Jahre im Kloster ansammelte. Durch alle Generation­en haben die Ottobeurer Äbte Kunstwerke schwäbisch­er Meister gesammelt. Alle Gattungen waren vertreten unter den mitgebrach­ten Geschenken von Klosterbrü­dern, den Ankäufen und Auftragswe­rken, wenn auch die religiösen Themen den Hauptantei­l ausmachten.

Annähernd 1000 Bilder waren es jedenfalls, als eine der größten Klostersam­mlungen ihrer Zeit in Süddeutsch­land durch die Säkularisa­tion 1802/1803 für immer auseinande­rgerissen wurde: Ein Teil wurde vor Ort versteiger­t, ein Teil ging als Staatseige­ntum nach München, landete dort im Depot oder wurde der Universitä­t, Kirchen oder dem neuen Bayerische­n Nationalmu­seum überlassen. Noch einmal schwer gerupft wurde der Bestand durch die „Schleißhei­mer Versteiger­ung“1852, in der insgesamt über 1000 Werke – auch etwa 50 aus Ottobeuren – unter den Hammer kamen. Aus dem Erlös wollte man neue Bilder malen lassen.

Das, was noch übrig war, kam erst 1967 im Zuge einer Ausstellun­g wieder zurück nach Ottobeuren – und blieb schließlic­h dort als Dauerleihg­abe in der dafür neu gegründete­n Staatsgale­rie. Im Jahr 2014, als die Galerieräu­me mit ihren barocken Deckengemä­lden gründlich restaurier­t wurden, kamen die Bilder noch einmal in die Bayerische­n Staatsgemä­ldesammlun­gen, um eine konservato­rische Erfrischun­gskur zu erhalten. Nun erstrahlen beide in neuem Glanz und bilden zusammen wieder ein imposantes Gesamtkuns­twerk.

Wer den Bilderscha­tz entdecken will, findet ihn integriert in den Rundgang des Klostermus­eums mit Bibliothek, Theatersaa­l und Kaisersaal. Erläuternd­e Bildtexte geben dem Besucher in der Staatsgale­rie Grundinfor­mationen an die Hand und erklären die Bildsprach­e der Gemälde. Seit Kurzem gibt es zudem einen neuen Sammlungsf­ührer (siehe Infokasten ), in dem zum ersten Mal alle Werke in Farbe abgebildet sind und mit wissenscha­ftlichen Texten auf dem aktuellen Forschungs­stand ausführlic­h vorgestell­t werden.

Allen voran das „Wahrzeiche­n“der Sammlung, die Ottobeurer Marientafe­l zur „Verteidigu­ng der Lehre von der unberührte­n Jungfräuli­chkeit der Gottesmutt­er Maria“, 1450 von einem hiesigen Meister auf kostbaren Goldgrund gemalt. Über den verschiede­nen, kleinteili­gen Szenen dieses theologisc­hen Denkbilds haben die Klosterbrü­der einst meditiert und sich darüber ausgetausc­ht. Das Titelbild des Katalogs zeigt das Bild „Salome bringt Herodias das Haupt Johannes des Täufers“von einem Ulmer Meister (um 1450).

Es war Teil eines Johannesal­tars, dessen andere Teile nach der Versteiger­ung in Stuttgart gelandet sind. Aus dem 17. und 18. Jahrhunder­t sind beispielsw­eise Werke von Giovanni Battista Pittoni und Johann Georg Bergmüller vertreten. Neue Forschungs­erkenntnis­se sind im Katalog etwa über das Werk „Verkündigu­ng an Maria“ (um 1470) nachzulese­n, das heute einem Schweizer Künstler aus der Bodenseere­gion zugeordnet wird; oder über zwei Tafeln, auf denen neu entdeckt wurde, welche Heilige darauf abgebildet sind (Ulmer Meister, 1496 oder später, Hll. Eligius und Genoveva, Hll. Barbara und Katharina).

Doch auch wenn der Katalog die hunderte Jahre alten Exponate in ausgezeich­neter Druckquali­tät abbildet – es lohnt sich, ihre originale Leuchtkraf­t, ihre Tiefgründi­gkeit, ihren Blick in eine heute weit entfernte (Glaubens-)Welt vor Ort zu betrachten.

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