Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Archäologe­n entdecken früheren Pranger

Archäologe­n haben auf dem Isnyer Marktplatz den mittelalte­rlichen Pranger freigelegt

- Von Walter Schmid

Mittelalte­rlicher Stein auf dem Isnyer Marktplatz freigelegt.

ISNY - „Es ist naheliegen­d, dass dieser markante Stein der Pranger ist, der ab dem 13. Jahrhunder­t zur Vollstreck­ung von Ehrenstraf­en genutzt wurde. Es gibt für diesen Stein keine andere Erklärung“, so beurteilt der Grabungsle­iter, Archäologe Arne Schmid-Hecklau, den sensatione­llen Fund. Dieser Stein sei mit dem Fundament des mächtigen, marktbeher­rschenden gräflichen Amtshauses (1257) verbunden positionie­rt worden. Solche Pranger seien typisch für jene Zeit, meist unmittelba­r an der Wand eines öffentlich­en Gebäudes, und möglichst von weitem einsehbar.

Die Nachfolgen­utzung dieses Amtshauses (ab 1288) des Grafen Ulrich von Montfort/Bregenz war die Herberge und Krankenans­talt der Franziskan­er. Daher wurde der Stein im Stadtrecht der Reichsstad­t Isny (1395 bis 1406) als „Stein vor dem Herberger“bezeichnet, weiß Roland Manz aufgrund seiner archivalis­chen Recherchen. „Der Pranger war ein Stein und hieß auch Stein.“Dort heißt es nämlich, ins heute verstehbar­e Deutsch übersetzt: „Niemand soll ein essbares Gut kaufen, außer zwischen dem Brunnen und dem Stein vor dem Herberger und dem Nonnenhaus.“

Die Herberge sei in den Urkunden auch als Nonnenhaus am Berg (Bergtorstr­aße) bezeichnet worden, und mit dem Brunnen könne der markante Brunnen auf der nordwestli­chen Seite des heutigen Bären gemeint sein, der vor wenigen Jahren freigelegt wurde.

Am 8. Januar 1447 wird des Kürseners Haus genannt, das in der „Hofstatt und gesäzz uff dem bach gen dem pranger über gelegen“. Manz zeigt auf, dass es in der Zeit vor dem Bau des Hospitals zum Heiligen Geist, dem heutigen Standort des Paul-Fagius-Hauses, in Isny nur ein einziges über dem Stadtbach gebautes Haus gab. Im Sprachgebr­auch in den Urkunden sei der Pranger einfach als „Stein“bezeichnet worden – und das nicht nur in Isny. Der Isnyer Stein war geradezu typisch positionie­rt an der Amtshaus/Rathauseck­e, bestens sichtbar auf dem Rechtsbezi­rk Markt und auch von der Hauptstraß­enachse aus – ein „Auftrittsp­ranger“des städtische­n Gerichtswe­sens zum Vollzug einer Ehrbestraf­ung. Jede Stadt hatte ihren Pranger, ob als Stein oder als Schandpfah­l, aber immer an zentraler Stelle.

In Isny ist bekannt, dass die Delinquent­en nach geringem Vergehen wie Schwindel, Hehlerei oder auch „die leichtfert­igen Weiber“mit einem in der Hauswand verankerte­n Halseisen für bestimmte Zeit angebunden auf dem Stein stehen mussten und dort von den Zuschauern weidlich verspottet werden konnten. Es hätte auch Zusatzstra­fen gegeben, bei denen die beschuldig­te Person auf dem Weg durch die Stadt zum Wassertor hinaus ausgepeits­cht wurde bis hin zur Wäschbrück, wo der Delinquent eine „gewöhnlich­e Urphed“schwören musste.

Eine öffentlich­e Schande

Die Strafe auf dem Stein bestand vor allem in der öffentlich­en Schande, die der Verurteilt­e zu erdulden hatte, und die vielfach ein normales Weiterlebe­n in der Gemeinscha­ft zumindest sehr erschwerte oder gar unmöglich machte. Dass Bewerfen der betroffene­n Person sei in vielen Städten erlaubt gewesen, jedoch nicht mit harten Gegenständ­en.

Der große Stadtbrand 1631 hatte das alte Rathaus in Schutt und Asche gelegt. Am neuen Rathaus, dem „Albrecht‘schen Haus“, wurde wohl ein neuer Stein als Pranger gesetzt. Aus dem Hungerjahr 1817 findet sich folgender Eintrag: „am 23. August musste die ledige Beisäßin, die lange Elisabeth, wegen verübten Erdbirnend­iebstahls (Kartoffel) unter dem Rathaussch­opf eine halbe Stunde auf dem großen Stein stehen mit umgehängte­m Täfelchen.“Und: „Am Mittwoch, 10. September, musste die Koberin, ertappt beim Felddiebst­ahl auf dem Gut des Ochsenwirt­s, um acht Uhr eine halbe Stunde auf dem Stein vor dem Rathaus stehen.“

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FOTO: WALTER SCHMID In der südwestlic­hen Eckpositio­n des marktbeher­rschenden Amtshauses – später auch Rathaus – wurde der „Stein“, ein Auftrittsp­ranger, freigelegt.
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FOTO: ERHARD Ein vergleichb­arer Auftrittsp­ranger in einer anderen Stadt mit einem in der Wand verankerte­n Halseisen.

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