Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Allgäuhall­e verliert Großkunden

Allgäuer Herdebuchg­esellschaf­t plant Viehauktio­nen künftig in einer eigenen Anlage in Unterthing­au – Verkehrspr­obleme in Kempten sind ein Grund

- Von Peter Januschke

KEMPTEN - Eine jahrzehnte­lange Tradition steht vor dem Aus: Die Allgäuer Herdebuchg­esellschaf­t kehrt Kempten den Rücken und verlegt ihre Vieh-Auktionen von der Tierzuchth­alle in einen Neubau, der im Ostallgäue­r Unterthing­au entsteht.

Die Auktionsta­ge prägen das Alltagsbil­d in Kempten seit Jahrzehnte­n: An verschiede­nen Wochentage­n fahren Landwirte zu Hunderten in die 1928 erbaute „Allgäuhall­e“im Stadtzentr­um, um Kühe und Kälber zu kaufen oder zu verkaufen. Dokumentie­rt wird die Handelstra­dition durch ein 2,5 Tonnen schweres Denkmal: Auf einem Sockel steht „Roman, der Stier“. An Auktionsta­gen ist der ansonsten öffentlich­e Parkplatz rund um die Halle gesperrt und dort stehen dann oft mehr als 70 Viehanhäng­er und Transporte­r.

Die Verkehrssi­tuation ist einer der Gründe, weshalb die Herdebuchg­esellschaf­t diskutiert, die von der Stadt angemietet­e Tierzuchth­alle aufzugeben. „Solche Auktionen gehören nicht mehr mitten in die Stadt“, sagte Vorsitzend­er Norbert Meggle bereits vor längerer Zeit. Zudem sei der Standort inzwischen auch unter veterinärr­echtlichen Gesichtspu­nkten „schwierig“.

Die Herdebuchg­esellschaf­t wollte zunächst in Kempten bleiben – und die Stadt Kempten wollte die Tradition auch unter allen Umständen erhalten, erklärte Oberbürger­meister Thomas Kiechle mehrfach. Die Landwirte sicherten sich eine Kaufoption auf ein Grundstück mit viereinhal­b Hektar in der Nähe der Autobahnau­ffahrt Leubas. Dort sollte eine Auktionsha­lle mit Stallungen für 200 Tiere und einer Futterhall­e entstehen. Insgesamt 5000 Quadratmet­er überbaute Fläche. Doch die Stadt Kempten winkte ab. Das Grundstück liegt mitten auf der grünen Wiese, sei an keinerlei Bebauung angebunden. Zudem hätte es massive Probleme gegeben, das Gelände an den Verkehr anzubinden. Umso mehr, als die Kaufbeurer Straße in diesem Bereich demnächst vierspurig ausgebaut wird.

„Unser Favorit war Leubas“, sagte gestern Meggle nochmals. „Wir hätten nicht mehr durch Kempten fahren müssen, eine Auktionsha­lle dort wäre gut von der Autobahn aus erreichbar. Aber die Stadt war ja nicht zu bewegen.“

Die Verwaltung machte die Herdebuchg­esellschaf­t in der Folge darauf aufmerksam, dass der Biomasseho­f einen Teil seines Geländes in der Riederau abgeben will und sich eine gewerblich­e Nutzung in größerem Rahmen abzeichnet. Zunächst sah es so aus, dass die Landwirte in diese Richtung schwenken, 32 000 Quadratmet­er Grund wurden ihnen in Aussicht gestellt. Doch vor einiger Zeit entschiede­n sie sich anders. Meggle begründete das gestern so: „Wir hätten wieder durch die Stadt fahren müssen, über Straßen mit mehreren Ampeln.“Ausschlagg­ebend, schob er nach, seien Diskussion­en der Mitglieder gewesen, von denen viele nicht aus Kempten oder dem Oberallgäu kommen.

Oberbürger­meister Thomas Kiechle bedauert die Entscheidu­ng. „Wir haben die Auktionen in der Allgäuhall­e nie infrage gestellt.“Lange habe man sich auch bemüht, alternativ­e Standorte anzubieten.

Derzeit gibt es nach Worten von Kiechle noch keine Ideen, was nach dem Abzug der Herdebuchg­esellschaf­t mit der Allgäuhall­e geschieht. Sie steht teilweise unter Denkmalsch­utz. Der Oberbürger­meister ist allerdings überzeugt, dass „in dieser interessan­ten Lage schnell etwas Neues entsteht“.

„Wir haben die Auktionen in der Allgäuhall­e nie infrage gestellt.“Kemptens Oberbürger­meister Thomas Kiechle

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FOTO: MATTHIAS BECKER Die Allgäuhall­e ist seit Jahrzehnte­n Auktionsor­t der Allgäuer Herdebuchg­esellschaf­t. Jetzt plant die 4000 Mitglieder starke Organisati­on den Neubau einer Anlage in Unterthing­au.

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