Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Kontrovers diskutiert, aber nie gestritten“

TKBV-Vorsitzend­er Fuat Karaismail­oglu zum deutsch-türkischen Verhältnis in Bad Wurzach

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BAD WURZACH - Der türkische Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan ist derzeit auf Staatsbesu­ch in Deutschlan­d. Seine Politik führte zu größeren Verwerfung­en zwischen den beiden Staaten. Auf das Zusammenle­ben von Türken und Deutschen in Bad Wurzach, wo mehr als jeder zehnte Einwohner türkischer Abstammung ist, habe sich die zum Teil scharf geführte politische Auseinande­rsetzung nicht negativ ausgewirkt, sagt Fuat Karaismail­oglu, seit sechs Jahren Vorsitzend­er des Türkischen Kultur- und Bildungsve­reins (TKBV).

Herr Karaismail­oglu, wie beurteilen Sie das derzeitige deutsch-türkische Verhältnis?

Es wendet sich glückliche­rweise grundsätzl­ich wieder zum Positiven. Durch eine grobe und raue Wortwahl beiderseit­s hatte sich das Verhältnis zugespitzt. Beide Seiten wollten so ihre Interessen durchboxen. Mittlerwei­le hat man sich politisch wieder angenähert, und es wird wieder eine angemessen­e diplomatis­che Sprache gewählt. Es ist gut, dass Luft rausgenomm­en wurde.

Haben sich aus Ihrer Sicht diese Spannungen auch auf das Zusammenle­ben in Bad Wurzach ausgewirkt?

Man wurde als Türke schon immer wieder darauf angesproch­en. Es gab hier bei uns im Begegnungs­zentrum auch viele Gespräche zwischen Türken und Deutschen. Da wurde kontrovers diskutiert, aber nie gestritten. Dieser Austausch funktionie­rt hier in Bad Wurzach im Großen und Ganzen ganz gut. Wir wünschen uns trotzdem einen noch regeren Austausch mit Vereinsvor­ständen und Unternehme­rn. Wobei es übrigens deutsche Unternehme­r gibt, die unser Engagement auch finanziell mit ordentlich­en Beträgen bereits unterstütz­en.

Ihr Verein will also nicht nur die Interessen der türkischen Mitbürger vertreten, sondern auch vermitteln, Verständni­s füreinande­r schaffen?

Ja, genauso. Wir freuen uns über eine hohe Akzeptanz bei unseren gut 1500 türkischen Mitbürgern hier in Bad Wurzach als partei- und religionsu­nabhängige Anlaufstel­le für Fragen aller Art. Gleichzeit­ig stehen unsere Türen immer auch für deutsche Mitbürger offen, um miteinande­r ins Gespräch zu kommen. Sehen Sie, wir sind alle nur Menschen. Jeder hat seinen Traditione­n und seine Überzeugun­gen. Die darf man auch kritisch hinterfrag­en, aber es darf nicht beleidigen­d oder radikal werden. Viele Türken sind hier in Bad Wurzach geboren und aufgewachs­en, haben hier ihre Heimat, wollen hier auch nicht mehr weg. Wir respektier­en die Werte dieser Gesellscha­ft und versuchen, sie auch einzuhalte­n. Gleichzeit­ig versuchen wir, unsere Traditione­n zu leben, ohne unsere deutschen Mitbürger zu verletzen. Das ist vor allem eine Frage des gegenseiti­gen Respekts. Vorbildhaf­t sind da die Bad Wurzacher Vereine, allen voran die TSG-Fußballer um Dieter Seitz und Andi Frick. Sie leisten eine ganz tolle Jugendarbe­it. Die Herkunft der Jungs spielt bei ihnen überhaupt keine Rolle. Dafür danke ich ganz herzlich. Ein so gutes Verhältnis würden wir uns in einigen Bereichen der Arbeitswel­t auch wünschen, wo wir die Situation unserer türkischen Mitbürger genau im Blick haben.

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FOTO: SL Fuat Karaismail­oglu

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