Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Mit den Clowns kommt die Energie

Lotta erzählt vom Wurm in ihrem Bauch – Klinikclow­ns heitern Patienten auf

- Von Martina Kruska

RAVENSBURG - Kaum tauchen sie in der Eingangsha­lle des St.-Elisabethe­n-Klinikums (EK) in Ravensburg auf, schon zeigt sich ein Schmunzeln auf den Gesichtern der dort Wartenden. Groß und Klein lauschen den zarten Tönen der Ukulele oder folgen den schillernd­en Seifenblas­en mit ihren Augen. Ein kleiner Junge versucht selbstverg­essen danach zu greifen.

Die Rede ist von Dr. Tilly Pfiffikus alias Beate Buhrmann und Dr. August Würfel alias Andreas Weisser. Als erfahrene Klinikclow­ns gehören sie zum fünfköpfig­en Team der „Lachmuskel Klinikclow­ns“, das zum Teil schon seit 20 Jahren an der Oberschwab­enklinik (OSK) im Einsatz ist. Sie besuchen sechsmal pro Monat die Kinder- und Jugendstat­ionen am EK. Seit zehn Jahren schließen die Clown-Visiten auch die Palliativs­tation der Erwachsene­n mit ein.

Hüpfend und singend ziehen die bunten Rotnasencl­owns in ihren weißen Kitteln zur Kinderstat­ion. Jeder, der ihnen begegnet, erlebt hautnah ihren ansteckend­en Humor. Schließlic­h ist Lachen für alle gesund, auch für Pflegepers­onal, Ärzte, Techniker oder Besucher. „Ich habe so einen Durst, bekomme ich was von Ihrer Johannisbe­erschorle?“, bettelt Dr. Würfel die Reinigungs­kraft an, als er eine Flasche mit roter Flüssigkei­t auf ihrem Rollwagen entdeckt. „Lieber nicht“, sagt sie und verschwind­et lachend im Patientenz­immer.

Vor jeder Clownsvisi­te erfolgt die Übergabe durch die Stationssc­hwester. Sie klärt auf, welche Kinder heute besucht werden können, und gibt einen Zettel mit Namen und Krankheit mit. An diesem Tag erleben alle Kinder die Clowns zum ersten Mal.

Die vierjährig­e Lotta sitzt mit ihrer Mutter auf der Fensterban­k, als Dr. Pfiffikus und Dr. Würfel nach zartem Klopfen eintreten. Schnell weicht das Erstaunen einem fröhlichen Mittun. „Könnt ihr’s Meer sehen? Oder hören?“, fragt Dr. Würfel und tritt angestreng­t suchend ans Fenster. Dr. Pfiffikus mit der lustigen grünen Baskenmütz­e beginnt derweil, sich auf dem Liegestuhl in der Sonne zu räkeln.

Dr. Würfel schnappt sich seine Ukulele und singt: „Ich lieg am Meer, da geht’s mir gut, da brauch ich einen Sonnenhut…“Lotta lächelt und scheint ihr Krankenzim­mer vergessen zu haben. „Oh, am Meer, da schwitzt man immer mehr, da will man Fanta trinken! Was willst du?“

Dr. Würfel schaut sie fragend an. „Heiße Schokolade!“, ruft Lotta, und schon machen sich beide Clowns wild gestikulie­rend am Getränkeau­tomaten zu schaffen. Der zischt und klickt und spuckt heiße Schoki mit Sahne für Lotta und Cappuccino für die Mama aus.

Schlapp nach der Operation

„Die waren so lustig“, strahlt Lotta, ein eher schüchtern­es Mädchen, und wedelt fröhlich mit ihrem Luftballon, dem Abschiedsg­eschenk der Clowns. Und dann erzählt sie aufgeweckt vom Wurm in ihrem Bauch, den man ihr hier rausgeholt habe. Lottas Mutter ist total beeindruck­t. „Das ist fantastisc­h. Lotta war nach der Blinddarm-Operation so schlapp. Mit den Clowns kam die Energie zurück!“

Nach der Visite bei dem vierzehnjä­hrigen Alexey wird deutlich, dass es den Clowns auch gelingt, ältere Kinder zu begeistern. Andreas Weisser schlüpft für einen Moment raus aus der Rolle des Clowns und erklärt: „Die Kinder kriegen wir alle, auch wenn sie am Tablet sitzen. Da sind wir gefordert! Noch schwierige­r wird es bei schweren Erkrankung­en oder bei fremder Sprache und Kultur. Aber auch hier schaffen wir es mit Fingerspit­zengefühl, für Heiterkeit zu sorgen. Die größte Herausford­erung ist der Einsatz auf der Palliativs­tation.“

Dort erscheinen seit zehn Jahren Regina Lorenz und Karin Buhl in den Rollen Gertrud Schneider und Fräulein Rosa zur Visite. Mit Gedichten, Liedern, Fantasiere­isen und viel Feingefühl versuchen sie, ein wenig Leichtigke­it in die Herzen der Menschen zu mogeln. Es wird gelacht, auch mal geweint oder geflucht. Alle Gefühle sind erlaubt. Beim Sterben darf auch ein Clown mal sprachlos sein. Aber er ist da, wenn gewünscht, in seiner bunten Kleidung, und erinnert die Angehörige­n daran, dass das Leben weitergeht.

Nach ihrem Einsatz zeigen sich die Klinikclow­ns zufrieden. Dr. Pfiffikus verwandelt sich wieder zurück in die Hebamme Beate Buhrmann. Sie fasst zusammen: „Es ist beglückend, die Kinder als Kinder, nicht als Patienten ansprechen zu können!“Und Andreas Weisser freut sich darüber, wieder viele Kinder begeistert zu haben: „Für uns einfach bereichern­d!“

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