Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Baum mit Charakter und Perspektive gesucht
Bei der Wahl des Hausbaums, der ein Grundstück über Jahrzehnte prägt, sollte der Klimawandel mitbedacht werden
Ein Hausbaum ist ein Blickfang, der über Jahrzehnte und Generationen das Bild eines Grundstücks prägen soll. „Ein Solitär, der einzeln steht und wirkt“, sagt Oliver Fink, Vorsitzender des Verbands der Gartenbaumschulen in Haan (NRW). Doch welcher heute gepflanzte Hausbaum trotzt in 50 Jahren noch den klimatischen Veränderungen?
„Wir müssen davon ausgehen, dass die Durchschnittstemperatur je nach Region um zwei bis vier Grad steigen wird“, sagt Volker Meng vom Forstbotanischen Garten und dem Pflanzengeographischen Arboretum der Universität Göttingen. Es drohen mehr sehr heiße Tage und längere Trockenphasen, außerdem neue Krankheiten und Schädlinge.
Frage beschäftigt Kommunen
Kommunen und Baumschulen beschäftigen sich intensiv mit der Frage, welche Bäume sie noch pflanzen sollen. Platane, Sommer-Linde oder Bergahorn sind Beispiele für Bäume, die bei langen Trockenperioden Stress bekommen können. Sie werden als Stadtbaum je nach Standort nicht mehr gerne verwendet, sagt Bärbel Faschingbauer, Fachbuchautorin und Expertin für Landespflege aus Sulzfeld am Main.
Auch Hausbäume müssten vor dem Hintergrund des Klimawandels neu betrachtet werden, sagt Meng. Strahlungshitze aushalten und robust gegenüber Trockenheit sein: Das sind Attribute, die Bäume zukunftsträchtig machen. Es gibt einige heimische Arten, die aus seiner Sicht eine gute Perspektive haben, darunter der Feldahorn (Acer campestre), die Hainbuche (Carpinus betulus) oder hochstämmige Sorten von Birne und Kirsche.
Von der früher nur in Weinanbauregionen heimischen Esskastanie (Castanea sativa) gebe es viele empfehlenswerte Kultursorten, sagt Meng. Der Baum des Jahres 2018 gedeiht inzwischen deutschlandweit.
Auch die Walnuss (Juglans regia) sei ein zukunftsfähiger Baum. „Mit höheren Temperaturen kommt sie sehr gut zurecht“, sagt Meng. Im Nordosten des Landes würde er aber zu einer sehr spät austreibenden Sorte raten. Dort sei häufiger mit Spätfrost im Frühjahr zu rechnen.
Sehr tolerant gegenüber Hitze und Trockenheit sei die Mispel (Mespilus germanica), ergänzt Bärbel Faschingbauer. „Ein alteingesessener Baum, der gerade eine Renaissance erlebt.“
Als in jeder Hinsicht unglaublich resistent habe sich der ursprünglich aus China stammende Ginkgo (Ginkgo biloba) erwiesen, sagt Meng. Der aus Nordamerika stammende Lederhülsenbaum (Gleditsia triacanthos) kommt ebenfalls sehr gut mit Trockenheit und Hitze klar, habe eine schöne Herbstfärbung und „wunderbar lichtes Laub“. Ein Tipp für kleine Gärten sei die Kornelkirsche (Cornus mas), welche sich als Kleinbaum ziehen lässt und mit schönem Fruchtschmuck überzeugt.
Regionale Empfehlungen
Baumschulen listen zum Teil schon spezielle Klimabäume. Das seien mitunter regionale Empfehlungen, sagt Meng, weil auch innerhalb von Deutschland klimatische Unterschiede zu beachten sind. „Eine Sorte, die im eher kontinental geprägten Osten hervorragend ist, kann im atlantisch geprägten Westen versagen.“
Im Zusammenspiel mit dem globalen Handel bringt der Klimawandel neue Krankheiten und Schädlinge nach Deutschland, die sich auch langfristig halten. „Bei Pilzen und tierischen Schädlingen werden wir Zuwanderer bekommen“, sagt Meng. Die Rosskastanienminiermotte ist ein Beispiel. Der eigentlich vom Balkan stammende Kleinschmetterling kam über Österreich nach Deutschland, und breitete sich zunächst entlang der Autobahnen von Süden nach Norden aus, erklärt der Experte. Die Blätter befallener Bäume würden braun und fallen früher ab.
„Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass einige von unseren heimischen Arten Probleme bekommen werden“, sagt Meng. Man werde künftig für den städtischen Bereich nicht um neue, aus wärmeren und trockeneren Klimabereichen stammende Arten herumkommen.
Im privaten Bereich sieht Fink die Lage nicht so kritisch: „Einen Hausbaum, der als Einzelbaum in eine vernünftige Umgebung im Garten kommt, sehe ich entspannter. Da kann man es flexibler halten als bei einem Straßenbaum, der viel mehr Stress aushalten muss.“
Das wichtigste Kriterium, damit ein Hausbaum gut gedeiht und lange steht, bleibt der Standort im Garten. Ist der Boden sauer oder alkalisch, feucht oder trocken, sandig oder lehmig? Liegt der Standort sonnig oder schattig? Wird der Baum dort starken Winden ausgesetzt sein, oder steht er geschützt?
Problem in Neubaugebieten
Dichte Böden, in denen sich Staunässe bilden kann, sind in Neubaugebieten ein großes Problem, sagt Fink. Soll der Baum an einem Weg oder vor einer Terrasse stehen, ist seine Wurzelentwicklung zu beachten. Bäume, die flach wurzeln, kommen mit Bedeckungen nicht immer zurecht, und heben diese unter Umständen an.
Krankheiten können ein regionales Phänomen sein: Wegen des Birnengitterrost-Pilzes würde Fink zum Beispiel im Kölner Raum, wo er eine Baumschule führt, keine Birnen pflanzen. In anderen Regionen sei dieser Pilz dagegen kein Problem.
Wie viel Platz kann und will man dem Baum einräumen? Wer sich hier verschätzt, ist nach zehn Jahren nur noch mit dem Stutzen des Baumes beschäftigt. Das ist weder für den Baum noch für den Hausbesitzer und Hobbygärtner gut, und endet häufig damit, dass der Baum gefällt wird. „Große Bäume passen nur in große Gärten“, sagt Faschingbauer.
Weil Grundstücke gerade in Ballungsgebieten immer kleiner werden, nimmt die Auswahl an kleinkronigen Bäumen zu, sagt Fink. Die Arten und Sorten sind Meng zufolge nicht weniger widerstandsfähig als die größeren. Der Umgang mit Trockenstress etwa sei nicht größenabhängig, sondern bedingt von Herkunft und Genetik. Das heißt: Auch ein kleiner Hausbaum kann ein standfester Solitär sein. (dpa)