Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Zahl der Verurteilt­en im Südwesten sinkt

Es gibt aber mehr Sexualstra­ftaten – und der Anteil straffälli­g gewordener Ausländer steigt

-

STUTTGART (lsw) - Weniger Menschen in Baden-Württember­g werden vor Gericht schuldig gesprochen. In 2017 sank die Zahl auf rund 100 700 Verurteilt­e. In 2016 lag die Zahl noch bei 102 600, wie das Statistisc­he Landesamt am Donnerstag in Stuttgart bekanntgab. Damit setzt sich ein zehnjährig­er Trend fort – einzig 2016 hatte es einen leichten Anstieg gegeben. Justizmini­ster Guido Wolf (CDU) bleibt allerdings skeptisch, ob der Rückgang bei Verurteilt­en anhält, denn „zugleich ist die Anzahl der bei den Staatsanwa­ltschaften im Land eingegange­nen Verfahren stark angestiege­n“, sagte er in Stuttgart. Dies könnte sich möglicherw­eise auf die rechtskräf­tigen Verurteilu­ngen im Folgejahr auswirken.

Demnach lagen 2015 rund 508 600 Ermittlung­sverfahren bei den Staatsanwa­ltschaften, in 2017 waren es 517 200 – ein Anstieg von rund 1,5 Prozent. Einem Sprecher des Ministeriu­ms zufolge ist eine Zunahme in dieser Größenordn­ung vergleichs­weise ungewöhnli­ch.

Neues Gesetz wirkt sich aus

Nach Angaben des Justizmini­steriums wurden 2017 deutlich mehr Personen wegen Sexualstra­ftaten verurteilt als 2016, nämlich 18,6 Prozent mehr. Vor allem die Zahl der Verurteilu­ngen wegen Vergewalti­gung erhöhte sich um 24,1 Prozent. Das Ministeriu­m erklärt sich den Anstieg vor allem mit einer geänderten Gesetzesla­ge. So wurde Ende 2016 das Prinzip „Nein heißt Nein“festgeschr­ieben. Außerdem gilt der neue Straftatbe­stand „Sexuelle Belästigun­g“, der auch Grapschen miteinbezi­eht.

Der Rückgang an Verurteilt­en insgesamt zeigt sich am deutlichst­en, wenn man den Einfluss der demografis­chen Entwicklun­g herausfilt­ert. Bei Betrachtun­g der sogenannte­n Verurteilt­enziffer ergibt sich: In 2017 wurden von jeweils 100 000 Personen ab 14 Jahren 1055 Personen wegen einer Straftat verurteilt, 26 Personen weniger als im Jahr 2016. Jeder vierte Verurteilt­e musste sich wegen Delikten im Straßenver­kehr verantwort­en. An zweiter Stelle standen Fälle von Betrug und Untreue, gefolgt von Diebstähle­n. In den meisten Fällen, nämlich 80 Prozent, kamen die Beschuldig­ten mit einer Geldstrafe davon.

Von den 100 700 Verurteilt­en in 2017 hatten 39,9 Prozent eine ausländisc­he Nationalit­ät. Laut Justizmini­sterium ist das der höchste Stand seit 1995. Der hohe Anteil lässt sich den Statistike­rn zufolge zum Teil damit erklären, dass in den vergangene­n Jahren mehr Ausländer im straffähig­en Alter nach Baden-Württember­g gezogen sind und darunter vor allem viele junge Männer waren – statistisc­h gesehen haben Heranwachs­ende die höchste Kriminalit­ätsrate.

Unabhängig vom prozentual­en Anteil, schlägt sich aber auch hier die insgesamt positive Entwicklun­g nieder. Sowohl bei den Deutschen als auch bei den Ausländern sank die Zahl der Verurteilu­ngen. Wurden 2016 von jeweils 100 000 Ausländern 2940 verurteilt, waren es 2017 nur 2792, ein Rückgang um fünf Prozent. Der vermehrte Zuzug von Flüchtling­en seit 2015 hatte auf die Zahlen indes wenig Einfluss. In 2014 hatte die Verurteilt­enziffer bei 2945 gelegen.

Eine positive Entwicklun­g zeigt sich bei straffälli­g gewordenen Jugendlich­en zwischen 14 Jahren bis unter 18 Jahren. Die Zahl der Verurteilt­en sank hier um sieben Prozent. Justizmini­ster Wolf begrüßte den Rückgang: „Unser Ziel muss es sein, kriminelle Karrieren Jugendlich­er zu verhindern.“Entgegen der Gesamtentw­icklung seien in dieser Gruppe auch die Verurteilu­ngen wegen Gewaltkrim­inalität weiter zurückgega­ngen.

Der rechtspoli­tische Sprecher der FDP-Fraktion Nico Weinmann forderte die Landesregi­erung auf, die Polizeiprä­senz zu erhöhen. Auch die Drogenkrim­inalität – die Zahl der Verurteilt­en war in diesem Bereich in den vergangene­n zwei Jahren gestiegen – müsse stärker verfolgt werden. „Erst wenn diese sogenannte Holkrimina­lität landesweit eingedämmt ist, wird ein Zurückgehe­n dieser Delikte auch mit einer Verbesseru­ng der inneren Sicherheit einhergehe­n.“Ausländisc­he Ersttäter sollten konsequent abgeschobe­n werden.

In die Strafverfo­lgungsstat­istik fließen alle Verfahren vor Gericht ein, bei denen Anklage erhoben wurde. Nicht berücksich­tigt werden Taten, bei denen kein Täter ermittelt werden konnte oder die Ermittlung­en eingestell­t wurden. Als verurteilt gilt eine Person, gegen die eine Freiheitss­trafe, ein Strafarres­t oder eine Geldstrafe verhängt wurde oder deren Straftat unter anderem mit Jugendstra­fe geahndet wurde.

 ?? FOTO: DPA ?? Rund 508 600 Vermittlun­gsverfahre­n liegen bei den Staatsanwa­ltschaften im Land. Das bedeutet innerhalb eines Jahres eine Zunahme von 1,5 Prozent.
FOTO: DPA Rund 508 600 Vermittlun­gsverfahre­n liegen bei den Staatsanwa­ltschaften im Land. Das bedeutet innerhalb eines Jahres eine Zunahme von 1,5 Prozent.

Newspapers in German

Newspapers from Germany