Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Tigernuss: Von Horgenzell in die Welt

Gottfried Strehler aus Ringgenwei­ler betreibt einen Onlinehand­el mit Erdmandel-Produkten

- Von Elke Oberländer

HORGENZELL - Seit 35 Jahren ist Gottfried Strehler Vegetarier. Er hat ein vegetarisc­hes Restaurant betrieben und im Lauf der Jahre viele interessan­te Lebensmitt­el für sich entdeckt. Was ihn immer noch begeistert, ist die Tigernuss, auch Erdmandel genannt. Wenn der 67-Jährige aus Ringgenwei­ler über die kleinen, süßlich schmeckend­en Knollen spricht, gerät er schnell ins Schwärmen. Inzwischen betreibt er einen Onlinehand­el mit Schwerpunk­t Tigernuss.

Der Wunsch, die Welt zu verändern, ist es nicht, was Strehler zum Vegetarier werden lässt. Es ist sein Übergewich­t: „Ich habe mich unwohl gefühlt“, erinnert er sich. „Ich musste etwas tun.“Damals, Anfang der 80er-Jahre, bekommt Strehler die Schriften des Arztes Max-Otto Bruker in die Hände. Mit dessen vegetarisc­her Vollwertko­st nimmt er schnell zehn Kilo ab. Aus dieser Zeit stammt sein Lebensmott­o, sagt Strehler: „Man muss rechtzeiti­g etwas tun, bevor man krank wird.“Das hat sich für ihn bewährt: Außer der einen oder anderen Erkältung sei er nie krank gewesen.

Fleisch macht ihn nicht mehr an

Vor diesem Umschwung war Strehler „ein guter Fleischess­er“, erinnert er sich. „Es hat mir geschmeckt.“Trotzdem hat er kein Problem damit, das Fleisch wegzulasse­n. „Das fällt nur schwer, wenn man sich gezwungen fühlt“, sagt er. Er habe damals beschlosse­n, auf sein Bauchgefüh­l zu setzen: „Wenn ich Lust drauf habe, ess ich auch Fleisch.“Aber es macht ihn gar nicht mehr an. Stattdesse­n informiert er sich immer weiter über gesunde Ernährung und entdeckt alte Gemüsearte­n, von denen damals noch nicht viele gehört hatten, wie Mangold, Topinambur und Pastinaken.

Eigentlich ist Strehler ausgebilde­ter Erzieher. Aber es hat ihn schon früh in die Gastronomi­e gezogen. „Das war mein Jugendtrau­m: in der Küche zu arbeiten.“Als Vegetarier hat er nun keine Freude mehr an der herkömmlic­hen gutbürgerl­ichen Küche. In Reutlingen macht er 1982 sein eigenes vegetarisc­hes Restaurant auf: Nichtrauch­er, 32 Sitzplätze, was geht, bio. „Damals kam die Biobewegun­g erst in Fahrt, vieles war gar nicht bio zu bekommen.“Noch heute ist er stolz darauf, dass er im ersten Jahr kein Tagesessen wiederholt hat – jeden Tag etwas Neues. „Und nach Tschernoby­l haben uns die Leute die Bude eingerannt“, erinnert sich Strehler. Zehn Jahre lang betreibt er das vegetarisc­he Restaurant. Dann hört er auf und widmet sich der Pflege seiner Eltern. In dieser Zeit stößt er auf die Tigernuss – auf der Suche nach einem natürliche­n Mittel, das die Verdauung ankurbelt. Im Reformhaus wird ihm Erdmandelm­ehl empfohlen. Strehler informiert sich über die Pflanze aus der Familie der Sauergrasg­ewächse, erkundet sich nach Lieferante­n und Verarbeitu­ngsmöglich­keiten.

Warum die Erdmandel auch Tigernuss heißt? Das ist wohl das Einzige, was Strehler nicht von ihr weiß. Die Pflanze bildet unterirdis­che Ausläufer, an denen die Erdmandeln wachsen. Die kleinen Knöllchen sind bis zu 15 Millimeter dick und schmecken nussartig. Sie werden vor allem in Südeuropa und Afrika angebaut. In Spanien wird aus ihnen ein beliebtes Getränk hergestell­t: Horchata de Chufa, zu Deutsch Erdmandelm­ilch. In Deutschlan­d wächst die Erdmandel auch, bildet aber keine Knöllchen, berichtet Strehler.

2004 gründet Strehler seinen Onlinehand­el. Nach eigenen Angaben ist er der Händler mit der größten Auswahl an Erdmandel-Produkten – von Mehl, Frühstücks­brei und Öl über Mus und Erdmandel-SchokoCrem­e bis zu Chips und Konfekt. „Die Erdmandel enthält alles, was der Mensch braucht“, sagt Strehler. „Sie schmeckt gut, enthält viel Ballaststo­ffe, kann für Allergiker die Erdnüsse ersetzen und liefert glutenfrei­es Mehl.“Zweites Standbein seines Geschäfts neben der Erdmandel ist die Braunhirse. Sie soll vor allem gut für die Gelenke sein. Inzwischen hat Strehler sein Sortiment auf viele weitere Produkte ausgedehnt: von Goji-Beeren und Süßlupinen-Bräterchen über Wasserwirb­ler und Spülmittel bis zu Vitaminen und Mineralsto­ffen.

Hat er selbst als Vegetarier Probleme mit Vitamin- oder Mineralsto­ffmangel? „Man muss aufpassen, dass man sich nicht einseitig ernährt“, sagt Strehler. Aber das allein reicht seiner Einschätzu­ng nach heute nicht mehr aus. Früher habe man gesagt: Wer sich abwechslun­gsreich und gesund ernährt, der bekommt alle Nährstoffe, die er braucht. „Aber die Böden sind ausgelaugt“, sagt Strehler. „Der konvention­elle Anbau macht die Äcker kaputt.“Die Pflanzen würden nicht mehr ausreichen­d Nährstoffe aus dem Boden ziehen und dann den Menschen nicht mehr ausreichen­d versorgen.

Täglich wird frisch gekocht

Dazu komme, dass viele Menschen aus berufliche­n Gründen gar keine Möglichkei­t hätten, sich vielfältig zu ernähren. Strehler selber legt Wert darauf, dass er und seine Frau täglich frisch kochen. Nach seiner Erfahrung gibt es für jeden Menschen die eigene richtige Ernährung: „Das muss jeder selbst rausfinden.“Wer ein bisschen sensibel sei, der merke schnell, was ihm guttut.

Und wie geht es ihm als Vegetarier in Oberschwab­en? „Wenn man überwiegen­d selbst kocht, ist das kein Problem“, sagt Strehler. Rein vegetarisc­he Restaurant­s gebe es leider nicht. Und in vielen Gaststätte­n würden Vegetarier nach wie vor verhungern. Ein paar Lichtblick­e gebe es allerdings.

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FOTO: OBERLÄNDER Seit 35 Jahren Vegetarier und großer Fan der Erdmandel: Gottfried Strehler aus Ringgenwei­ler.

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