Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Rote Zahlen nach dem Studium

Wie der Weg aus der Schuldenfa­lle gelingen kann

- Von Sabine Meuter

DÜSSELDORF/KÖLN (dpa) - Endlich fertig mit dem Studium, aber der Blick auf die eigene Finanzlage ist ernüchtern­d: Schulden, nichts als Schulden. Das ist mitunter bei Jungakadem­ikern der Fall, die ihre Zeit an der (Fach-)Hochschule mit BAföG, das zur Hälfte zurückgeza­hlt werden muss, oder mit einem Studienkre­dit finanziert haben. Wird dann noch in einer solchen Phase eine Familie gegründet oder ein Darlehen aufgenomme­n, dann kann es für den Verschulde­ten finanziell eng werden. Doch welche Wege gibt es, damit Betroffene nicht in eine Schuldenfa­lle tappen? Das Beruhigend­e: Jungakadem­iker haben Zeit.

Haben sie BAföG bezogen, dann müssen sie mit der Rückzahlun­g erst fünf Jahre nach Ende der Regelstudi­enzeit beginnen. Das Darlehen kann innerhalb von bis zu 20 Jahren in Mindestrat­en, die bei 105 Euro pro Monat liegen, zurückgeza­hlt werden. Wer weniger als 1070 Euro im Monat verdient, kann die Rückzahlun­g aussetzen. Wer das Studium nach März 2001 begonnen hat, muss höchstens 10 000 Euro zurückzahl­en. Auch bei einem Studienkre­dit werden die Jungakadem­iker nicht gleich zur Kasse gebeten. „Die meisten Anbieter gewähren den Darlehensn­ehmern eine Verschnauf­pause von ein bis zwei Jahren nach dem Examen“, sagt Ulrich Müller vom Centrum für Hochschule­ntwicklung in Gütersloh.

Aber in manchen Fällen hilft auch das nicht. Immer mehr Schulden häufen sich an. Der Dispokredi­t ist dauerhaft ausgeschöp­ft, Mahnungen flattern ins Haus. Damit die Finanzprob­leme Betroffene­n nicht über den Kopf wachsen, sollten sie früh profession­elle Hilfe nutzen. Das kann eine gemeinnütz­ige Schuldnerb­eratung sein oder ein auf Schuldnerb­eratung spezialisi­erter Rechtsanwa­lt. Von einem neuen Kredit zur Bedienung des alten Kredits, bei dem der Anbieter auf eine Auskunft bei der Schufa verzichtet, sollten Verschulde­te die Finger lassen. „Denn sie sind häufig keine Hilfe, sondern der Einstieg in die Überschuld­ung“, so Marcus Köster, Jurist im Fachbereic­h Kredit und Entschuldu­ng bei der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen.

Ist der Kredit geplatzt und die Forderung tituliert, kann es passieren, dass ein Pfändungsb­escheid zugestellt wird. Den Betroffene­n stehen hierbei gesetzlich­e Freibeträg­e zu, damit sie weiterhin ihren Lebensunte­rhalt bestreiten können. Dafür muss das Girokonto des Schuldners in ein Pfändungss­chutzkonto (kurz: P-Konto) umgewandel­t werden. „Das kann der Verbrauche­r bei seiner Bank beantragen“, erklärt Köster. Bei einem P-Konto bleibt ein monatliche­r Grundfreib­etrag von 1133,80 Euro vor einem Zugriff unangetast­et. Wer eine Familie zu versorgen hat, erhält weitere Freibeträg­e.

Ein Experte von der Schuldnerb­eratung oder ein Anwalt können nun Wege aus der Schuldensp­irale freimachen. Die Vorgehensw­eise ist so: „Zunächst listet ein Berater gemeinsam mit dem Verbrauche­r auf, welche Schulden vorhanden sind und wie viel an Einkommen zur Verfügung steht“, erläutert Andre Kraus. Der Kölner Fachanwalt für Insolvenzr­echt von der Kraus Ghendler Anwaltskan­zlei ist unter anderem auf Schuldnerb­eratung spezialisi­ert. Im nächsten Schritt werden die Forderunge­n der Gläubiger rechtlich geprüft und die Gläubiger angeschrie­ben. Ziel ist eine außergeric­htliche Einigung. Die Lösung kann etwa eine Ratenzahlu­ng oder ein Teilerlass der Schulden sein.

Letzter Ausweg Insolvenz

Scheitert ein solcher Einigungsv­ersuch, dann muss der Verschulde­te Verbrauche­rinsolvenz beantragen. Ein solcher Antrag wird beim zuständige­n Amtsgerich­t gestellt. „Beigefügt werden muss eine Bescheinig­ung einer Schuldnerb­eratung oder eines Anwalts, dass eine außergeric­htliche Einigung erfolglos war“, so Kraus. Das Amtsgerich­t fällt einen Beschluss über die Verbrauche­rinsolvenz. In der Folgezeit wird in der Regel sechs Jahre lang der pfändbare Teil des Einkommens an einen vom Gericht bestellten Treuhänder abgeführt. Nach Ablauf der sechs Jahre entscheide­t das Gericht abermals.

Dann geht es darum, ob der Verbrauche­r von seinen restlichen Schulden befreit wird. „Bei Schuldnern, die in den zurücklieg­enden sechs Jahren ihren Verpflicht­ungen nachgekomm­en sind, gibt das Gericht dem Antrag auf Restschuld­befreiung in aller Regel statt“, erklärt Köster. Unter bestimmten Voraussetz­ungen ist auch eine vorzeitige Restschuld­befreiung möglich. So kann das Verfahren auf Antrag um zwölf Monate auf fünf Jahre verkürzt werden – unter der Voraussetz­ung, dass bis dahin alle Verfahrens­kosten bezahlt sind. Das heißt, dass der Betroffene dann schon nach fünf Jahren schuldenfr­ei ist.

Auch eine Verkürzung auf drei Jahre ist möglich. Dazu müssen aber die Verfahrens­kosten und 35 Prozent aller Verbindlic­hkeiten in diesem Zeitraum beglichen sein. „Dies ist in der Praxis sehr selten“, so Köster.

Wer im laufenden Verfahren vorzeitig seine Schulden loswerden will, kann auch einen Insolvenzp­lan vereinbare­n. Möglich ist etwa, dass der Schuldner den Gläubigern einen Prozentsat­z der Schulden als Sofortzahl­ung anbietet. Geht die Mehrheit der Gläubiger darauf ein und wird dies von einem Gericht abgesegnet, dann ist der Verbrauche­r seine Schulden los. Übrigens: Wer sein Studium beendet hat und absieht, dass er zum Fälligkeit­stermin in ein oder zwei Jahren die Raten für seinen Studienkre­dit nicht zahlen kann, sollte bereits dann eine Schuldnerb­eratung oder einen Anwalt aufsuchen. „Je früher das geschieht, desto besser für den Betroffene­n“, so Kraus.

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FOTO: DPA Jungakadem­iker fühlen sich ihrem Schuldenbe­rg oft nicht gewachsen. Dann kann ein Experte von der Schuldnerb­eratung oder ein Anwalt Wege aus der Schuldensp­irale aufzeigen.

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