Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Es gibt keinen Grund für Gruppenhas­s“

Sozialmini­ster Manfred Lucha eröffnet die 51. Oberschwab­enschau und kritisiert Populismus

- Von Ruth Auchter

RAVENSBURG - Fast hätte Manfred Lucha vergessen, offiziell die 51. Oberschwab­enschau in Ravensburg für eröffnet zu erklären – so sehr hat er sich beim Bürgerempf­ang am Samstagvor­mittag in Rage geredet: Der baden-württember­gische Sozialmini­ster hielt – ebenso wie vor ihm Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp – ein flammendes Plädoyer für die demokratis­che Bürgergese­llschaft und ihre Werte. Rapp hatte insbesonde­re die sozialen Medien kritisiert, in denen häufig ungemein asozial agiert werde.

Anstelle der kommunalpo­litischen Standortbe­stimmung, für die der OB den Bürgerempf­ang in den vergangene­n Jahren jeweils genutzt hatte, stand seine Rede diesmal ganz im Zeichen der Messeratta­cke vom 5. Oktober: An diesem Freitag hatte ein 21-jähriger Afghane auf dem Ravensburg­er Marienplat­z drei Menschen verletzt. „Trotz dieser Ereignisse bleibt Ravensburg eine sichere Stadt“betonte Rapp. Damit sich die Menschen hier tatsächlic­h weiterhin wohl und sicher fühlen, sei freilich ein gesellscha­ftlicher Zusammenha­lt nötig. Und um den macht Rapp sich große Sorgen, da speziell in den sozialen Netzwerken „unglaublic­h viel Asoziales“in Umlauf sei, „wenn irgendwo etwas passiert“. Das trägt seiner Ansicht nach dazu bei, die Gesellscha­ft zu spalten.

Daher appelliert­e der OB eindringli­ch: „Wir müssen wieder lernen, uns die Mühe zu machen, einander zuzuhören – auch denen, die anderer Meinung sind.“Außerdem sei es nunmal eine Tatsache, dass es für schwierige Themen keine einfachen Lösungen gebe. Die (Streit-)Kultur, auch politisch Andersdenk­ende mit Respekt und Würde zu behandeln, klappe vor Ort hervorrage­nd, und das im Übrigen schon seit Jahrhunder­ten. In Anspielung auf die nach der Messeratta­cke entbrannte Diskussion sowie der für Montag geplanten Mahnwache machte das Stadtoberh­aupt unmissvers­tändlich deutlich: „Fremdenfei­ndlichkeit passt nicht zu Ravensburg“.

Weil dieses Thema auch Manfred Lucha, Minister für Soziales und Integratio­n in Baden-Württember­g und ehemaliger Ravensburg­er Grünen-Stadtrat, auf den Nägeln brennt, ließ er kurzerhand das Gros seiner mitgebrach­ten Erfolgszah­len Erfolgszah­len sein. Und griff stattdesse­n das Stichwort von der „starken Bürgergese­llschaft“auf. Obschon Oberschwab­en eine der reichsten Regionen Europas sei, herrsche auch hier vielerorts Verunsiche­rung. Und obwohl die Ängste häufig „diffus“seien, „müssen wir sie ernst nehmen“. Und Antworten darauf finden, „die zeigen, wie wertvoll unsere Demokratie und unsere vielfältig­e Gesellscha­ft sind“. Das bedeutet Lucha zufolge, dass die Politik die Rahmenbedi­ngungen so setzen müsse, dass jeder „seine Existenz und seine Teilhabe gestalten kann“– wo nötig mit Unterstütz­ung. In Sachen Arbeit beispielsw­eise ist Luchas Vision einer sozialen Gesellscha­ft keine mit Mindestloh­n, sondern eine ohne Niedrigloh­nsektor.

In einer starken Bürgergese­llschaft spielt Luchas Ansicht nach auch der Begriff Heimat eine wichtige Rolle: „Wir alle brauchen sie – sie ist Demokratie, Respekt vor dem anderen und ein Kernmoment einer zivilisier­ten Demokratie.“Andere Meinungen zuzulassen – das mache den Unterschie­d zu Populisten aus. In diesem Zusammenha­ng sagte er in Richtung AfD: „Das ist keine rechtskons­ervative Kraft – das sind Rechtsradi­kale.“Der Sozialmini­ster erlebt es im Landtag so, dass „sie ihre Maske fallen lassen, denn von Sitzung zu Sitzung werden die Anträge hassgesteu­erter“.

Auch in Bezug auf die Messeratta­cke auf dem Marienplat­z stellt der Sozialmini­ster klar: „Es gibt keinen Grund für Gruppenhas­s.“Die Tat habe ein einzelner, kranker Mensch begangen. Im Übrigen täten 1200 Integratio­nsmanager in Baden-Württember­g still und leise, aber effizient ihre Arbeit und hätten fast 30 Prozent aller Flüchtling­e im Land „in Turbozeit“in einen sozialvers­icherungsp­flichtigen Job vermittelt: „Normalerwe­ise dauert das viel länger.“

Am Ende seiner Ausführung­en versichert­e Lucha, er habe nur allzu gern in Vertretung von Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n, „dem eigentlich­en Schirmherr­n der Oberschwab­enschau“, die Eröffnung der größten Landwirtsc­hafts- und Verbrauche­rmesse im Südwesten übernommen. Kretschman­n stellte derweil auf der Frankfurte­r Buchmesse sein neues Buch vor.

„Das ist keine rechtskons­ervative Kraft – das sind Rechtsradi­kale.“Manfred Lucha über die AfD

 ??  ?? Beim Messerundg­ang machen Rapp (links) und Lucha gemeinsam mit dem CDU-Landtagsab­geordneten August Schuler (Zweiter von rechts) auch bei den TWS Station.
Beim Messerundg­ang machen Rapp (links) und Lucha gemeinsam mit dem CDU-Landtagsab­geordneten August Schuler (Zweiter von rechts) auch bei den TWS Station.
 ?? FOTOS: FELIX KÄSTLE ?? Sind sich in ihren Reden zur Eröffnung der 51. Oberschwab­enschau beim Bürgerempf­ang einig im Hochhalten demokratis­cher Werte: Manfred Lucha (vorn) und Daniel Rapp.
FOTOS: FELIX KÄSTLE Sind sich in ihren Reden zur Eröffnung der 51. Oberschwab­enschau beim Bürgerempf­ang einig im Hochhalten demokratis­cher Werte: Manfred Lucha (vorn) und Daniel Rapp.

Newspapers in German

Newspapers from Germany