Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Sunshine in der Leprosenkapelle
Kulturkreis Bad Wurzach eröffnet den Winterspielplan
BAD WURZACH - Zum ersten Konzert im Winterspielplan des Kulturkreises Bad Wurzach begrüßte Wolfgang Weiß die Gäste in fließender Viersprachigkeit. Eine Hommage an die verschiedenen Nationalitäten, die „Sunshine in Ohio“vereint. In der Kapelle des Leprosenhauses traten an diesem Abend vier von insgesamt neun Künstlern auf, die in verschiedenen Besetzungen derzeit auf großer Europatournee sind.
Die Tour der Musiker begann, wie jedes Jahr, mit einer Wanderung durch die französischen Alpen. Mit ihren Instrumenten machten sich die Künstler auf den Weg und spielten dort, wo sie willkommen waren.
„Bluegrass“gespickt mit Blues und Gospels
Im kleinen, akustischen, Kleinod Bad Wurzachs, der Kapelle am Leprosenhaus dominierte „Bluegrass“ihr Programm, gespickt mit Blues, Gospels und Interpretationen französischer Chansons. Ihrer Herkunft geschuldet, vervollständigten kanadische Volkslieder aus Quebec das Repertoire. In ihrem Programm sind die Songtexte beinahe schon nebensächlich, die Interpretationen zeichnen sie aus. Ganz besonders deutlich wurde dies bei „Banks of Ohio“von Jonny Cash. Lange Instrumentalphasen, in denen die Künstler, völlig weltvergessen, ihr ganzes Können an den Instrumenten preisgaben, vereinnahmten das begeisterte Publikum vollkommen. Besonders beeindruckende Soli am Kontrabass oder Cello, entweder progressiv gezupft oder klassisch gestrichen, untermauerten die verschiedenen Stilrichtungen der Musik und brachten deren Eigenheiten hervor.
Und in diesem Ensemble war die Kleinste die Größte. Kim Drouin Radcliffs kraftvoller, raumfüllender Gesang ergänzte die rauchige Countrystimme von Jean Russell; begleitet durch Louis Boudot an der Gitarre und Simon Gaboury am Banjo, erfuhren die Zuhörer an diesem Abend, wahre Musikhöhepunkte. Bei „Hot Face“beeindruckte sie mit feurigem Zauber und bei „Black Italian Shoes“mit Jazzansätzen in der Stimme. Die vier Künstler ließen ihre Gäste nicht nur an der Musik teilhaben, diese wurden vielmehr ein Teil davon. Launig, unterhaltsam heiter, völlig entspannt und routiniert forderten sie das Publikum zum Mitsingen auf; als imaginärer Kinderchor, Wind oder heulender Coyote. Einen Hörgenuss der leisen Töne präsentierte der Gitarrist Louis Boudot mit dem „Zigeunerwalzer“, sanfte Balalaikaklänge im Spiel und Wehmut im Ausdruck, ein Hauch Melancholie zog durch den Raum.
Der Kulturkreis Bad Wurzach bescherte den Zuhörern einen Abend, wie er unterhaltsamer und lebendiger hätte nicht sein können und der sicher noch lange Zeit im Gespräch bleiben wird. Mit Akteuren, die vom ersten Takt ihr Publikum förmlich mitrissen. Mit einer Stimmung, die temperamentvoll und fröhlich war und die perfekt in die Örtlichkeit einer Kapelle eingegliedert war.
Die entspannten Persönlichkeiten der Künstler und die natürliche Selbstverständlichkeit mit der sie agierten, waren im Gotteshaus bestens beheimatet. Oder, wie es eine Konzertbesucherin treffender formulierte: „Also sowas hat die Kapelle in all den Jahren sicher noch nicht erlebt“.