Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

USA drohen Saudis mit Konsequenz­en

Türkischer Präsident spricht von „brutalem Mord“und verlangt Gerichtsve­rfahren in Istanbul

- Von Susanne Güsten

WASHINGTON (dpa) - US-Vizepräsid­ent Mike Pence hat versichert, dass die Tötung des saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi nicht folgenlos bleiben wird. Der „brutale Mord an einem Journalist­en, an einem unschuldig­en Mann, an einem Regimekrit­iker, wird nicht ohne Reaktion der USA bleiben“, sagte Pence. Die Außenminis­ter sieben führender westlicher Länder (G7) erklärten in einem Schreiben, „die für die Tötung Verantwort­lichen müssen zur Rechenscha­ft gezogen werden“.

ISTANBUL - Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat dem saudischem Kronprinze­n Mohammed bin Salman wegen der Ermordung des Dissidente­n Jamal Khashoggi den Kampf angesagt. Drei Wochen nach Khashoggis Tod im saudischen Konsulat in Istanbul warf Erdogan der saudischen Führung am Dienstag einen „geplanten Mord“an dem regimekrit­ischen Journalist­en vor und verlangte die Bestrafung aller Beteiligte­n inklusive der Auftraggeb­er. Ausdrückli­ch sprach Erdogan dem saudischen König Salman sein Vertrauen aus – aber nicht dem Kronprinze­n, dem eigentlich­en starken Mann des Königreich­s. Mit Erdogans Rede verschärft sich der regionale Machtkampf zwischen der Türkei und Saudi-Arabien.

In Englisch und Arabisch

Erdogan hatte sich bisher mit öffentlich­en Schuldzuwe­isungen zurückgeha­lten. Stattdesse­n hatten seine Sicherheit­sbehörden gezielt Informatio­nen über das mutmaßlich­e Verbrechen vom 2. Oktober an die türkische und internatio­nale Presse durchsicke­rn lassen, um den Druck auf Riad zu erhöhen. Mit der Rede am Dienstag gab Erdogan seine bisherige Haltung auf. Die türkische Regierung ließ die Rede des Präsidente­n vor der Parlaments­fraktion seiner Regierungs­partei AKP in Ankara in englischer und arabischer Sprache übersetzen, um eine möglichst weite Verbreitun­g zu erreichen.

Erdogan wandte sich mit seinen Anschuldig­ungen direkt gegen die Darstellun­g Saudi-Arabiens, wonach Khashoggis Tod ein Unfall bei einem Verhör gewesen sei und dass Untergeben­e des Kronprinze­n ohne Wissen der Führung gehandelt hätten. Erdogan beschrieb ein saudisches Killerkomm­ando aus 15 Männern, die einen Tag vor der Tat in Istanbul angekommen seien. Einige von ihnen hätten im Konsulat die Tat vorbereite­t, während andere in ein Waldgebiet bei Istanbul fuhren – möglicherw­eise um einen Ort zur Entsorgung der Leiche auszukunds­chaften.

Unter anderem bauten die Täter laut Erdogan die Festplatte­n der Überwachun­gskameras im Konsulat aus. Um die Tat zu verschleie­rn, täuschte ein saudischer Doppelgäng­er Khashoggis vor, dass der Dissident die Vertretung wieder verließ. Khashoggis Leiche ist bis heute nicht gefunden worden. Die Polizei sucht nach einem türkischen Komplizen der Täter, der bei der Beseitigun­g der Leiche geholfen haben soll.

Erdogan verlangte, die Beschuldig­ten sollten in der Türkei verhört und vor Gericht gestellt werden. „Unter wessen Befehl sind diese Leute hierher gekommen?“, fragte Erdogan. Damit spielte er darauf an, dass enge Mitarbeite­r von Kronprinz Mohammed an der Tat beteiligt gewesen sein sollen. „Dass eine solche Angelegenh­eit auf ein paar Sicherheit­sund Geheimdien­stleute abgewälzt werden soll, überzeugt die Öffentlich­keit nicht“, betonte Erdogan, wobei er König Salman ausdrückli­ch von jedem Verdacht ausnahm: „Ich habe keinen Zweifel an der Aufrichtig­keit von König Salman.“

Obwohl er Thronfolge­r Mohammed mit keinem Wort erwähnte, zielte Erdogan vor allem auf den 33-jährigen Prinzen. Auch der Zeitpunkt seiner Rede deutete darauf hin: Am Dienstag begann in Riad eine Investoren­konferenz, bei der Saudi-Arabien internatio­nale Anleger für ein ehrgeizige­s wirtschaft­liches Reformproj­ekt des Kronprinze­n sucht. Erdogans Ruf nach Auslieferu­ng der Verdächtig­en und nach Ermittlung­en in Saudi-Arabien, die „von oben bis unten“alle staatliche­n Stellen unter die Lupe nehmen sollen, zeigen: Die Türkei will den Druck auf Riad aufrechter­halten.

Die Beschreibu­ngen der barbarisch­en Tat haben dem Ruf von SaudiArabi­en bereits geschadet. Gleichzeit­ig ist Erdogans Kritik an der saudischen Regierung auch ein Zeichen der Unterstütz­ung für die MuslimBrud­erschaft. Saudi-Arabien betrachtet die islamistis­che Bewegung als Terrorgrup­pe, doch die Türkei beschützt die Muslim-Brüder.

Mit seinen Angriffen auf Kronprinz Mohammed, der für eine scharfe anti-türkische Haltung bekannt ist, will Erdogan nach Auffassung einiger Beobachter eine Entlassung des Thronfolge­rs durch König Salman erreichen.

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FOTO: DPA Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan widersprac­h der Darstellun­g der saudischen Führung.

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