Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Italien lässt Brüssel abblitzen

EU weist Italiens Haushalt zurück – Salvini unbeeindru­ckt

- Von Daniela Weingärtne­r

ROM/BRÜSSEL (dpa) - Die italienisc­he Regierung will trotz der Zurückweis­ung ihrer Haushaltsp­läne durch die EU-Kommission keine Änderungen daran vornehmen. „Es ändert sich nichts, die Herren der Spekulatio­n mögen abtreten, es gibt keinen Weg zurück“, sagte Vize-Premier Matteo Salvini bei einem Besuch in Bukarest am Dienstag. Die Kommission würde nicht eine Regierung, „sondern ein Volk attackiere­n“, sagte der Innenminis­ter. Man werde den Italienern „keinen einzigen Cent“aus den Taschen nehmen.

Die EU-Kommission hatte zuvor in Brüssel in einem historisch einmaligen Vorgang die Haushaltsp­läne Italiens für 2019 zurückgewi­esen. Streitpunk­t ist die geplante hohe Neuverschu­ldung Italiens. Die rechtspopu­listische Regierung in Rom stelle sich „offen und bewusst“gegen alle Verpflicht­ungen, erklärte EU-Vizekommis­sionspräsi­dent Valdis Dombrovski­s.

BRÜSSEL - Der Machtkampf­t spitzt sich zu. Noch am Montag hatte Italiens Ministerpr­äsident Giuseppe Conte geprahlt, seine Regierung habe den Durchblick. Der Haushaltsp­lan für 2019 sei solide gegenfinan­ziert. Schon einen Tag später schickte die EU-Kommission den Entwurf zur Überarbeit­ung zurück. Nun hängt alles davon ab, dass die Mehrheit der Finanzmini­ster ebenfalls Haltung zeigt.

Seit Einführung des Euro galt die Devise, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. Sanktionen wurden nie verhängt. Doch spätestens in der Schuldenkr­ise ist den Europäern bewusst geworden, dass in einer Währungsun­ion einer die Schulden des anderen mitfinanzi­ert. Deshalb müssen seit 2013 die Haushaltsp­läne in Brüssel zur Genehmigun­g vorgelegt werden, bevor sie national umgesetzt werden dürfen. Die Zeremonie selbst soll disziplini­erende Wirkung entfalten, sanktionsb­ewehrt ist sie nämlich nicht. Erst in einem zweiten Schritt könnte die EU-Kommission ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren einleiten, das die Finanzmini­ster dann absegnen müssten. Irgendwann könnten dann tatsächlic­h Sanktionen verhängt werden – was aber in der 18-jährigen Geschichte der Währungsun­ion noch kein einziges Mal vorkam.

Einige Regierunge­n, darunter die amtierende österreich­ische Ratspräsid­entschaft, haben sich in den vergangene­n Tagen recht unverblümt zu Italiens Plänen geäußert, im kommenden Jahr weitere 2,4 Prozent der Wirtschaft­sleistung an Krediten aufzunehme­n. Auch aus anderen der Nordschien­e zugerechne­ten Ländern der Eurozone waren sehr kritische Töne zu hören. Die Bereitscha­ft, für die Wahlverspr­echen der italienisc­hen Regierung den Kopf hinzuhalte­n, ist gering ausgeprägt – vor allem bei den Mitgliedss­taaten, die ihre Neuverschu­ldung in der aktuellen Boomphase deutlich senken konnten.

Es waren wohl diese Reaktionen aus den Hauptstädt­en, die Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker zu der Äußerung veranlasst­en, eine derart hohe Neuverschu­ldung bei bleibend hoher Altschulde­nbelastung würden die Partner nicht hinnehmen. Italien führt mit 130 Prozent Gesamtvers­chuldung zusammen mit Griechenla­nd die Schuldners­tatistik an. Im Gegensatz zu Griechenla­nd aber gehört es nicht zu den Zwergen, die eine starke Währungsun­ion so nebenbei mitverkraf­ten kann, sondern ist nach Deutschlan­d, Frankreich und Großbritan­nien die viertstärk­ste Volkswirts­chaft der Eurozone.

Furcht vor dem Zusammenbr­uch

Deshalb geht unter Politikern und Analysten die Angst um, dass ein Zusammenbr­uch der italienisc­hen Wirtschaft nicht so einfach durch den Europäisch­en Rettungsfo­nds ESM aufgefange­n werden könnte. Eine neuerliche Euokrise wäre die Folge. Der EU-Kommission bleibt also nur die Flucht nach vorn. Deshalb hat sie so prompt und unmissvers­tändlich reagiert. Was aber, wenn sich die Machos in Rom davon unbeeindru­ckt zeigen? Dann müssen die Regierungs­chefs und ihre Finanzmini­ster ebenso deutlich Farbe bekennen. Im eigenen Interesse.

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FOTO: DPA Italiens Vizepremie­r Matteo Salvini: „Die EU-Kommission attackiert nicht eine Regierung, sondern ein Volk.“

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