Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Aufsteiger­in

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Als Sawsan Chebli ihren Posten als Vizesprech­erin im Außenamt aufgab, um als Staatssekr­etärin in den rot-rot-grünen Berliner Senat zu wechseln, kannten sie auch in der Hauptstadt nur wenige. Knapp zwei Jahre später ist die 40-jährige SPD-Politikeri­n palästinen­sischer Herkunft und bekennende Muslima die bundesweit bekanntest­e Vertreteri­n der Berliner Landespoli­tik.

Das liegt weniger an ihrer Arbeit als Bevollmäch­tigte beim Bund und Staatssekr­etärin für bürgerscha­ftliches Engagement und Internatio­nales, sondern an ihren als privat deklariert­en und vom Berliner Senat kritisch beäugten Aktivitäte­n bei Twitter, Facebook und Co. Dort polarisier­t sie oft. Einem Ex-Botschafte­r, der sie bei einem missglückt­en Kompliment „jung“und „schön“nannte, warf sie Sexismus vor. Nach den ausländerf­eindlichen Demos in Chemnitz twitterte sie mit Blick auf die demokratis­che, oft schweigend­e Mehrheit: „Wir sind zu wenig radikal“. Das sei kein Gewaltaufr­uf gewesen, sagte sie später.

Nun steht sie wieder im Fokus: Jemand postete ein vier Jahre altes Foto aus Cheblis Zeit im Außenamt, auf dem sie eine Rolex am Arm trägt. „Alles was man zum Zustand der deutschen Sozialdemo­kratie 2018 wissen muss“, kommentier­te der User mit Blick auf Wahlnieder­lagen und schlechte Umfragewer­te der Partei – und recherchie­rte, dass das fragliche Modell 7300 Euro kostet. Das „Netz“hyperventi­lierte. Die einen griffen Chebli an, die anderen verteidigt­en sie. Schließlic­h schaltete sich Chebli selbst in die Diskussion ein: „Wer von Euch Hatern (Hassern) hat mit 12 Geschwiste­rn in 2 Zimmern gewohnt, auf dem Boden geschlafen & gegessen, am Wochenende Holz gehackt, weil Kohle zu teuer war? Wer musste Monate für Holzbuntst­ifte warten? Mir sagt keiner, was Armut ist. #Rolex“, twitterte sie.

Chebli wurde 1978 im damaligen Westteil Berlins als 12. von 13 Kindern einer palästinen­sischen Familie geboren. Mit 15 bekam sie die deutsche Staatsbürg­erschaft, machte nach dem Politikstu­dium rasch Karriere. Angst, Not und Armut hätten sie das Kämpfen gelehrt, erklärte die Aufsteiger­in im „Zeitmagazi­n“. (dpa)

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FOTO: DPA Die Staatssekr­etärin Sawsan Chebli wehrt sich gegen Hetze im Netz.

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