Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
OECD-Studie beklagt weiterhin ungerechtes Bildungssystem
Die Chancen sozial benachteiligter Kinder verbessern sich im deutschen Bildungssystem nur langsam. Die Herkunft als entscheidender Faktor für Bildung und Erfolg in der Schule – eine neue Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt aber immerhin, dass Deutschland beim Thema Chancengleichheit stark aufgeholt habe und sich die „große Leistungsschere“zwischen Schülern aus einkommensschwachen und wohlhabenden Haushalten in die richtige Richtung bewege, wie der OECD-Direktor für Bildung, Andreas Schleicher erklärte. Auch sei die „soziale Durchmischung“der Schulen deutlich besser als in anderen Ländern. Die Auswertung von PISA-Zahlen bezieht sich auf den Zeitraum von 2005 bis 2015 und wurde am Dienstag in Berlin vorgestellt.
Deutschland hat im Schulsystem „moderate Verbesserungen“erzielt und liegt im internationalen Vergleich im Mittelfeld, etwa gleichauf mit Dänemark, den USA oder Chile. Deutschlands Schulen werden besser. Es gebe allerdings auch Musterländer wie Island, Hongkong oder Algerien, in denen die Kinder und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft nahezu ähnliche Leistungen erreichten, so die OECD-Studie. Der Erfolg der Schülerinnen und Schüler sei hierzulande deutlich enger mit ihrem sozialen Hintergrund verbunden als in anderen Ländern. Die Folge seien mitunter Leistungsunterschiede von bis zu drei Schuljahren. So schafften nur knapp 15 Prozent der Schüler mit Eltern ohne Abitur ein abgeschlossenes Studium. In den meisten OECD-Ländern sind es durchschnittlich mehr als 20 Prozent. Immerhin erreicht fast jeder Vierte in Deutschland einen höheren Schulabschluss als die Eltern.
Unter dem Durchschnitt
In kaum einem anderen Land hat sich die Situation in den letzten zehn Jahren so stark verbessert wie in Deutschland. Dies hatte zuletzt auch eine Sonderauswertung der PISA-Daten der OECD ergeben. Kinder aus sozial benachteiligten Familien haben heute deutlich häufiger schulischen Erfolg als noch zu Beginn des Jahrtausends. Innerhalb von zehn Jahren stieg der Anteil der betroffenen Schülerinnen und Schüler, die trotz ihrer schlechten Ausgangslage im internationalen Vergleich zum leistungsstärksten Viertel der 15-Jährigen zählten, von 25 auf 34 Prozent. Doch bleibt die Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem unterhalb des OECD-Durchschnitts. Die Noten in der Schule hängen immer noch stark von der sozialen Herkunft ab, aber immer mehr sozial benachteiligte Kinder schaffen es, trotzdem erfolgreich in der Schule zu sein. Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine Investitionsoffensive im Bildungsbereich geeinigt. So sollen die Länder vom Bund künftig mehr Geld für Bildungsinfrastruktur und den Ausbau von Ganztagsschulen erhalten.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, hält die jüngsten Ergebnisse der OECD-Bildungsstudie bereits für überholt. Der massive Lehrermangel im Grundschulbereich und auch der Flüchtlingszuzug seien erst nach der Pisa-Erhebung 2015 aufgetreten, erklärte er. Daher sei nicht auszuschließen, dass Deutschland bei künftigen Studien mit aktuelleren Daten wieder schlechter abschneiden werde.