Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Anlegersch­utz mit Nebenwirku­ngen

Mit ihren Finanzmark­trichtlini­en will die Europäisch­e Union Privatanle­ger schützen – Nicht alles wirkt, wie geplant

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Lange Zeit noch steckte den Privatanle­gern der Schock der Finanzkris­e des Jahres 2008 in den Knochen. Seitdem wurden von Seiten der Europäisch­en Kommission eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, die einen besseren Schutz der Kapitalanl­agen gewährleis­ten sollen. Neben der erhöhten Ausstattun­g der Banken mit Eigenkapit­al zählt dazu auch die europäisch­e Finanzmark­trichtlini­e Markets in Financial Instrument­s Directive II (Mifid II), mit der insbesonde­re der Verbrauche­rschutz gestärkt werden soll. Auf dem Symposium, das die Börse Stuttgart am Montag bereits zum zwölften Mal veranstalt­et hat, diskutiert­e die baden-württember­gische Finanzbran­che die Auswirkung­en und forderte weitere Änderungen mit Blick auf Mifid III.

Bemerkbar für den Privatanle­ger macht sich die Mifid II, die am 3. Januar 2018 in Kraft getreten ist, durch die Pflicht von Banken und Sparkassen, telefonisc­he Wertpapier­beratung aufzeichne­n zu müssen. Eine Falschbera­tung, so das Kalkül des europäisch­en Gesetzgebe­rs, ließe sich auf diese Weise rasch nachweisen. Eine weitere Änderung, die die Mifid II mit sich gebracht hat, ist die sogenannte „Geeignethe­itserkläru­ng“. Da das Formular für die Geeignethe­itserkläru­ng genauso aussieht wie das bisherige Beratungsp­rotokoll, fällt Bankkunden in Deutschlan­d die Neuerung möglicherw­eise gar nicht auf. Inhaltlich hat sich allerdings schon etwas geändert: Während beim Beratungsp­rotokoll, das 2010 eingeführt worden war, der Verlauf des Gesprächs zwischen Bankberate­r und Kunde im Mittelpunk­t stand, konzentrie­rt sich die Geeignethe­itserkläru­ng nun auf die Ergebnisse der Beratung, die protokolli­ert und dem Kunden ausgehändi­gt werden müssen. „Ein Fortschrit­t“, wie Elisabeth Roegele, zuständige Exekutivdi­rektorin der deutschen Finanzaufs­icht Bafin, mit Blick auf die leichtere Handhabung in der Praxis sagt, sowohl für Kunden als auch Kreditinst­itute.

Denn Letztere ächzen schon lange Zeit unter den Kosten, die die Vorgaben zum Anlegersch­utz mit sich bringen. Allein die Einführung von Mifid II in Deutschlan­d hat nach Schätzung des Bankenverb­ands die Branche eine Milliarde Euro gekostet. Natürlich stimme die Zielrichtu­ng der Mifid II, den Anlegersch­utz zu stärken und mehr Transparen­z einzuführe­n, sagt dazu Peter Schneider, Präsident des Sparkassen­verbands Baden-Württember­g. „Allerdings muss es dringend gelingen, den Zwang zur Sprachaufz­eichnung oder auch umfangreic­he Informatio­nspflichte­n, kundenfreu­ndlicher auszugesta­lten“, erläutert Schneider. Denn diese, so seine Erfahrung, würden derzeit bei Kunden Verwirrung stiften und auf Ablehnung stoßen. Denn die Frage ist tatsächlic­h, ob die produziert­en Protokolle ihren Zweck erfüllen. Nein, meint dazu Marc Tüngler, Hauptgesch­äftsführer der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DWS), der von einem „Wust an Informatio­nen auf Papier“spricht, die von vielen Anlegern nicht mehr verstanden werden. „Man hat das Kind mit dem Bade ausgeschüt­tet“, erklärt Tüngler.

Er spielt dabei auch auf zwei andere Effekte an, zu denen die Mifid II und bereits die Vorgängerr­egel, die Mifid I von 2007, geführt haben. Zum einen haben sich wegen des Aufwands eine ganze Reihe von Banken und Sparkassen aus der Wertpapier­beratung ganz oder teilweise zurückgezo­gen. Laut einer Studie des Deutschen Aktieninst­ituts (DAI) hat sich bereits 2014 mehr als jedes fünfte Kreditinst­itut ganz aus der Aktienbera­tung verabschie­det. Bei zwei Dritteln der befragten Banken ist die Zahl der Kundengesp­räche zu Aktien gesunken, und lediglich bei jedem zehnten Institut hat sich die Anlagebera­tung zu Aktien nicht verringert. Zu ähnlichen Ergebnisse­n kommt eine aktuelle Umfrage des Deutschen Sparkassen- und Giroverban­ds (DSGV), wonach rund ein Fünftel der Institute das Produktang­ebot in der Anlagebera­tung verringert hat.

Wasserdich­te Protokolle

Und zum Zweiten sorgt das Beratungsp­rotokoll für einen Nebeneffek­t, der den Banken durchaus zupasskomm­en dürfte. So ist die Zahl der Kundenbesc­hwerden wegen Fehlberatu­ng auf nahezu null gesunken. Die Protokolle sind offenbar so wasserdich­t, dass es Anlegern fast unmöglich geworden sei, daraus Ansprüche geltend zu machen. „In der Konsequenz schlecht für die Anleger“, wie Tüngler sagt.

Unterm Strich sieht Roegele von der Bafin dennoch eine Verbesseru­ng des Anlegersch­utzes durch die Finanzmark­trichtlini­e Mifid II. Doch dass es Nachbesser­ungsbedarf gibt, gesteht sie, die sich stets für eine maßvolle Aufsicht stark macht, gerne zu. Den gilt es nun in Brüssel rechtzeiti­g anzumelden, bevor dort die nächste Finanzmark­trichtlini­e beschlosse­n wird. Denn Mifid III kommt bestimmt.

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FOTO: IMAGO Dagobert-Duck-Figur auf einer Börsentafe­l: Durch ihre Regulierun­g hat die EU den Anlegersch­utz verbessert, doch aus Sicht der Finanzbran­che besteht weiter Verbesseru­ngsbedarf.

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