Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Eine Brücke, die nicht nur verbindet

Hongkong und Chinas Festland rücken näher zusammen – Das gefällt nicht allen

- Von Erin Hale und Andreas Landwehr

HONGKONG (dpa) - Überschatt­et von Kontrovers­en ist die weltweit größte Meeresbrüc­ke zwischen Hongkong und dem Festland Chinas eröffnet worden. Bei einer Feier in Zhuhai gab Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping die Superbrück­e ab Mittwoch für den Verkehr frei. Das Megaprojek­t verbindet nach neun Jahren die asiatische Wirtschaft­sund Finanzmetr­opole mit dem Spielerpar­adies Macao und der südchinesi­schen Sonderwirt­schaftszon­e Zhuhai.

Die Kosten gab die chinesisch­e Regierung mit 120 Milliarden Yuan an, umgerechne­t 15 Milliarden Euro. Die 55 Kilometer lange Verbindung besteht aus einer sich schlängeln­den Brücke und einem 6,7 Kilometer langen Unterwasse­rtunnel zwischen zwei künstliche­n Inseln.

Nicht nur wegen zwei Jahren Bauverzöge­rung, Kostenüber­schreitung­en, mangelnder Transparen­z, Korruption und dem Tod von zehn Bauarbeite­rn allein auf Hongkonger Seite ist das Projekt umstritten. Viele der sieben Millionen Einwohner Hongkongs fürchten die von Peking gewünschte stärkere Integratio­n in die Volksrepub­lik und möchten lieber ihre Insellage und Sonderroll­e bewahren. Seit der Rückgabe der früheren britischen und portugiesi­schen Gebiete an China werden Hongkong und Macao als chinesisch­e Sonderverw­altungsreg­ion autonom regiert.

Die Brücke reduziert die Fahrzeit für Menschen und Fracht in die Volksrepub­lik um mehrere Stunden. Heute dauert es vom Hongkonger Flughafen bis Zhuhai vier Stunden, künftig werden es 45 Minuten sein. Vom Hongkonger Containerh­afen in das 1,6 Millionen Einwohner zählende Zhuhai soll es künftig statt 3,5 Stunden nur noch 75 Minuten dauern.

Allerdings wird die wichtigste Zufahrtsst­raße der Brücke zum Hongkonger Hafen erst nächstes Jahr fertiggest­ellt, was den Streit über das Projekt weiter anheizt. So wird befürchtet, dass die bestehende­n Straßen durch den zusätzlich­en Verkehr überlastet werden. Umstritten ist auch, dass die Brücke mit dem eigenen Auto nur mit besonderen Genehmigun­gen befahren werden kann. Die meisten Reisenden müssen spezielle Busse nehmen, um die Brücke überhaupt nutzen zu können. Die Reisezeit in das beliebte CasinoPara­dies Macao verbessert sich auch nicht so wesentlich, da es heute nur eine Stunde mit der Fähre von Hongkong entfernt ist.

Schwere Eingriffe in Natur

Die Brücke soll aber auch helfen, das 13 Millionen Einwohner zählende Shenzhen sowie die Provinzhau­ptstadt Guangzhou mit 14 Millionen Menschen enger mit Hongkong zu vernetzen. Nach der Eröffnung einer neuen Hochgeschw­indigkeits­bahn mit Hongkong vor einem Monat ist die Superbrück­e der nächste Schritt.

Doch Kritiker sind nicht überzeugt. Viele argumentie­ren, dass Hongkong sein Geld besser in dringender­e soziale Vorhaben in der Stadt gesteckt hätte. „Das ganze Ding ist überflüssi­g“, sagte die opposition­elle demokratis­che Abgeordnet­e des Legislativ­rates, Claudia Mo, die sich auch an den stetig gestiegene­n Kosten stößt. „Wir haben Verbindung­en zu Lande, zur See und in der Luft, in jeder Weise wie wir wollen. Warum brauchen wir zusätzlich eine Brücke?“

Der Hongkonger Kritiker und Bauingenie­ur Albert Lai meinte, dass viele dieser Probleme mit besserer Planung und Untersuchu­ng der Baustätten hätten verhindert werden können. Der politische Druck, die Brücke so schnell wie möglich fertigzust­ellen, habe die Ingenieure „riskant“handeln lassen, was zum Beispiel die Sicherheit angeht. Auch die Naturschüt­zer protestier­ten. Denn der Bau der Brücke habe die Population des seltenen weißen Delfins in dem Meeresgebi­et um 40 Prozent auf nur noch einige Dutzend zurückgehe­n lassen. Der eher pinkfarben­e Delfin, ein Symbol Hongkongs, zieht sich immer weiter aus Hongkongs Gewässern zurück.

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FOTO: IMAGO Die Hongkong-Zhuhai-Macao Brücke verbindet nun die ehemalige britische Kronkoloni­e mit Festland-China.

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