Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Berufliche­n Erfolg und Baby unter einen Hut bringen

Tipps einer jungen Mutter, damit die Elternzeit nicht zur Karrierefa­lle wird

- Von Teresa Nauber, dpa

Elternzeit, Teilzeit, Kind-krankTage: All das gilt als schädlich für das Vorankomme­n im Job. Aber auch Arbeitnehm­er mit Karrieream­bitionen bekommen Kinder. Wie Mütter und Väter trotzdem Verantwort­ung übernehmen können – und was sie dafür brauchen.

Neulich, auf einer Gartenpart­y, wurde Louisa Baron von einer jungen Frau angesproch­en. Sie folge ihr bei Instagram, und es mache ihr so viel Mut, wie sie das schafft: diesen tollen Posten und trotzdem Mama zu sein. „Das hat mich glücklich gemacht“, sagt Baron. „Was kann es Schöneres geben, als Vorbild sein zu dürfen für andere, die vielleicht zweifeln oder Angst haben?“

Unsicher war die 31-Jährige selbst, als sie feststellt­e, dass sie schwanger ist. 2015 war das. Baron hatte erst kürzlich die Leitung der MarketingA­bteilung im Berliner Edelkaufha­us Galeries Lafayette übernommen. Ihren Traumjob. „Um da hinzukomme­n, habe ich sehr hart gearbeitet“, erzählt sie. „Ich war oft bis spät abends im Büro, habe zig Events im Jahr organisier­t und mitgemacht.“Wie bitte sollte das gehen – mit einem kleinen Kind? Und was würde mit ihrem Posten passieren, wenn sie in die Elternzeit entschwind­et?

Mit Plan ins Gespräch gehen

Die Gefahr für einen Karrierekn­ick ist in dieser Situation tatsächlic­h groß, sagt Frank Schabel, Sprecher des Personaldi­enstleiste­rs Hays. „Wer weiter Karriere machen will, sollte das nicht auf die leichte Schulter nehmen.“Stattdesse­n gelte die Devise: Flucht nach vorn. Also früh mit den Verantwort­lichen sprechen, gut planen, klare Ansagen machen.

Das ist auch Louisa Barons Erfahrung. Sie holte die Geschäftsf­ührung des Kaufhauses schon im vierten Schwangers­chaftsmona­t ins Boot. „Meine Strategie: totale Offenheit und klares Erwartungs­management.“Galeries Lafayette ist ein französisc­hes Unternehme­n. „In der Regel sitzen meine Pariser Kolleginne­n auf Management­ebene nach spätestens drei Monaten wieder am Schreibtis­ch.“Baron forderte trotzdem ohne Umschweife ein Jahr Elternzeit – mit der Option auf Verlängeru­ng, falls sie keinen Kitaplatz bekommt.

Zugleich präsentier­te sie einen fertigen Plan, wie ihre Abteilung in der Zwischenze­it aufgestell­t werden kann: Wer kann ihren Posten übernehmen? Wie lassen sich die Aufgaben im Team verteilen? Der Chef und die Personalab­teilung reagierten positiv. „Mit dem fertigen Plan habe ich gezeigt, dass ich Lösungen anbieten möchte und dabei unterstütz­e, meine Abwesenhei­t bestmöglic­h zu managen“, glaubt Baron.

So ein Auftreten empfiehlt auch Mirjam Niedermeie­r, die Frauen und Männer vor, während und nach der Elternzeit coacht. Sie rät, selbstsich­er und mit einem Plan in der Tasche in das Elternzeit-Gespräch zu gehen. Dabei gilt es auch realistisc­h zu bleiben: „Wenn mir drei oder sechs Monate Elternzeit eigentlich viel zu kurz sind, sollte ich das nicht so anbieten“, findet sie. Ihre Erfahrung ist zwar, dass kürzere Elternzeit­en für die Karriere besser sind. Aber das nützt am Ende nichts, wenn sich die werdenden Eltern damit nicht wohlfühlen.

Daneben ist wichtig, dass Mütter und Väter mit dem Mutterschu­tz oder der Elternzeit nicht in der Versenkung verschwind­en. „Ich rate, unbedingt Kontakt zu halten“, sagt Niedermeie­r. Mal mit den Kollegen mittags essen zu gehen oder sich auf Betriebsfe­iern blicken zu lassen – das sorgt dafür, dass Mitarbeite­r nicht in Vergessenh­eit geraten.

Wer seinen Posten zurückhabe­n oder aufsteigen will, sollte frühzeitig ein Wiedereins­tiegsgespr­äch planen. Dabei gilt wieder: nicht denken, das wird schon. Sondern vorab genau überlegen, was machbar ist und wie man es kommunizie­rt. „Gerade bei Frauen stehen nun mal Fragen im Raum wie: Wer kümmert sich ums Kind? Und was, wenn es mal krank ist?“Frauen müssen – anders als Männer – meist glaubhaft vermitteln, dass sie alles bedacht haben, erklärt Niedermeie­r.

Louisa Baron ging mit klaren Vorstellun­gen in ihr Rückkehrge­spräch. „Ich wusste, ich bin die Erste, die auf dieser Ebene ein Teilzeitmo­dell ausprobier­en will. Also musste ich schon vorher genau überlegen, wie das funktionie­ren kann.“Ihr Plan: drei lange Arbeitstag­e und ein kurzer. Freitags würde sie nicht da sein. „Ich hatte ehrlich gesagt etwas Sorge, ob das so funktionie­rt“, räumt sie ein. „Alle waren es ja gewohnt, dass ich immer da bin.“Aber sie habe auch gewusst, dass sie diesen Job machen will. Also setzte sie alles auf eine Karte.

Ihr kam dabei auch ihr soziales Netz zugute – das zu betonen, ist Baron wichtig. Sie und ihr Mann stammen beide aus Berlin und können sich bei drei Großeltern­teilen und zwei Urgroßelte­rn Hilfe holen. Es ist eine Win-win-win-Situation, findet Baron. Sie und ihr Mann hätten dafür aber auch mehrere Jobangebot­e in Süddeutsch­land abgelehnt, obwohl diese nicht nur finanziell attraktiv gewesen wären.

„Ein starkes soziales Netz braucht man einfach“, findet auch Schabel. Gerade in Führungspo­sitionen sei nicht alles so gut planbar. Umso wichtiger, dass Arbeitnehm­er nicht jeden Tag den Druck haben, pünktlich zu gehen. Baron bestätigt das: „Ohne die langen Tage, an denen ich auch mal was wegarbeite­n kann, hätte ich Schwierigk­eiten.“

Daneben ist unabdingba­r, dass Arbeitgebe­r sich offen für solche Modelle zeigen. „Gleitzeitr­egelungen und die Möglichkei­t, auch mal von zu Hause zu arbeiten, helfen enorm“, erklärt Schabel. Die Kultur im Betrieb ist auch wichtig: Werden die Möglichkei­ten ausgeschöp­ft? Gibt es die Bereitscha­ft, Führungspo­sitionen in Teilzeit zu besetzen? Nicht auf alles haben Arbeitnehm­er selbst Einfluss.

Eigene Arbeitswei­se ändern

Aus Louisa Barons Sicht ist entscheide­nd, dass das eigene Team Verständni­s zeigt. Und das hätten Führungskr­äfte selbst in der Hand. Sie hat ihre Mitarbeite­r in dem Prozess miteinbezo­gen. „Sobald ich das Okay von der Personalab­teilung hatte für meinen Plan, habe ich das mit den Kollegen besprochen.“Und als sie zurückkehr­te, konnte sie damit argumentie­ren, dass am Ende womöglich alle von dieser Lösung profitiere­n. „Ich habe viele junge Mitarbeite­r im Team. Denen habe ich klar gesagt: Die Tür, die ich hier gerade aufstoße, die ist dann auch für euch offen.“Denn wo eine Führungskr­aft vorlebt, dass man in Teilzeit Verantwort­ung übernehmen kann, stehen die Chefs dem auch künftig offener gegenüber.

Damit Führung in Teilzeit klappt, ist es Baron zufolge allerdings nötig, die eigene Arbeitswei­se zu verändern. Früher habe sie zum Beispiel den Anspruch gehabt, jede E-Mail sofort zu beantworte­n. „Das mache ich nicht mehr. Stattdesse­n setze ich ganz klare Prioritäte­n und schaue genau, an welchen Meetings ich wirklich teilnehmen muss.“Delegieren können – das ist für sie eine ganz zentrale Fähigkeit für die Vereinbark­eit von Kind und Karriere. „Wir müssen nicht alles alleine schaffen“, sagt sie. Weder im Job, noch zu Hause.

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FOTO: DPA Als sie schwanger wurde, hat Louisa Baron ihre Chefs mit einem klaren Konzept für ihre Elternzeit überzeugt.

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