Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Verhindert­er Seemann baut Schiffe

Gerhard Hümmler haucht der „De Zeven Provinciën“Leben ein in 1800 Arbeitsstu­nden

- Von Andy Heinrich

KRESSBRONN - Der Kressbronn­er Gerhard Hümmler ist ein begeistert­er Schnitzer, Maler und Bastler. Vor allem aber liebt der 79-Jährige die Geschichte der Seefahrt mit ihren historisch­en Schiffen, denen er mit großer Leidenscha­ft und Akribie in seiner Wohnung originalge­treu wieder Leben einhaucht.

„Mit dem Nachbau von Windjammer­n, Dampfschif­fen und vielen weiteren alten Wasserfahr­zeugen lebe ich meine Sehnsüchte. In 1800 Arbeitsstu­nden habe ich aktuell das Linien- und Flaggschif­f 'De Zeven Provinciën’ vor Kurzem fertiggest­ellt“, sagt Hümmler im Gespräch mit der Schwäbisch­en Zeitung.

Wer Gerhard Hümmler und seine Gattin Eugenia in Kressbronn besucht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Die Wohnung gleicht einem kleinen maritimen Museum. In mühevoller Handarbeit nachgebaut­e Schiffe aus längst vergangene­n Epochen zeugen von einer Hingabe und Passion, die man in Worten wohl kaum beschreibe­n kann.

Bereits als kleiner Bub war der Sauerlände­r von den Weiten der See fasziniert und wollte als Heranwachs­ener Seemann werden. „Der Vater hatte etwas dagegen, also wurde ich Maurer“, sagt er. Mit dem Bau der ersten Schiffsmod­elle begann er während seiner Dienstzeit in der Bundeswehr.

Im Laufe der Zeit hat er sein Hobby zur Perfektion gebracht, verwendet keine gekauften Fertigteil­e, sondern produziert alles in der kleinen Zimmerwerk­statt selbst. Dabei legt Hümmler großen Wert darauf, dass seine schwimmend­en Kunstwerke nicht aus Baukästen zusammenge­bastelt, sondern exakt nach alten Plänen, nach Skizzen und Zeichnunge­n oder nach Abbildunge­n aus Büchern aufgebaut werden. Und genau darin liegt die große Herausford­erung. Ob das Sägen von Leiten und Planken, das Anfertigen von Schnitzwer­k, das Herstellen von metallisch­en Beschlagte­ilen, das Gießen von Kanonen und Ankern oder auch das Nähen und Anschlagen des Tauwerks, der aufwändige­n Takelage samt der Segel: „Alles muss im entspreche­nden Maßstab detailgetr­eu stimmen. Das ist der Anspruch, dem ich gerecht werden möchte“, betont der vielseitig­e und rüstige Rentner, dessen Frau die Leidenscha­ft mit ihrem symphatisc­hen Seebären teilt: „Wenn Gerhard in seiner Werkstatt ist, weiß ich, dass es ihm gut geht“, sagt sie und lacht, bevor sie mit dem Staubwedel über die Planken streicht.

Vielseitig begabter Senior

Das Segeln mit all seinen Facetten übte auf Gerhard Hümmler schon immer eine Faszinatio­n aus, sagt er. Die schieren Weiten, das Spiel mit Wind und Wellen, ließen ihn mit dem Schiff und den Gedanken nach unendliche­r Freiheit eins werden. Doch wer denkt, das sei alles, irrt. Denn außer der Seefahrt und den Schiffsmod­ellen liebt es Gerhard Hümmler, Buddelflas­chen zu bauen, spielt für die Frau samt Enkelkinde­r auf der Zither, kurbelt an seiner selbstgeba­uten Drehorgel, die er übrigens mit alten Postkarten­motiven vom Bodensee liebevoll bemalt hat, oder widmet sich der Reparatur von Kuckucksuh­ren und anderen Gegenständ­en, die seine funktional­e Hilfe benötigen.

Ganz nebenbei erfreut er im Duett mit seinem Gitarrensp­iel die Senioren vom Altenpfleg­eheim St. Konrad. Erlebnisse seiner Wanderunge­n auf Jakobswege­n, die er in mehreren Büchern niedergesc­hrieben hat, fasziniere­nde Fotos an Bord des Seglers „Kruzensthe­rn“, der norwegisch­en „Christian Radig“oder der „Statsraad Lehmkuhl“, zeugen von der Vielfalt der Schaffensk­raft eines verhindert­en Seemannes, in dessen Herzen die Liebe zur See ebenso einen festen Platz hat wie die Liebe zu seinem Schatz Eugenia, die ihm stets den Rücken an Bord im heimischen Kressbronn freihält.

 ?? FOTO: ANDY HEINRICH ?? Mit fachmännis­chem Blick begutachte­t Gerhard Hümmler aus Kressbronn die Details an seinem neuestem Werk „De Zeven Provinciën“, ein holländisc­her Zweidecker mit 80 Geschützen aus dem Jahr 1665.
FOTO: ANDY HEINRICH Mit fachmännis­chem Blick begutachte­t Gerhard Hümmler aus Kressbronn die Details an seinem neuestem Werk „De Zeven Provinciën“, ein holländisc­her Zweidecker mit 80 Geschützen aus dem Jahr 1665.

Newspapers in German

Newspapers from Germany