Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ein tiefer Einblick in die russische Seele
Das vierköpfige Vokalensemble aus St. Petersburg bringt östliche Traditionen nah
LEUTKIRCH - „Kalinka“als Zugabe, keine Überraschung – es ist das wohl populärste russische Lied. Viele in der bestens besuchten Dreifaltigkeitskirche singen, klatschen mit. Vorher haben die Mezzosopranistin Rimma Egorutina, der Tenor Vladimir Matygulin, Bariton Alexey Buzakin und Bass Felix Zaretsky eine Stunde lang einen tiefen Einblick in die russische Seele gegeben. Geistliche Musik der russisch-orthodoxen Kirche, dann Volkslieder.
Pfarrer Volker Gerlach erinnert in seiner ziemlich sibirisch temperierten Kirche, daran, dass das „KosakenVokal-Ensemble Russische Seele“schon einmal hier zu Gast gewesen ist. 2010, auf Einladung des damaligen Pfarrers Albert Knoch, der ja viel für die Integration der Russlanddeutschen getan hat, auch mit dem Projekt „Nasch Dom“. Felix Zaretsky, der Senior des Ensembles, schildert kurz die Rituale der russisch-orthodoxen Kirche: Normale Gottesdienste dauern zweieinhalb Stunden, an kirchlichen Hochtagen vier bis sechs Stunden. Die Gläubigen stehen. Weder Orgel noch andere Instrumente erklingen, es singen nur die Chöre. Lieder wie „Festige meinen Glauben“, oder das berühmte „Ave Maria“. In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts komponiert, im Sowjetkommunismus unerwünscht, darum unter dem Namen Julio Caccini herausgegeben. Der hat im Mittelalter gelebt. Heute ist es weltweit bekannt. Der Mezzosopran führt, glänzt, die drei Sänger begleiten mit Summen, kleinen Verzierungen. Ebenso schön der „Psalm 103“von Ippolitov-Ivanov, im tiefsten Bass endend. Glockenrein-schwermütig der Bariton bei einem anderen Werk, und der Tenor dringt mühelos in höchste Höhen.
Das russische Volkslied ist ja gerne etwas melancholisch, ach Mütterchen Russland. Beim „Pastorallied“, der Mond ist da, könnte man wunderbar wegschlummern. Das Kosakenlied ist natürlich temperamentvoll, diese Volksgruppe am Don gilt als kampfesfreudig, bewachte die Grenze des russischen Riesenreiches gegen die Tataren. Mit einer Niederlage allerdings endet der Kampf der Donkosaken gegen den Zaren im 17. Jahrhundert, Anführer Stenka Rasin wird gevierteilt. Das Ensemble erzählt in der gleichnamigen Ballade dramatisch von den Ereignissen. Die Melodie selbst ist weltweit populär – in Deutschland zu einem Liedtext der Eingesperrten im Heuberg und im KZ Oberer Kuhberg in Ulm. Aber auch „unrasiert und fern der Heimat“wird so gesungen. Am eindrücklichsten ist es aber in dieser dramatischen Form.
Noch ein Donkosakenlied, hurra, hurra, hurra! Die Troika fliegt wie ein Vogel. „Schwarze Augen“kommt stimmgewaltig rüber, nimmt Fahrt auf. Liebeslieder in Moll. Die Mutter verbietet der Tochter den jungen Soldaten. Und bei der Hochzeit ist die Braut traurig, oh weh. Viel Beifall für das professionelle Ensemble aus St. Petersburg. Und zum Abschied „Sei gesegnet viele Jahre...“