Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Winterzeit
Im digitalen Zeitalter boomen Brett- und Kartenspiele
In der Nacht auf Sonntag werden die Uhren zurückgestellt
ESSEN (dpa) - Einen Killer stoppen, Geheimcodes knacken oder schlicht die gesamte Menschheit retten: alles möglich, in der Welt der Spiele. Und zwar wohlgemerkt in der analogen Variante. Karten-, Brett- und Würfelspiele erfreuen sich mitten in digitalen Zeiten enormer Beliebtheit. Das zeigt sich derzeit auf der Spiel '18 in Essen, der weltgrößten Publikumsmesse für Gesellschaftsspiele.
Gefragt sind Party- und Aktionsspiele, Varianten mit Würfeln und Karten, Angebote für Familien, Kinder und auch für junge Erwachsene, sagt Hermann Hutter vom Branchenverband Spieleverlage. VR-Brille und Controller bleiben dann liegen, Playstation und Computer aus. Die Branche spricht von einem „goldenen Zeitalter“für analoge Spiele.
Spielen ist gefragtes Hobby
Früher sei man als spielender Erwachsener oft als sonderbar belächelt worden, sagt Dominique Metzler vom Friedhelm Merz Verlag, der die Messe veranstaltet. Dann habe sich ein Wandel vollzogen, das Spielen sei nun gefragtes Hobby. Was früher oft als „unpopulär und unsexy“galt, sei heute starker Trend, auch häufig in Studentenkreisen.
Warum spielen die Menschen, Alt und Jung, so gerne? „Wie Lesen und Sprechen gehört auch das Spielen zu unseren Ausdrucksmöglichkeiten, sagt Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats. „Es gibt wenige Orte, wo wir unsere Emotionen so rauslassen dürfen.“Ärgern, jubeln, schreien, lauthals lachen – alles erlaubt. Ein weiterer Faktor: Unabhängig vom Spieltyp ist häufig das Glück mit von der Partie. Wissen und Können allein entscheiden nicht. „Der Zufall spielt mit, man muss nicht studiert haben, um zu gewinnen, das macht das Spielen auch demokratisch“, sagt Zimmermann. Positiv sei, dass die Leute wieder zusammen spielen wollten. Analoge Spiele „bieten eine soziale Interaktion, die digitale Spiele nicht bieten können“, so Hutter. Zwar falle der digitale Games-Markt mit rund zwei Milliarden Euro Umsatz ungefähr viermal so groß aus wie bei der analogen Schwester. Deren Wert aber, mit Blick auf die positiven Folgen für die Gesellschaft, werde nicht fair anerkannt. Spiele können geistig herausfordern, Konzentration und Interesse bei Kindern fördern oder auch die Fingerfertigkeit trainieren, sagen Experten. Quiz-Partyspiele vermitteln zudem Wissen. Zentral bleibe aber das Vergnügen, sagt der Kulturrat.
Mehr als 180 000 Spielefans werden bis Sonntag in Essen erwartet. In analoge Spieler und digitale Gamer zu unterteilen, wird von manchen als künstlich und inzwischen auch überholt angesehen. Viele bewegten sich in beiden Welten, sagt Zimmermann. Dass analoge Spiele von der elektronischen Konkurrenz irgendwann verdrängt werden, sei nicht zu befürchten, sagt er. „Die Menschen werden immer spielen. Das wird nie aussterben.“