Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Nein zu Ganztagsgarantie und Wasser-Privatisierung
Kommunalpolitik-Spezialisten der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag erarbeiten die „Bodensee-Erklärung“– Konflikt mit dem Koalitionsvertrag
FRIEDRICHSHAFEN - Die Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik der Unionsfraktion im Bundestag will Kommunen stärken und die Zusammenarbeit mit Berlin verbessern. Unionspolitiker aus dem Bundestag und den Landesparlamenten diskutierten in Friedrichshafen über Kinderbetreuung, Grundsteuer und Digitalisierung. Ihre „Bodensee Erklärung“soll auf Bundesebene nun Impulse setzen – und bestenfalls Debatten anstoßen. Eingeladen hatte Lothar Riebsamen, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Bodensee.
Ganztagsbetreuung:
Beim Thema Ganztagsbetreuung stellt sich die AG Kommunalpolitik gegen den Koalitionsvertrag von Union und SPD. Ab 2025 sollen Eltern einen Rechtsanspruch auf Betreuung für ihre Kinder im Grundschulalter haben – die Arbeitsgruppe lehnt dies ab. Man suggeriere, mit dem Rechtsanspruch ein Problem lösen zu können, was man durch fehlendes Personal dann vielleicht gar nicht lösen könne, erklärte AG-Vorsitzender Christian Haase. Daher bevorzuge man einen „bedarfsgerechten Ausbau“. Während in der einen Kommune genügend Kräfte vorhanden seien, um die Ganztagsbetreuung zu stemmen, gebe es in anderen keine Nachfrage danach. „Aus Sicht der Selbstverwaltung sagen wir: Lasst die Kommunen entscheiden, was für sie richtig ist“, so Haase.
Reform der Grundsteuer:
Im Zuge der Grundsteuerreform plädiert die AG Kommunalpolitik für das sogenannte Flächenmodell. Dabei werden Grundstücks- und Nutzungsfläche mit einem Festbetrag pro Quadratmeter für die Bemessung einbezogen. Eine Reform der Grundsteuer ist notwendig, nachdem das Bundesverfassungsgericht das bisherige Modell im April für verfassungswidrig erklärte. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will bis Ende des Jahres einen Vorschlag für die Reform präsentieren. Derzeit kursieren zwei verschiedene Ideen für eine Neugestaltung. Bis Ende 2024 muss die Grundsteuer für alle Grundeigentümer neu berechnet worden sein. Die Abgabe ist drittwichtigste Einnahmequelle der Kommunen.
Förderung des ländlichen Raums:
Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“von Bund und Ländern soll um Fördermöglichkeiten erweitert werden. Damit will der Bund gezielter Projekte in ländlichen Regionen fördern. Davon würden beispielsweise Start-ups profitieren. „Das Geld solle nachprüfbar dort ankommen, wo wir es zur Verfügung stellen wollen“, sagte Riebsamen. Das sei manchmal eine „Herausforderung“in Zusammenarbeit mit den Ländern.
Digitale Infrastruktur:
Für einen schnelleren Breitbandausbau plädieren die Kommunalsprecher für die Vereinfachung von Förderprogrammen. „Wir hören Klagen von den Kommunen, dass sie dafür Bundesmittel in Anspruch nehmen wollten, daran verzweifelt sind, und Landesmittel verwendet haben“, erklärte Haase. Obwohl Kommunen, Bund und Länder dieselbe Zielrichtung hätten, gebe es noch keinen gemeinsamen Topf für Förderprogramme. Das gelte auch für den 5G-Ausbau des Mobilfunks. „Wenn wir keine neue digitale Spaltung in Deutschland haben wollen, müssen wir weg von den Funklöchern. Wir können nicht bis 2025 warten, bis wir die letzten Weiler erschlossen haben“, so Haase. Themen wie autonomes Fahren, digitale Landwirtschaft und die Telemedizin als Verbesserung der medizinischen Versorgung in ländlichen Regionen funktionierten nicht, „wenn es da keinen Empfang gibt“.
Privatisierung der Wasserversorgung:
Auf EU-Ebene gebe es Bestrebungen großer Konzerne, die kommunale Wasserversorgung zu privatisieren. „Private Anbieter haben in diesem Geschäft nichts zu suchen“, sagte Haase. Ein großes Unternehmen lobbyiere derzeit gar auf europäischer Ebene, um den Einstieg in die Bodensee-Wasserversorgung zu erzwingen. „Wir stemmen uns mit aller Macht dagegen“, so Haase.