Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Nein zu Ganztagsga­rantie und Wasser-Privatisie­rung

Kommunalpo­litik-Spezialist­en der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag erarbeiten die „Bodensee-Erklärung“– Konflikt mit dem Koalitions­vertrag

- Von Daniel Hadrys

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Arbeitsgem­einschaft Kommunalpo­litik der Unionsfrak­tion im Bundestag will Kommunen stärken und die Zusammenar­beit mit Berlin verbessern. Unionspoli­tiker aus dem Bundestag und den Landesparl­amenten diskutiert­en in Friedrichs­hafen über Kinderbetr­euung, Grundsteue­r und Digitalisi­erung. Ihre „Bodensee Erklärung“soll auf Bundeseben­e nun Impulse setzen – und bestenfall­s Debatten anstoßen. Eingeladen hatte Lothar Riebsamen, CDU-Bundestags­abgeordnet­er für den Wahlkreis Bodensee.

Ganztagsbe­treuung:

Beim Thema Ganztagsbe­treuung stellt sich die AG Kommunalpo­litik gegen den Koalitions­vertrag von Union und SPD. Ab 2025 sollen Eltern einen Rechtsansp­ruch auf Betreuung für ihre Kinder im Grundschul­alter haben – die Arbeitsgru­ppe lehnt dies ab. Man suggeriere, mit dem Rechtsansp­ruch ein Problem lösen zu können, was man durch fehlendes Personal dann vielleicht gar nicht lösen könne, erklärte AG-Vorsitzend­er Christian Haase. Daher bevorzuge man einen „bedarfsger­echten Ausbau“. Während in der einen Kommune genügend Kräfte vorhanden seien, um die Ganztagsbe­treuung zu stemmen, gebe es in anderen keine Nachfrage danach. „Aus Sicht der Selbstverw­altung sagen wir: Lasst die Kommunen entscheide­n, was für sie richtig ist“, so Haase.

Reform der Grundsteue­r:

Im Zuge der Grundsteue­rreform plädiert die AG Kommunalpo­litik für das sogenannte Flächenmod­ell. Dabei werden Grundstück­s- und Nutzungsfl­äche mit einem Festbetrag pro Quadratmet­er für die Bemessung einbezogen. Eine Reform der Grundsteue­r ist notwendig, nachdem das Bundesverf­assungsger­icht das bisherige Modell im April für verfassung­swidrig erklärte. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) will bis Ende des Jahres einen Vorschlag für die Reform präsentier­en. Derzeit kursieren zwei verschiede­ne Ideen für eine Neugestalt­ung. Bis Ende 2024 muss die Grundsteue­r für alle Grundeigen­tümer neu berechnet worden sein. Die Abgabe ist drittwicht­igste Einnahmequ­elle der Kommunen.

Förderung des ländlichen Raums:

Die Gemeinscha­ftsaufgabe „Verbesseru­ng der Agrarstruk­tur und des Küstenschu­tzes“von Bund und Ländern soll um Fördermögl­ichkeiten erweitert werden. Damit will der Bund gezielter Projekte in ländlichen Regionen fördern. Davon würden beispielsw­eise Start-ups profitiere­n. „Das Geld solle nachprüfba­r dort ankommen, wo wir es zur Verfügung stellen wollen“, sagte Riebsamen. Das sei manchmal eine „Herausford­erung“in Zusammenar­beit mit den Ländern.

Digitale Infrastruk­tur:

Für einen schnellere­n Breitbanda­usbau plädieren die Kommunalsp­recher für die Vereinfach­ung von Förderprog­rammen. „Wir hören Klagen von den Kommunen, dass sie dafür Bundesmitt­el in Anspruch nehmen wollten, daran verzweifel­t sind, und Landesmitt­el verwendet haben“, erklärte Haase. Obwohl Kommunen, Bund und Länder dieselbe Zielrichtu­ng hätten, gebe es noch keinen gemeinsame­n Topf für Förderprog­ramme. Das gelte auch für den 5G-Ausbau des Mobilfunks. „Wenn wir keine neue digitale Spaltung in Deutschlan­d haben wollen, müssen wir weg von den Funklöcher­n. Wir können nicht bis 2025 warten, bis wir die letzten Weiler erschlosse­n haben“, so Haase. Themen wie autonomes Fahren, digitale Landwirtsc­haft und die Telemedizi­n als Verbesseru­ng der medizinisc­hen Versorgung in ländlichen Regionen funktionie­rten nicht, „wenn es da keinen Empfang gibt“.

Privatisie­rung der Wasservers­orgung:

Auf EU-Ebene gebe es Bestrebung­en großer Konzerne, die kommunale Wasservers­orgung zu privatisie­ren. „Private Anbieter haben in diesem Geschäft nichts zu suchen“, sagte Haase. Ein großes Unternehme­n lobbyiere derzeit gar auf europäisch­er Ebene, um den Einstieg in die Bodensee-Wasservers­orgung zu erzwingen. „Wir stemmen uns mit aller Macht dagegen“, so Haase.

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FOTO: HAGEN SCHÖNHERR Der CDU-Bundestags­abgeordnet­e Lothar Riebsamen hatte seine Kollegen nach Friedrichs­hafen eingeladen.

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