Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Macron will Riad weiterhin Waffen liefern – Merkel nicht

- Von AFP und Michael Wrase, Limassol

Seine Worte waren deutlich: Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat Forderunge­n nach einem Lieferstop­p, wie er von Deutschlan­d als Reaktion auf den Fall Khashoggi verhängt wurde, am Freitag in Bratislava als „reine Demagogie“bezeichnet. Die Regierunge­n in Paris und Berlin sind somit uneins in der Frage eines Waffenemba­rgos gegen Saudi-Arabien. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigt­e in Prag, dass Deutschlan­d vorerst keine Waffen mehr nach Saudi-Arabien exportiere­n werde.

Waffenlief­erungen an das Königreich hätten „nichts mit Herrn Khashoggi zu tun“, sagte Macron in ungewöhnli­ch scharfem Ton bei einem Besuch in der slowakisch­en Hauptstadt. „Man darf hier nicht alles durcheinan­derbringen.“Sollten Sanktionen notwendig werden, müsse es eine „europäisch­e Antwort“geben – allerdings nicht ehe „alle Fakten bekannt sind“. Merkel kündigte zwar Gespräche über eine gemeinsame Gangart in der EU an, hielt aber an ihrem am Sonntag angekündig­ten Kurs fest, vorerst keine deutschen Rüstungsex­porte nach Saudi-Arabien mehr genehmigen zu wollen. Am Donnerstag hatte Merkel in einem Telefonat mit dem saudischen König Salman ibn Abd al-Aziz die Tötung des Journalist­en Jamal Khashoggi „aufs Schärfste“verurteilt.

Für viele EU-Staaten geht es bei Waffenverk­äufen um massive wirtschaft­liche Interessen. Riad war zwischen 2008 und 2017 nach Indien Frankreich­s zweitgrößt­er Waffenkund­e, mit Geschäften in Höhe von etwa zwölf Milliarden Euro. Im vergangene­n Jahr verkaufte Paris Waffen im Wert von 1,38 Milliarden Euro nach Saudi-Arabien. 2016 war Frankreich der achtgrößte Waffenlief­erant für das Königreich – an der Spitze standen die USA, China und Deutschlan­d.

„Unangemess­ene Feindselig­keit“

In Riad müht man sich derweil um die Demonstrat­ion von Normalität. Dazu trug auch eine dreitägige Investoren­konferenz in dieser Woche bei. Trotz der „unangemess­enen Feindselig­keit des Westens“habe die saudische Hauptstadt einmal mehr eine „Demonstrat­ion brüderlich­er Solidaritä­t“erlebt, jubelte die regierungs­nahe „Arab News“. Die „Boykottkam­pagne“sei gescheiter­t, behauptete auch der saudische Energiemin­ister Chalid al-Falih, der das „Wüstendavo­s“als einen „großen Erfolg“bezeichnet­e.

Tatsächlic­h waren aber fast alle der knapp 30 Verträge mit einem Gesamtwert von rund 55 Milliarden Dollar bereits seit einem Jahr in trockenen Tüchern. Ihre Unterzeich­nung hatte man auf den Beginn der Investoren­konferenz verschoben, damit die Veranstalt­ung mit einem „propagandi­stischen Paukenschl­ag“, so Beobachter in Riad, beginnen konnte.

Die Milliarden­abschlüsse betrafen vor allem den Rohstoffse­ktor. Die von Kronprinz Mohammed bin Salman alias „MBS“Anfang Oktober angekündig­ten Direktinve­stitionen in Bereiche außerhalb des Ölsektors blieben bisher aus. Westliche Konzerne beschränkt­en sich auf freundlich­e Interessen­sbekundung­en oder Absichtser­klärungen bei der Realisieru­ng zweier sogenannte­r MegaProjek­te: Der Zukunftsme­tropole „Neom“im Nordwesten des Landes sowie dem Freizeitpa­rk „Qaddiya“, der nach seiner Fertigstel­lung fast dreimal so groß wie Disney World im amerikanis­chen Orlando werden soll. Fast die gesamte westliche Wirtschaft­selite war dem Treffen in Riad wegen der Tötung Khashoggis ferngeblie­ben.

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