Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Der Sensationsfund bei der Heuneburg
„Das Geheimnis der Keltenfürstin“bündelt Erkenntnisse rund um die sensationellen Funde
HERBERTINGEN-HUNDERSINGEN Es war ein Fund, der die Archäologen Ende Oktober 2010 selber überrascht hat. Sie waren auf der Suche nach Holzresten einer Grabkammer und stießen in einem Acker unterhalb der Heuneburg bei HerbertingenHundersingen (Kreis Sigmaringen) auf filigran verzierten Goldschmuck. Nicht nur die folgende Bergung der Grabkammer, sondern auch die weiteren Funde haben jegliche Erwartungen der Archäologen übertroffen. In dem Buch „Das Geheimnis der Keltenfürstin“haben Landesarchäologe Dirk Krausse und Diplomrestauratorin Nicole Ebinger-Rist jetzt die sensationellen Ergebnisse aufgearbeitet. Die Lektüre lohnt sich nicht nur für Wissenschaftler.
Für Archäologen und Historiker deutete sich die Bedeutung der Heuneburg schon vor Jahrzehnten an. Es könnte sich dabei um die derzeit älteste bekannte Stadt nördlich der Alpen handeln. Denn vieles spricht dafür, dass die Heuneburg identisch ist mit der von Herodot im fünften Jahrhundert vor Christus erwähnten Keltenstadt Pyrene. Spätestens Ende Dezember 2010 wird auch der breiten Öffentlichkeit klar, dass an diesem beschaulichen Flecken Oberschwabens bedeutende keltische Geschichte geschrieben wurde.
Spektakuläre Bergung
Rund zwei Kilometer südlich der Heuneburg hoben am 28. Dezember 2010 zwei Kräne einen rund 80 Tonnen schweren Erdblock an Stahlseilen aus dem Boden und hievten ihn auf einen Schwerlasttransporter. „Die Bergung gehört zu den spektakulärsten archäologischen Unternehmungen der letzten Jahre und hat auch international großes Aufsehen erregt“, schreibt Claus Wolf, Landesamt für Denkmalpflege im Vorwort des Buches. 14 Stahlrohre von jeweils 40 Zentimeter Durchmesser wurden mit einem speziellen Verfahren unter die Kammer gelegt, die freigelegten Seiten mit Stahlplatten gesichert und verschweißt.
Es waren zwei glückliche Umstände, die den Fund in Herbertingen für die Wissenschaft so bedeutend machen, dass Hermann Strampfer, damaliger Tübinger Regierungspräsident, gar vom „schwäbischen Troja“sprach. Zum einen war das Grab aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus sehr gut erhalten. Zum anderen schien es über die vergangenen rund 2500 Jahre niemals von Grabräubern heimgesucht oder vom Pflug zerstört worden zu sein.
Nach dem Transport wurde das frühkeltische Grab mit Stachelschweinborste und Pinsel Millimeter für Millimeter in jahrelanger Feinarbeit freigelegt. Unter Laborbedingungen in einer Halle in Ludwigsburg lagen die Forscher bäuchlings auf einer Brücke über dem Block, der immerhin rund sieben mal sechs Meter maß und 1,80 Meter hoch war. Die freigelegten Grabbeigaben waren nicht minder spektakulär als die Blockbergung.
Die Kostbarkeiten wie zahlreicher Schmuck aus Gold und Bernstein ließen keinen Zweifel daran, dass die Bestattete der privilegierten Elite der frühkeltischen Gesellschaft angehört hat. Rund 160 Zentimeter groß und 30 bis 40 Jahre alt soll die Frau gewesen sein, der die Archäologen den Titel „Keltenfürstin“verleihen. Aber nicht jedes Geheimnis konnten die Forscher lüften. Zwar ergaben Untersuchungen, dass die Dame in der Region des heutigen Herbertingens geboren wurde, aber die Todesursache bleibt unklar. Auch über die genaue Beziehung zu der mitbestatteten Frau und einem später beigesetzten Kind ließ sich nicht mit letzter Gewissheit sagen, ob es sich um Magd und Fürstinnentochter handelte.
Kompakt bündelt das Buch „Das Geheimnis der Keltenfürstin“nicht nur die bisherigen Erkenntnisse aus der Grabkammer. Für Kelten-Einsteiger ordnen die Autoren auch die Heuneburg an sich in die Geschichte ein und – besonders schön – gehen auf die möglichen Beziehungen zu Zeitund Standesgenossen der Fürstin ein. Auch das Kapitel zur Rekonstruktion mancher Grabbeigabe, die nach rund 2500 Jahren doch in Mitleidenschaft gezogen wurde, dokumentiert den Aufwand des damaligen Handwerks und der heutigen Experten. Schritt für Schritt nehmen Krausse und Ebinger-Rist den Leser an die Hand, um die Faszination und Sensation der Funde nachvollziehen zu können. Die Autoren schreiben mit wissenschaftlicher Präzision, aber ohne dabei in einen hochtrabenden Stil zu verfallen. Auf den 192 Seiten tragen zahlreiche Fotos und Grafiken zum Staunen und Verstehen bei.
Das Geheimnis der Keltenfürstin. Konrad Theiss Verlag. 192 Seiten. 39,95 Euro.