Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Giulia Gwinn hat den Torriecher
Die 19-jährige Ailingerin ist für das Tor des Monats nominiert, auch Horst Hrubesch ist begeistert
FREIBURG - Giulia Gwinn ist beim Spiel gegen die TSG Hoffenheim im Freiburger Möslestadion mal wieder zur rechten Zeit am rechten Ort. Sie sprintet in den Strafraum, sieht die Flanke von links kommen, hebt den rechten Fuß und versenkt den Ball ohne zu zögern zum 1:0 für den SC Freiburg. Beim Torjubel wird sie von den Kolleginnen beinahe erdrückt. „Ich musste den Ball ja nur noch über die Linie schieben“, sagt die Mittelfeldspielerin später bescheiden. Doch Giulia Gwinn untertreibt. An allen drei Freiburger Toren des 3:2Siegs im Badenduell ist Gwinn beteiligt. Nach dem Spiel postet sie ein Bild von den jubelnden Mannschaftskameradinnen auf ihrem InstagramAccount. „Derbysieg“schreibt sie dazu. Und: „Teamwork“.
Das Spiel am Mittwoch steht symptomatisch für Giulia Gwinn und ihren derzeitigen Lauf. Denn bei aller Bescheidenheit kann die 19-jährige Ailingerin nicht leugnen, dass ihr fußballerisch zurzeit fast alles gelingt. Vier Tore hat sie in den sechs Ligaspielen dieser Saison bereits geschossen. Mit dem SC Freiburg steht sie auf dem fünften Platz. In der Torjägerliste der Frauen-Bundesliga kletterte sie nach dem Tor gegen die TSG Hoffenheim sogar auf Platz drei. Dazu stand sie im Oktober erstmals in der Startelf der Nationalmannschaft. „Es geht zurzeit schon ganz schön ab“, sagt Gwinn, die ihre Karriere bei der F-Jugend der TSG Ailingen begann, um später, mit gerade mal 16 Jahren, von der männlichen BJugend des SV Weingarten zur Frauenmannschaft des SC Freiburg zu wechseln.
Dort ist sie heute aus der Stammelf nicht mehr wegzudenken – auch wegen Toren wie dem, das ihr beim Spiel gegen Gladbach gelang: Per Seitfallzieher traf sie spektakulär mit der Hacke in die rechte obere Ecke zum 4:0. „Ganz so war das nicht geplant“, sagt sie und lacht. „Die Flanke kam, und ich hab gar nicht nachgedacht. Zum Glück hab ich dann irgendwie das Bein hochbekommen. Ein zweites Mal hätte das wahrscheinlich nicht geklappt.“Die ARD hat das Tor in die Auswahl zum Tor des Monats der Sportschau genommen. Dass es gewählt wird, glaubt Gwinn aber nicht: Sie habe sich die Konkurrenz angeschaut, und da seien auch ein paar starke Treffer dabei. „Fallrückzieher und so.“Freuen würde sie sich trotzdem. „Es gewinnen ja viel zu selten Tore von Frauen.“
Noch mehr als über die Nominierung zum Tor des Monats freue sie sich ohnehin über die Nationalmannschaftseinsätze. „Für sein Land zu spielen, fühlt sich einfach besonders an“, sagt sie, auch wenn sie das bereits kennt: Mit 13 spielte sie erstmals für Deutschland in der U15. Danach durchlief sie alle U-Nationalmannschaften, bevor sie im November 2017 gegen Frankreich im Team von Steffi Jones debütierte. „Ich war total nervös“, gibt sie zu – doch sie bewährte sich.
Der Traum vom Ausland
Auch der neue Bundestrainer Horst Hrubesch erkannte ihr Talent. Im Oktober stellte er Gwinn überraschend in die Startelf für das Testspiel gegen Österreich – und sie überzeugte auch dort. Gwinn schob einen DFB-Angriff nach dem anderen an und hätte kurz vor Ende der zweiten Halbzeit mit einem Schuss von der Strafraumgrenze fast ihr erstes Tor geschossen. „Ich hatte es auf dem Fuß“, sagt sie. Die DFB-Elf gewann auch so 3:1, und Bundestrainer Hrubesch sparte danach nicht mit Lob: „Was Gwinn gespielt hat, war sensationell.“
Die nächsten Länderspiele stehen Mitte November an. Ob sie dann wieder mit im Kader ist, weiß Gwinn noch nicht. „Das wird noch bekannt gegeben“, sagt sie, „aber ich hab jetzt mal für diese Zeit keinen Urlaub gebucht.“Und wenn es für Gwinn sportlich so weitergeht, muss sich auch der SC Freiburg etwas einfallen lassen. „Ich fühle mich extrem wohl hier“, sagt Gwinn, „aber ab und zu klopft natürlich auch mal ein anderer Verein an.“Momentan gebe es für sie zwar keinen Grund über einen Wechsel nachzudenken, „aber perspektivisch“sei das schon eine Option. „Nach England oder Frankreich vielleicht. Wo der Frauenfußball einen höheren Stellenwert hat als hier.“ ... neuerdings auch in der Nationalmannschaft.