Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wie Asterix nach Deutschland kam
50 Jahre ist es her, seit die beiden berühmten Gallier hierzulande ihren Siegeszug antraten
Beim Teutates!“Diese Gallier sind einfach nicht kleinzukriegen. Zumindest diejenigen nicht, die im Jahr 50 vor Christus in einem kleinen unbeugsamen Dorf leben, das den römischen Besatzern Widerstand leistet. Als eine Patrouille im Wald einen kleinen Schnauzbart aufgreifen will, heißt es schnell „Vae victis!“– „Wehe den Besiegten!“denn der listige Gallier macht im Handumdrehen – „Paff!“„Bomm!“aus den Angreifern Kleinholz. Und als der Zenturio des römischen Feldlagers Kleinbonum den Druiden des Dorfes entführen lässt, um dem Geheimnis des Zaubertranks auf die Spur zu kommen, sprießen seine Haare schneller, als er sie sich raufen kann: Miraculix hat ihm statt einer Kraftbrühe kurzerhand ein Haarwuchsmittel zusammengebraut…
Seit 50 Jahren können auch hiesige Leser über diese Geschichte lachen, denn am 18. Dezember 1968 erschien der erste Band „Asterix der Gallier“beim Ehapa-Verlag in deutscher Sprache. Damit trat die Comicreihe von Autor René Goscinny und Zeichner Albert Uderzo auch hierzulande ihren bis heute ungebrochenen Siegeszug an. Allerdings gab es bereits zuvor eine deutsche Version der 1959 in Frankreich gestarteten Abenteuer – die war allerdings bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
Siggi und Babarras
Verantwortlich dafür zeichnete der deutsche Comicproduzent Rolf Kauka. Ältere Semester haben ihn vor allem als onkelhaften Schöpfer von „Fix und Foxi“in Erinnerung, zeitweise wurde er aufgrund seines Erfolgs gar als „deutscher Walt Disney“gefeiert. Doch auch wenn Kauka sich für sein Figuren-Universum eifrig bei den amerikanischen Vorbildern bedient hatte, war er nicht gerade ein Freund fremder Kultureinflüsse. Selbst die konservative „Welt“charakterisierte ihn rückblickend als „deutschnational und stockreaktionär“. Seinem Weltbild entsprechend machte er sich ab 1965 daran, die vier via Lizenz erworbenen Asterix-Abenteuer für den Abdruck in der Jugendzeitschrift „Lupo modern“radikal zu germanisieren. So wurden aus Asterix und Obelix plötzlich die Westgoten Siggi und Babarras und aus den römischen Soldaten „NATOlische Besatzer“. Antisemitische Klischees fanden sich ebenso, und für den Band „Asterix bei den Goten“, in dem die Deutschen ziemlich scharf aufs Korn genommen werden, fand man eine Lösung: In „Siggi und die Ostgoten“tummelten sich jetzt ostdeutsche Kommunisten, deren Sprechblasentexte rot gefärbt waren. Absoluter Tiefpunkt war schließlich, als die Eindeutscher Siggi einmal den Hinkelstein von Babarras mit den Worten kommentieren ließen: „Musst du denn ewig diesen Schuldkomplex mit rumschleppen? Germanien braucht deine Kraft wie nie zuvor.“Björn Höcke hätte seine Freude gehabt.
All das ist mehr als eine bizarre Anekdote – denn gerade der Ausrutscher trug dazu bei, dass die Serie bei ihrem deutschen Neustart ein lang anhaltendes Qualitätsniveau erreichte. Denn als Uderzo von den germanischen Machenschaften Wind bekam, ereilte ihn die größte Sorge seiner Comicfiguren: Ihm fiel der Himmel auf den Kopf. Dem Kauka-Verlag wurde umgehend die Lizenz entzogen und an den Ehapa-Verlag vergeben, zur Sicherheit ließ man sich die deutschen Texte ins Französische rückübersetzen und pochte fortan auf Qualität.
Dafür sorgen sollte die Übersetzerin Gudrun Penndorf, die gute Voraussetzungen mitbrachte. Zum einen verfügte sie natürlich über die notwendigen Sprachkenntnisse und hatte auch schon mal den französischen Part eines englisch-französischen Wörterbuchs betreut. Vor allem hatte sie aber auch schon zuvor Abenteuer von Donald Duck und Micky Maus ins Deutsche übertragen, und dabei viel von der heute legendären Erika Fuchs gelernt. Die promovierte Kunsthistorikerin reicherte die „Lustigen Taschenbücher“mit bildungsbürgerlichen Referenzen und WortNeuschöpfungen („ächz!“) an.
Ganz so viele Freiheiten wie bei den rund 200 „Lustigen Taschenbüchern“hatte Penndorf bei Asterix zwar nicht, brachte aber reichlich Wortwitz in die deutschen Texte mit ein. Auch bei den Namen zeigte sie sich kreativ – aus dem Fischhändler Ordralfabétix, („alphabetische Sortierung“) wurde etwa Verleihnix, vielleicht ihre bekannteste Schöpfung. Und während es bei Siggi noch wenig originell „Uii, die Römer sind doof“hieß, prägte Obelix nun das geflügelte Wort „Die spinnen, die Römer!“
Viele der Zitate und Situationen sind fest in das deutsche popkulturelle Gedächtnis eingegangen. Wenn heute bei einem Käsefondue jemand sein Stück Brot fallen lässt, findet sich ziemlich sicher ein Scherzbold, der „In den See mit einem Gewicht an den Füßen!“ruft – in Anspielung an die aus dem Ruder laufende Fondue-Orgie in „Asterix bei den Schweizern“. Wie in vielen der besten Asterixbände werden hier die Eigenheiten der europäischen Nachbarländer aufs Korn genommen – aber eben meist liebevoll-überspitzt. Da interpretieren Goscinny und Uderzo mal eben den Wilhelm-Tell-Mythos neu oder fügen anachronistische Anspielungen wie Essoguck ein, eine frühe Variante der Schweizer Autobahnraststätten. Dazu kommen zahlreiche Anspielungen auf die Schweizer Pünktlichkeit und Sauberkeit sowie auf das Bankgeheimnis – der Titel des Bandes zeigt Asterix mit einem Edelweiß und Obelix an einem Käserad kauend in einem Tresor.
Diese Komplexität trägt sicher zur ungebrochenen Popularität der Reihe bei. Als Kind erfreut man sich an den aufregenden Abenteuern, den lustigen Keilereien mit den Römern und daran, dass der untalentierte Barde Troubadix zum Festmahl am Ende der meisten Bände vorzugsweise gefesselt und geknebelt zum Schweigen gebracht wird. Mit zunehmendem Alter beginnt man dann die zahlreichen Anspielungen an Pop, Kultur, Geschichte und Tagespolitik zu begreifen und versucht, möglichst viele von diesen aufzuspüren – nicht immer ein leichtes Unterfangen.
Alle Generationen dürften sich schließlich an der fröhlichen Anarchie der freiheitsliebenden Gallier erfreuen – im deutschen Ersterscheinungsjahr 1968 stieß diese vor allem beim jungen, studentischen Publikum auf offene Ohren. Aber über die Jahre hat Asterix auch dazu beigetragen, dass Comics allmählich als eigene Kulturform akzeptiert wurden. Schon die frühen Abenteuer erschienen nicht nur als Hefte, sondern auch als Bände, die auch im Buchhandel erhältlich waren. Bunte Comics neben deutschen Klassikern? Seinerzeit galt das noch als Frevel. Bei Asterix fiel der Gesinnungswandel aber vielleicht auch deshalb leichter, weil hier regelmäßig lateinische Sinnsprüche vorkamen – „Die Würfel sind gefallen“, „Wehe den Besiegten!“und anderes dürften wohl mehr Menschen bei der Lektüre der Comicbücher verinnerlicht haben als im
Lateinunterricht.
Außerdem wurden hier im Kontrast zu den überwiegend amerikanischen Comicproduktionen oft spezifisch europäische Geschichten erzählt. Schließlich war das die Motivation von René Goscinny und Zeichner Albert Uderzo bei der Erschaffung der Reihe. Nach dem Tod Goscinnys im Jahr 1977 und dem Erscheinen des letzten von ihm getexteten Bandes „Asterix bei den Belgiern“im Jahr 1979 ging es nach Ansicht viele Fans allerdings mit der Qualität etwas bergab. Auch Pennedorf verabschiedete sich einige Bände später als Übersetzerin.
Obelix’ Einschätzung von Caesars Truppen ist zum geflügelten Wort geworden
Alte Tradition, neuer Band
Mittlerweile hat sich auch Uderzo aus dem Geschäft zurückgezogen, dafür haben als neues Duo Jean-Yves Ferri als Autor und Didier Conrad als Zeichner übernommen. Mit Erfolg – der im Vorjahr erschienene Band „Asterix in Italien“setzt nicht nur die Tradition der Besuche in den Nachbarländern fort, sondern wurde überwiegend positiv aufgenommen.
Und der erste Band „Asterix der Gallier“wurde soeben als Jubiläumsband mit acht Sonderseiten zur Geschichte der Serie neu aufgelegt. Damit lässt sich noch einmal nachvollziehen, wie hierzulande alles anfing – auch wenn es bereits das zweite Mal war.